Treuhandverhältnis bei Abtretung von Forderungen zur Sicherung

Das Oberlandesgericht Hamm, 12 U 204/21, hat entschieden, dass jeder Sicherungsabtretungsvertrag auch ohne ausdrückliche Vereinbarung ein Treuhandverhältnis begründet. Aus dem treuhänderischen Charakter des Sicherungsvertrages ergibt sich – abgesehen vom Fall der auflösend bedingten Sicherungsabtretung – die Verpflichtung des Sicherungsnehmers, die Sicherheit schon vor Beendigung des Vertrages zurückzugewähren, wenn und soweit sie endgültig nicht mehr benötigt wird:

Sicherheitshalber abgetretene Forderungen sind nichtakzessorische fiduziarische Sicherheiten. Jeder Vertrag über die Bestellung einer derartigen Sicherheit begründet auch ohne ausdrückliche Vereinbarung ein Treuhandverhältnis. Das gilt ohne Rücksicht darauf, ob es sich um einen Individual- oder um einen Formularvertrag handelt, ob er eine Singularsicherheit oder revolvierende Globalsicherheiten zum Gegenstand hat.

Aus der Treuhandnatur des Sicherungsvertrages ergibt sich – abgesehen vom Fall auflösend bedingter Sicherungsübertragungen – die Pflicht des Sicherungsnehmers, die Sicherheit schon vor Beendigung des Vertrages zurückzugewähren, wenn und soweit sie endgültig nicht mehr benötigt wird. Diese Pflicht folgt gemäß § 157 BGB aus dem fiduziarischen Charakter der Sicherungsabrede sowie der Interessenlage der Vertragsparteien. Soweit Sicherheiten nicht nur vorübergehend nicht mehr benötigt werden, also eine endgültige Übersicherung vorliegt, ist ihr weiteres Verbleiben beim Sicherungsnehmer ungerechtfertigt.

Die Entscheidung, ob Sicherungsgegenstände freigegeben werden, liegt deshalb nicht im Ermessen des Sicherungsnehmers. Wenn und soweit eine nicht nur vorübergehende nachträgliche Übersicherung des Sicherungsnehmers eintritt, ist eine (Teil-)Freigabe vielmehr zwingend erforderlich. Dieser vertragliche Anspruch des Sicherungsgebers auf Rückgabe nicht mehr benötigter Sicherheiten besteht auch dann, wenn der Sicherungsvertrag eine ausdrückliche Freigaberegelung nicht enthält. (vgl. BGH, NJW 1998, S. 671 ff. Rn. 38  ff.)

Oberlandesgericht Hamm, 12 U 204/21

Dem Sicherungsnehmer ist es in diesen Fällen – vor dem Hintergrund des bestehenden Treuhandverhältnisses – nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf die eingetretene des Rückgewähranspruchs zu berufen, wenn er kein schutzwürdiges eigenes Interesse an der Abwehr des Rückgewähranspruchs hat:

Zwar ist ein grober Verstoß gegen Treu und Glauben anzunehmen, wenn der Verpflichtete den Berechtigten durch sein Verhalten von der rechtzeitigen Klageerhebung abgehalten oder ihn nach objektiven Maßstäben zu der Annahme veranlasst hat, es werde auch ohne Rechtsstreit eine vollständige Befriedigung seines Anspruchs zu erzielen sein.

Der Schuldner setzt sich in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten, wenn er zunächst den Gläubiger zur Untätigkeit veranlasst und später aus der Untätigkeit einen Vorteil herleiten will, indem er sich auf Verjährung beruft. Dies kann man annehmen, wenn der Schuldner durch positives Tun oder durch ein pflichtwidriges Unterlassen einen entsprechenden beim Gläubiger erregt hat. Ein bloßes Schweigen des Verpflichteten kann indes das Unwerturteil einer unzulässigen Rechtsausübung nicht rechtfertigen. (vgl. BGH, NJW 1988, S. 265 f. Rn. 16; BAG, NZA-RR 2008, S. 399 f. Rn. 17)

Oberlandesgericht Hamm, 12 U 204/21

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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