Auch wenn sich ein Angeklagter eine Befreiung von steuerlichen Erklärungspflichten bei einem Finanzamt âerschleichtâ, kommt eine Straflosigkeit in Betracht: Vor dem Hintergrund des Bestimmtheitsgrundsatzes entfaltet bei verwaltungsakzessorischen Straftatbeständen die behördliche Entscheidung grundsätzlich Tatbestandswirkung. Denn: Es kommt nur auf die formelle Wirksamkeit der Entscheidung an, nicht auf ihre materielle RechtmäÃigkeit (BGH, 1 StR 389/21). Verwaltungsakzessorische Straftatbestände bedürfen eines eindeutigen AuslegungsmaÃstabs im Hinblick auf ihre verwaltungsrechtlichen Voraussetzungen.
Würde man – verborgene – materielle Rechtsmängel, etwa infolge von Täuschungen oder sonstigen missbräuchlichen Verhaltensweisen, zum Abgrenzungskriterium zwischen strafbarem und straflosem Verhalten machen, wären Voraussetzungen und Grenzen der Strafbarkeit generell ungewiss, weil sie von zufällig feststellbaren und im Einzelfall nicht feststellbaren Tatumständen abhingen (BGH, 1 StR 289/20).
Aus § 130 Abs. 2 Nr. 2 AO folgt, dass auch ein durch unlautere Mittel wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkter Verwaltungsakt grundsätzlich wirksam ist. Die Steuerbefreiung ist daher auch nicht deshalb unbeachtlich, weil sie auf einem Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO) beruht. Das Tatbestandsmerkmal des Gestaltungsmissbrauchs ist schon deshalb nicht erfüllt, weil eine Gestaltung im Sinne des § 42 AO ein tatsächlich verwirklichter Sachverhalt ist (BFH, VIII R 30/80), der zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteil führt; ein lediglich vorgetäuschter Sachverhalt oder die bloÃe Geltendmachung eines Anspruchs, sei er auch offensichtlich unbegründet, ist dementsprechend keine Gestaltung in diesem Sinne.
Vor allem aber betreffen die Vorschriften über das Steuerschuldverhältnis, zu denen auch § 42 AO gehört, den abstrakten Steueranspruch und nicht dessen Konkretisierung durch Verwaltungsakt (vgl. zusammenfassend BGH, 1 StR 440/22). Wird bei der Konkretisierung die richtige Steuerschuld verfehlt, so kann nach MaÃgabe der gesetzlichen Bestimmungen eine Anpassung an die entstandene Steuerschuld im Wege des Rechtsbehelfs oder durch Korrektur des Verwaltungsaktes erreicht werden (BT-Drucks. 6/1982, S. 113, 114; sowie BFH, IX R 9/83). Bis dahin ist es nicht zulässig, einem Verwaltungsakt einen anderen als den bekanntgegebenen Inhalt zu geben (§ 124 Abs. 1 Satz 2 AO) oder den Verwaltungsakt zum Nachteil des Adressaten umzudeuten (§ 128 Abs. 2 Satz 1 AO).
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