Urheberrecht: Design eines Kompaktfahrrads

Das Landgericht Köln (14 O 49/22) verhandelte eine interessante Frage des Urheberrechts: Ist das eines Kompaktfahrrads urheberrechtlich schützbar? Diese Frage betrifft nicht nur Fahrradhersteller, sondern auch Designliebhaber und die kreative Branche im Allgemeinen. Die Entscheidung bietet aufschlussreiche Einblicke in die urheberrechtliche Beurteilung von Gebrauchsgegenständen.

Sachverhalt

Die Klägerin, ein Hersteller von Kompaktfahrrädern, beschuldigte die Beklagte, ein ähnliches Fahrraddesign verwendet zu haben, welches die Klägerin als urheberrechtlich geschützt ansah. Die Beklagte, ebenfalls Fahrradproduzentin, wies darauf hin, dass das Design bereits vorbekannt und somit nicht schutzfähig sei. Zuvor hatten die Parteien bis Ende 2021 einen Lizenzvertrag, der die exklusive Herstellung und den Vertrieb der Fahrräder der Klägerin durch die Beklagte beinhaltete.

Analyse der Entscheidung

Das Gericht befasste sich mit der Frage der Schutzfähigkeit des Fahrraddesigns. Hierbei spielten insbesondere die Gestaltungsmerkmale eine Rolle, die das Design des Fahrrads charakterisieren. Die Klägerin argumentierte mit einem spezifischen „Treppendesign“ des Fahrrads, das sie als einzigartig und schützenswert ansah. Die Beklagte hingegen vertrat die Ansicht, dass die Gestaltung rein technisch bedingt und daher nicht urheberrechtlich schützbar sei.

Die Entscheidung des Gerichts betonte, dass der Schutz von Werken der angewandten Kunst im Urheberrecht möglich ist, allerdings müssen diese Werke eine gewisse Gestaltungshöhe erreichen. Hierbei ist entscheidend, ob das Design ein Ergebnis künstlerischer Freiheit ist oder ob technische Aspekte die Gestaltung dominieren.

Das Gericht stellte fest, dass das Fahrraddesign der Klägerin tatsächlich ein Werk der angewandten Kunst sei. Allerdings wurde der nicht stattgegeben, da das Gericht keine hinreichende Übernahme individueller Gestaltungsmerkmale durch die Beklagte erkannte. Dabei führt das Landgericht im Detail aus:

Eine Verletzung des Urheberrechts gemäß § 97 UrhG liegt nicht nur bei einer identischen widerrechtlichen Nachbildung eines Werks vor. Aus der Bestimmung des § 23 Abs. 1 Satz 1 UrhG, nach der Bearbeitungen oder andere Umgestaltungen eines Werks nur mit Zustimmung des Urhebers veröffentlicht oder verwertet werden dürfen, ergibt sich, dass der Schutzbereich des Veröffentlichungsrechts im Sinne von § 12 UrhG und der Verwertungsrechte gemäß § 15 UrhG sich – bis zu einer gewissen Grenze – auch auf vom Original abweichende Gestaltungen erstreckt (BGH, GRUR 2022, 899 [juris Rn. 55] – Porsche 911, mwN; BGH, Urt. v. 15.12.2022 – I ZR 173/21 –, Rn. 27 – Vitrinenleuchte).

Bei der Prüfung, ob eine Veränderung eines Werks in den Schutzbereich des Urheberrechts fällt, ist zu berücksichtigen, dass jede Bearbeitung oder andere Umgestaltung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 UrhG, soweit sie körperlich festgelegt ist, zugleich eine Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG darstellt. Zu den Vervielfältigungen zählen nicht nur Nachbildungen, die mit dem Original identisch sind; vom Vervielfältigungsrecht des Urhebers werden vielmehr auch – sogar in einem weiteren Abstand vom Original liegende – Werkumgestaltungen erfasst, wenn die Eigenart des Originals in der Nachbildung erhalten bleibt und ein übereinstimmender Gesamteindruck besteht (vgl. BGH, GRUR 2022, 899 [juris Rn. 56] – Porsche 911, mwN). Allerdings führt nicht jede Veränderung eines Werks zu einer Bearbeitung oder anderen Umgestaltung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 UrhG. In einer nur unwesentlichen Veränderung einer benutzten Vorlage ist nicht mehr als eine Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG zu sehen. Eine Bearbeitung oder andere Umgestaltung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 UrhG setzt daher eine wesentliche Veränderung der benutzten Vorlage voraus. Ist die Veränderung der benutzten Vorlage indessen so weitreichend, dass die Nachbildung über eine eigene schöpferische Ausdruckskraft verfügt und die entlehnten eigenpersönlichen Züge des Originals angesichts der Eigenart der Nachbildung verblassen, liegt keine Bearbeitung oder andere Umgestaltung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 UrhG und keine Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG, sondern ein selbständiges Werk vor, das in freier Benutzung des Werks eines anderen geschaffen worden ist und das nach § 23 Abs. 1 Satz 2 UrhG ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werks veröffentlicht und verwertet werden darf (vgl. BGH, GRUR 2022, 899 [juris Rn. 56] – Porsche 911, mwN).

Aus diesen Grundsätzen ergibt sich folgende Prüfungsfolge: Zunächst ist im Einzelnen festzustellen, welche objektiven Merkmale die schöpferische Eigentümlichkeit des benutzten Werks bestimmen. Sodann ist durch Vergleich der einander gegenüberstehenden Gestaltungen zu ermitteln, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang in der neuen Gestaltung eigenschöpferische Züge des älteren Werks übernommen worden sind. Maßgebend für die Entscheidung ist letztlich ein Vergleich des jeweiligen Gesamteindrucks der Gestaltungen, in dessen Rahmen sämtliche übernommenen schöpferischen Züge in einer Gesamtschau zu berücksichtigen sind. Stimmt danach der jeweilige Gesamteindruck überein, handelt es sich bei der neuen Gestaltung um eine Vervielfältigung des älteren Werks (vgl. BGH, GRUR 2022, 899, 906, Rn. 57 – Porsche 911, mwN). Weicht hingegen der Gesamteindruck der neuen Gestaltung vom Gesamteindruck des älteren Werks in der Weise ab, dass die den Urheberrechtsschutz des älteren Werks begründenden Elemente im Rahmen der Gesamtschau in der neuen Gestaltung verblassen, also nicht mehr wiederzuerkennen sind, greift die neue Gestaltung nicht in den Schutzbereich des älteren Werks ein (vgl. BGH, GRUR 2022, 899, 906, Rn. 58 – Porsche 911, mwN). Bei der Feststellung des Gesamteindrucks sowie der Feststellung, in welchem Umfang eigenschöpferische Züge eines Werks übernommen worden sind, handelt es sich um Tatfragen (BGH, GRUR 2023, 571, 574, Rn. 31 – Vitrinenleuchte). Die Grundsätze, nach denen der Schutzbereich urheberrechtlicher Verwertungsrechte bestimmt wird, hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seinen Entscheidungen “Infopaq International“ (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2009 – C-5/08, Slg. 2009, 6569 = GRUR 2009, 1041) sowie „Pelham u.a.“ (EuGH, Urteil vom 29. Juli 2019 – C-476/17, GRUR 36 37 – 19 – 2019, 929 = WRP 2019, 1156) geklärt (vgl. BGH, GRUR 2022, 899 [juris Rn. 100] – Porsche 911).

Eine neue Gestaltung greift allerdings schon dann nicht in den Schutzbereich eines älteren Werks ein, wenn ihr Gesamteindruck vom Gesamteindruck des älteren Werks in der Weise abweicht, dass die den Urheberrechtsschutz des älteren Werks begründenden Elemente im Rahmen der Gesamtschau in der neuen Gestaltung verblassen, also nicht mehr wiederzuerkennen sind. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht mehr darauf an, ob die neue Gestaltung die Anforderungen an ein urheberrechtlich geschütztes Werk erfüllt. Selbst wenn mit der neuen Gestaltung unter Benutzung des älteren Werks ein neues Werk geschaffen worden sein sollte, könnte dieser Umstand für sich genommen einen Eingriff in die Urheberrechte am älteren Werk nicht rechtfertigen. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH kann eine Einschränkung des Schutzbereichs außerhalb der Schranken nicht allein damit gerechtfertigt werden, dass kulturelles Schaffen nicht ohne ein Aufbauen auf früheren Leistungen anderer Urheber denkbar ist (EuGH GRUR 2019, 929 Rn. 56–65 – Pelham ua).


Fazit

Die Entscheidung unterstreicht die Notwendigkeit einer deutlichen künstlerischen Prägung bei der Gestaltung von Gebrauchsgegenständen, um urheberrechtlichen Schutz zu genießen. Dies bedeutet, dass Unternehmen, die im Designbereich tätig sind, darauf achten sollten, nicht nur funktional, sondern auch kreativ und individuell zu gestalten, um Schutzansprüche geltend machen zu können. Gleichzeitig verdeutlicht der Fall die Bedeutung des Gesamteindrucks eines Werks im Urheberrecht, der über einzelne technische Merkmale hinausgeht.

Für Rechtsanwälte und ihre Mandanten bedeutet dies, dass bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit eines Designs die künstlerische Gestaltung und der Gesamteindruck entscheidend sind und diese Aspekte im Streitfall klar herausgearbeitet werden müssen.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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