Wird die Geschwindigkeit unmittelbar vor der das Ende der innerörtlichen Höchstgeschwindigkeit anzeigenden Ortsausgangstafel gemessen, so kann darin ein besonderer Umstand liegen, der einen Ausnahmefall bei der Festsetzung eines Fahrverbots rechtfertigt.
In einem Fall vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht (BayObLG) war ein Autofahrer von einer Radaranlage „geblitzt“ worden, die unmittelbar vor dem Ortsausgangsschild aufgebaut war. Da eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 32 km/h gemessen wurde, verurteilte ihn das Amtsgericht (AG) wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaft zu einer Geldbuße von 100 Euro und verhängte ein einmonatiges Fahrverbot.
Das BayObLG hat diese Entscheidung aufgehoben. Es hat ausgeführt, dass das AG von einem „Regelfall“ ausgegangen ist und daher das im Bußgeldkatalog vorgesehene einmonatige Fahrverbot verhängt hat. Das AG hat jedoch nicht geprüft, ob ein besonderer Umstand dadurch gegeben war, dass die Geschwindigkeitsmessung den Richtlinien für die polizeiliche Verkehrsüberwachung widersprach. Diese Richtlinien sehen vor, dass die Radarmessung mindestens 200 m von einem Ortsausgangsschild entfernt sein soll. Dies war vorliegend nicht der Fall. Zwar handelt es sich dabei um innerdienstliche Vorschriften, doch sichern sie auch die Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer in vergleichbaren Kontrollsituationen. Aus diesem Grund kann es als besonderer Tatumstand angesehen werden, wenn die Radarmessung entgegen den Richtlinien erfolgt. Dieser Tatumstand rechtfertigt die Annahme eines Ausnahmefalls, in dem auf die Verhängung eines Fahrverbotes verzichtet werden kann. Dies gilt selbst in dem Fall, in dem die Messung in ihrem Ergebnis korrekt war (BayObLG, 1 ObOWi 221/02).
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