Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Sicherungsverwahrung im Nachverfahren

In einem aktuellen Urteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) (Az. 1 StR 371/23) die Entscheidung des Landgerichts (LG) Deggendorf bestätigt, die Sicherungsverwahrung im Nachverfahren abzulehnen. Diese Entscheidung beleuchtet die komplexen Anforderungen und Abwägungen bei der Anordnung von Sicherungsverwahrung und setzt wichtige Akzente im Umgang mit der Gefährlichkeitsprognose für Straftäter.

Sachverhalt

Der Verurteilte war im Jahr 2016 wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt worden. Gleichzeitig hatte das LG Deggendorf die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66a StGB vorbehalten. Nach Verbüßung der Strafe lehnte das LG Deggendorf im Mai 2023 die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung ab, da keine ausreichende Gefährlichkeit des Verurteilten mehr festgestellt werden konnte.

Rechtliche Analyse

Gesetzliche Grundlage und Anforderungen

Nach § 66a Abs. 3 Satz 2 StGB ist die Sicherungsverwahrung im Nachverfahren anzuordnen, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten und seiner Taten ergibt, dass von ihm erhebliche Straftaten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Hierbei ist keine Hangfeststellung erforderlich, jedoch muss eine umfassende Analyse der Täterpersönlichkeit und seiner bisherigen Legalbiographie erfolgen.

Entscheidung des Landgerichts

Das LG Deggendorf hatte unter Berücksichtigung eines Sachverständigengutachtens festgestellt, dass das Risiko, dass der Verurteilte nach seiner Haftentlassung erneut schwere Straftaten begeht, nicht mit der erforderlichen Sicherheit prognostiziert werden konnte. Die Kammer berücksichtigte dabei die positiven Entwicklungen des Verurteilten während der Haft, seine Therapie- und Behandlungsbereitschaft sowie die Möglichkeit, seine Gefährlichkeit durch flankierende Maßnahmen wie Auflagen und Weisungen zu kontrollieren.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der BGH bestätigte die Entscheidung des LG Deggendorf und führte aus, dass die Ablehnung der Sicherungsverwahrung rechtlicher Überprüfung standhält. Der Generalbundesanwalt hatte in seiner Stellungnahme hervorgehoben, dass die Gesamtwürdigung aller prognostisch relevanten Umstände keine ausreichende Sicherheit für die Annahme einer fortbestehenden Gefährlichkeit des Verurteilten ergab. Insbesondere sei die Persönlichkeitsstörung des Verurteilten durch langjährige Suchtmittelabstinenz und therapeutische Maßnahmen in der Haft deutlich abgemildert worden.

Fazit

Die Entscheidung des BGH verdeutlicht die hohen Anforderungen an die Anordnung der Sicherungsverwahrung im Nachverfahren. Sie unterstreicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen und umfassenden Würdigung der Entwicklung des Verurteilten, seiner Persönlichkeit und der Umstände, die seine Gefährlichkeit beeinflussen können.

Diese Entscheidung stärkt den Grundsatz, dass Sicherungsverwahrung nur dann angeordnet werden darf, wenn die Gefahr weiterer schwerer Straftaten hinreichend sicher prognostiziert werden kann. Dies erfordert eine differenzierte Betrachtung und die Berücksichtigung aller mildernden Umstände, die das Risiko einer erneuten Straffälligkeit minimieren können.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht inkl. IT-Sicherheitsrecht - ergänzt um Arbeitsrecht mit Fokus auf Managerhaftung. Von Verbrauchern werden allein Strafverteidigungen und im Einzelfall Fälle im Arbeitsrecht übernommen!
Rechtsanwalt Jens Ferner

Von Rechtsanwalt Jens Ferner

Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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