Verhandlungsunfähigkeit: Anforderungen an ärztliches Attest

Das Oberlandesgericht Hamm, 5 RVs 131/21, hat sich recht umfassend dazu gewäußert, was hinsichtlich eines ärztlichen Attests zu erwarten ist, mit dem die Verhandlungsunfähigkeit – hier: zum Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung – glaubhaft gemacht werden soll:

Zulässigkeitsvoraussetzung für ein Wiedereinsetzungsgesuch ist hierbei unter anderem die konkrete Angabe des Hinderungsgrundes (Senatsbeschluss vom 30.10.2018 – 5 Ws 449/18 –, Rn. 14, juris; OLG Braunschweig Beschluss vom 08.01.2015, 1 Ws 380/13 -, juris).

Diesem Erfordernis genügt ein Antragsteller nur, wenn er die Umstände vorträgt, die dazu geführt haben, dass ihm eine Teilnahme an der nicht zuzumuten war (Senatsbeschluss vom 30.10.2018 – 5 Ws 449/18 –, Rn. 14, juris; OLG Braunschweig Beschluss vom 08.01.2015, 1 Ws 380/13 -, juris). Beruft sich ein Angeklagter – wie vorliegend – auf eine Erkrankung, genügt hierbei der Hinweis nicht, er sei infolge der akuten Erkrankung verhandlungsunfähig gewesen (Senatsbeschluss vom 30.10.2018 – 5 Ws 449/18 –, Rn. 14, juris; Maul, in: Karlsruher Kommentar, 8. Auflage 2019, § 45 StPO Rn. 7).

Es ist auch nicht ausreichend, wenn der Angeklagte ein Attest beibringt, in dem ihm eine Verhandlungsunfähigkeit bescheinigt wird (Senatsbeschluss vom 30.10.2018 – 5 Ws 449/18 –, Rn. 14; Maul, in: Karlsruher Kommentar, a.a.O., § 45 StPO Rn. 7). Vielmehr ist die Art der Erkrankung unter Angabe der Symptomatik detailliert darzustellen (Senatsbeschluss vom 30.10.2018 – 5 Ws 449/18 –, Rn. 14, juris; OLG Hamm VRS 114, 376: OLG Braunschweig Beschluss vom 08.01.2015, 1 Ws 380/13 -, juris).

Weder das mit Schriftsatz vom 09.07.2021 eingereichte Attest, noch das im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 04.08.2021 eingereichte Attest genügen diesen Anforderungen, weil ihnen die Art der körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen jeweils nicht konkret zu entnehmen ist. Soweit in den Attesten angegeben wird, dass der Angeklagte an einer noch nicht ausgeheilten Covid-Infektion litt, ergibt sich hieraus für den maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung weder, welche Symptome er konkret aufgewiesen hat, noch dass er – was angesichts seines Erscheinens in der Sprechstunde auch fern liegt –  infektiös gewesen wäre. Die weiteren Beschreibungen des Gesundheitszustandes des Angeklagten – eingeschränkte Belastungsfähigkeit, Reise- und Verhandlungsunfähigkeit – enthalten lediglich Wertungen bzw. einen Rechtsbegriff und ermöglichen dem Senat nicht, die behauptete Verhandlungsunfähigkeit zu überprüfen.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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