Strafbarkeit des Wegwerfens von Cannabis

Wegwerfen von als Straftat: Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) hat in seinem Beschluss vom 8. April 2024 (Az.: 203 StRR 39/24) zur Strafbarkeit des Wegwerfens von Cannabis nach dem neuen Konsumcannabisgesetz (KCanG) Stellung genommen. Die Entscheidung beleuchtet die neuen gesetzlichen Regelungen und deren Anwendung auf Handlungen, die vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung am 1. April 2024 stattfanden.

Sachverhalt

Im vorliegenden Fall wurde der Angeklagte wegen des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln verurteilt. Während einer polizeilichen Verfolgung warf er 11,19 Gramm Marihuana weg, um einer Kontrolle zu entgehen. Das Rauschmittel wurde kurz darauf von den Polizeibeamten sichergestellt. Das Amtsgericht Weiden verurteilte ihn zunächst zu einer von vier Monaten. Diese Entscheidung wurde in der Berufung vom Landgericht Weiden bestätigt. Der Angeklagte legte daraufhin Revision ein.

Rechtliche Analyse

Neue Gesetzeslage: Konsumcannabisgesetz (KCanG)

Das KCanG, das am 1. April 2024 in Kraft trat, sieht vor, dass der Besitz von bis zu 30 Gramm Konsumcannabis außerhalb des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltsortes straffrei ist, solange es nicht ausschließlich für den Eigenkonsum bestimmt ist. Dies gilt auch für den Erwerb oder die Entgegennahme von bis zu 25 Gramm. Dennoch bleibt das bewusste Wegwerfen von Cannabis im öffentlichen Raum strafbar, wie § 34 Abs. 1 Nr. 10 KCanG festlegt.

Wesentliche Feststellungen des Gerichts

Das BayObLG stellte fest, dass das Wegwerfen von Cannabis im öffentlichen Straßenraum als Inverkehrbringen im Sinne des § 34 Abs. 1 Nr. 10 KCanG zu werten ist. Diese Handlung ist vollendet, wenn ein Dritter Zugriff auf das Rauschmittel erlangt. Das Versuchsstadium wird erreicht, sobald der Täter die Betäubungsmittel für andere zugreifbar zurücklässt.

Rückwirkungsverbot und Bestimmtheitsgebot

Das Gericht betonte, dass die neue gesetzliche Regelung als Nachfolgeregelung des § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 anzusehen ist und somit kein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot und das Bestimmtheitsgebot vorliegt. Die Kontinuität des Unrechtstyps bleibt gewahrt, sodass der Täter auch nach dem neuen Gesetz wegen derselben Straftat verurteilt werden kann.

Entscheidungsgründe

Das BayObLG änderte den Schuldspruch dahingehend, dass der Angeklagte des versuchten unerlaubten Inverkehrbringens von Konsumcannabis schuldig ist. Der Strafausspruch wurde aufgehoben, da die Tat nicht vollendet war und der Strafrahmen nach dem neuen KCanG herabgesetzt wurde. Zudem steht die Entscheidung über die von Konsumcannabis nun im Ermessen des Gerichts, was im Urteil entsprechend begründet werden muss:

Die neue gesetzliche Bestimmung kann bezüglich des Umgangs mit Konsumcannabis als Nachfolgeregelung von § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG angesehen werden, ohne dass ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot und das Bestimmtheitsgebot zu besorgen wäre. Das Wesen des vormals in § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 1, 3 BtMG und Anlage I a.F. zu BtMG beschriebenen und nach Abs. 2 auch als Versuch strafbaren Delikts des unerlaubten Inverkehrbringens von Cannabis als ein dem Betäubungsmittelgesetz unterfallendes Rauschmittel ist in seinem Kern auch nach der gesetzlichen Ausgestaltung der Neuregelung unberührt geblieben.

Ein Fall, dass der Gesetzgeber durch die völlige Umgestaltung einer Strafvorschrift zu erkennen gegeben hätte, dass er nicht mehr das bisher verpönte, sondern ein ganz anders geartetes Verhalten als Unrecht betrachtet, mit der Folge, dass die Straftatbestände des alten und des neuen Gesetzes nicht mehr zueinander in Beziehung gesetzt werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 1975 – GSSt 1/75 –, BGHSt 26, 167, juris Rn. 14), liegt hier nicht vor. Die Kontinuität des Unrechtstyps ist auch im Rahmen der Neuregelung gewahrt, der Tatvorwurf ist im wesentlichen derselbe geblieben, so dass kein tiefgreifender Wesensunterschied zwischen der alten und der neuen Vorschrift festgestellt werden kann, mit der Folge, dass der Täter, der den neuen Straftatbestand erfüllt, wegen der Straftat verurteilt werden kann (…).

Für den Anwendungsbereich des BtMG ist anerkannt, dass der Auffangtatbestand des sonstigen Inverkehrbringens nach § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG jedes, gleichwie geartete Eröffnen der Möglichkeit umfasst, dass ein anderer die tatsächliche Verfügung über den Stoff erlangt und ihn nach eigener Entschließung verwenden kann, also jede Verursachung eines Wechsels der Verfügungsgewalt über die Betäubungsmittel durch einen anderen (…).

Wirft jemand – auch anlässlich einer Polizeikontrolle – Betäubungsmittel in einer Weise weg, welche die Gefahr begründet, dass Dritte die Betäubungsmittel auffinden, konsumieren oder weitergeben, war dieses Verhalten nach der bisher geltenden Rechtslage von der Strafvorschrift von § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG als sonstiges Inverkehrbringen umfasst (…). Die Tat ist erst vollendet, wenn der Dritte Zugriff erlangt hat. Das Versuchsstadium ist erreicht, sobald der Täter die Betäubungsmittel für andere zugreifbar zurücklässt. Finden diese die Drogen nicht, so bleibt es beim Versuch (…).

Diese Grundsätze sind auf die Strafbarkeit nach § 34 Abs. 1 Nr. 10 KCanG entsprechend zu übertragen. Denn in der Neuregelung des Umgangs mit Konsumcannabis wurden die Strafvorschriften aufgrund der strukturellen Vergleichbarkeit an das Betäubungsmittelstrafrecht angelehnt (vgl. BT-Drucks. 20/10426 S. 128). Nach dem Willen des Gesetzgebers soll auch – weiterhin – die Dereliktion von Konsumcannabis der Strafbarkeit unterfallen (vgl. BT-Drucks. a.a.O. S. 128 f., S. 136 f.). Die Vorschrift von § 34 Abs. 1 Nr. 10 KCanG erfasst damit auch das bewusste Wegwerfen von Konsumcannabis im öffentlichen Straßenraum.

Fazit und Auswirkungen

Die Entscheidung des BayObLG verdeutlicht die Anwendung der neuen gesetzlichen Bestimmungen des KCanG und deren Auswirkungen auf Handlungen, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes stattfanden. Besonders hervorgehoben wird die strafrechtliche Relevanz des Wegwerfens von Cannabis im öffentlichen Raum, was als Versuch eines unerlaubten Inverkehrbringens gewertet wird. Für die Praxis bedeutet dies, dass die Gerichte bei ähnlichen Fällen künftig die neuen Bestimmungen des KCanG berücksichtigen und entsprechende Schuldsprüche und Strafaussprüche anpassen müssen.

Die Entscheidung des BayObLG zeigt, dass trotz der Liberalisierung des Cannabisbesitzes durch das KCanG bestimmte Handlungen, wie das Wegwerfen von Cannabis im öffentlichen Raum, weiterhin strafbar bleiben. Die Gerichte sind angehalten, diese neuen gesetzlichen Vorgaben in ihren Entscheidungen zu berücksichtigen und dabei den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Die genaue Begründung der Ermessensausübung bei der Einziehung von Konsumcannabis ist dabei von besonderer Bedeutung.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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