Der Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 29. November 2024 (18 Qs 30/24) stellt einen wichtigen Beitrag zur Handhabung der Einziehung im Arbeitsstrafrecht dar. Im Mittelpunkt steht die Frage der Einziehung nach §§ 73 ff. StGB in Fällen der Schwarzarbeit, des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt. Das Urteil beleuchtet insbesondere die Voraussetzungen für die erweiterte Einziehung von Taterträgen und gibt praxisnahe Hinweise zu Compliance-Risiken, die auch für Unternehmensleitungen von Relevanz sind.
Hintergrund der Entscheidung
Die Ausgangslage betraf die Einziehung von Vermögenswerten eines Beschuldigten, der im Rahmen eines Schwarzarbeit-Schemas Beihilfe zum Vorenthalten von Arbeitsentgelt geleistet haben soll. Im Fokus stand unter anderem ein bei einer Durchsuchung aufgefundener Bargeldbetrag in Höhe von 91.980 Euro sowie die Berechnung weiterer Beträge, die durch die Taten erlangt worden sein sollen.
Kernfragen und rechtliche Analyse
- Einziehung von Taterträgen nach § 73 StGB
- Das Gericht stellte klar, dass Vermögensvorteile nur eingezogen werden können, wenn sie „durch die Tat“ oder „für die Tat“ erlangt wurden. Hierzu muss ein direkter zeitlicher und kausaler Zusammenhang bestehen.
- Im vorliegenden Fall war dies nicht gegeben, da die festgestellten Vorteile – insbesondere gesparte Sozialversicherungsabgaben – nicht unmittelbar in das Vermögen des Beschuldigten geflossen waren, sondern ausschließlich der Gesellschaft zugutekamen.
- Erweiterte Einziehung nach § 73a StGB
- Die Voraussetzungen für eine erweiterte Einziehung von Taterträgen wurden ebenfalls nicht erfüllt. Nach Ansicht des Gerichts hätte das durch andere Taten Erlangte zum Zeitpunkt der Anlasstat im Vermögen des Beschuldigten vorhanden sein müssen. Der aufgefundene Bargeldbetrag war jedoch zwei Jahre nach den letzten Anlasstaten entdeckt worden, wodurch der zeitliche Zusammenhang fehlte.
- Beschlagnahme und Vermögensarrest
- Das Gericht hob den zuvor angeordneten Vermögensarrest auf, da keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Einziehung vorlagen. Es stellte jedoch fest, dass eine Beschlagnahme nach § 111b StPO möglich sein könnte, wenn dringende Gründe für eine spätere Einziehung gegeben sind.
Hier ist eine Ergänzung zum Blog-Beitrag, die auf die Aspekte der Geldwäsche eingeht, wie sie im Beschluss des LG Nürnberg-Fürth behandelt werden:
Geldwäsche und Einziehung: Besondere Herausforderungen im Arbeitsstrafrecht
Ein zentraler Aspekt der Entscheidung war die Bewertung von Bargeld, das im Kontext potenzieller Straftaten aufgefunden wurde, und dessen möglicher Zusammenhang mit Geldwäsche nach § 261 StGB. Hierzu stellte das Gericht wesentliche Grundsätze auf, die im Arbeitsstrafrecht und darüber hinaus von Bedeutung sind.
Die rechtlichen Grundlagen der Geldwäsche
Nach § 261 StGB können Vermögenswerte, die aus einer rechtswidrigen Tat stammen („Tatertrag“), durch die Einziehung erfasst werden. Dabei ist es notwendig, dass:
- Ein Zusammenhang mit einer Vortat besteht: Es muss hinreichend nachgewiesen werden, dass das Vermögen aus einer rechtswidrigen Handlung stammt.
- Der Verdacht konkretisiert wird: Eine bloße Vermutung reicht nicht aus. Das Gericht muss zur Überzeugung gelangen, dass der Vermögenswert tatsächlich aus einer Straftat herrührt.
In der aktuellen Fassung des § 261 StGB ist der Katalog möglicher Vortaten entfallen, was eine breitere Anwendbarkeit ermöglicht. Dennoch bleibt es erforderlich, dass die Herkunft der Vermögenswerte durch Tatsachen belegt wird. Das Gericht führt hierzu aus:
Zur bis zum 17.03.2021 geltenden Fassung des § 261 Abs. 1 StGB wurde die Auffassung vertreten, es müssten Umstände festgestellt werden, aus denen sich in groben Zügen bei rechtlich richtiger Bewertung eine Katalogtat des Geldwäschetatbestandes als Vortat ergebe. Zwar müsse die Tat keinem bestimmten Katalogtatbestand zugeordnet werden. Es müsse aber nicht nur ohne vernünftigen Zweifel ausgeschlossen werden können, dass das Geld legal erlangt worden sei, sondern auch, dass es aus einer Nichtkatalogtat stamme, die keine taugliche Vortat der Geldwäsche darstelle (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2023 – 3 StR 412/22; BGH, Urteil vom 15. August 2018 – 5 StR 100/18; BGH, Beschluss vom 21. Januar 2016 – 4 StR 384/15; BGH, Beschluss vom 10. November 1999 – 5 StR 476/99).
Zur aktuellen Fassung ohne Vortatenkatalog wird ausgeführt, es genüge der Nachweis, dass Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergebe, dass eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige Vortat begangen worden sei und es müsse feststehen, dass der Tatgegenstand aus einer (von ggf. mehreren) Vortat(en) herrühre (vgl. BeckOK StGB/Ruhmannseder, 63. Ed. 1.11.2024, StGB § 261 Rn. 11), es genüge, wenn das Gericht zu der Überzeugung gelange, dass der Gegenstand aus (irgend)einer rechtswidrigen Tat herrühre, indem es die Möglichkeit eines legalen Erwerbs zweifelsfrei ausschließe (vgl. Herzog/El-Ghazi, 5. Aufl. 2023, StGB § 261 Rn. 58).
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucksache 19/24180 vom 09.11.2020) führt aus, es sei die volle Überzeugung des Gerichts vom Vorliegen einer Vortat erforderlich. Das Gericht müsse von der strafrechtlichen Herkunft des Geldwäschegegenstands überzeugt sein, also zu seiner sicheren Überzeugung feststellen, dass der zu waschende Gegenstand Tatertrag, Tatprodukt oder ein an dessen Stelle getretener anderer Vermögensgegenstand sei. Insbesondere Feststellungen nur zu einem Fehlen von ausreichendem, legalen Einkommen des Betroffenen reichten nicht aus und eine Orientierung an zivilrechtlichen Darlegungs- und Beweislastregeln sei unzulässig (Seiten 2, 13, 29, 30 der BT-Drucksache 19/24180 vom 09.11.2020).
Bewertung der 91.980 Euro im Fall
Das Gericht prüfte, ob der gefundene Bargeldbetrag als Tatertrag einer Vortat der Geldwäsche zugeordnet werden konnte. Dabei wurden mehrere Aspekte hervorgehoben:
- Zeitlicher Zusammenhang: Der Betrag wurde zwei Jahre nach der letzten Anlasstat aufgefunden. Das Gericht sah hierin keinen ausreichenden zeitlichen Zusammenhang, um das Geld einer konkreten Straftat zuzuordnen.
- Fehlende Zuordnung zu einer Vortat: Obwohl Vermutungen geäußert wurden, dass das Geld aus den im Urteil beschriebenen Schwarzarbeitstrukturen stammen könnte, fehlte ein konkreter Nachweis. Das Gericht betonte, dass bloße Spekulationen – etwa zur legalen oder illegalen Herkunft – nicht ausreichen.
- Beweislast und Annahmen: Das Gericht führte aus, dass Feststellungen wie ein fehlendes legales Einkommen nicht ausreichen, um den Verdacht der Geldwäsche zu begründen. Es hob hervor, dass nach geltendem Recht eine zivilrechtliche Beweislastumkehr oder die bloße Vermutung strafrechtlich nicht zulässig sind.
- Herkunft des Geldes: Der Beschuldigte machte geltend, dass es sich um private Ersparnisse der Familie handele. Das Gericht stellte fest, dass keine Beweise vorlagen, die diese Aussage widerlegen oder das Gegenteil belegen konnten. Der Fundort in der gemeinsamen Wohnung ohne spezifischen Bezug zum Beschuldigten war ebenfalls unzureichend für einen Nachweis.
Praktische Lehren für Unternehmen
Die Anforderungen des Gerichts an den Nachweis der Herkunft von Vermögenswerten zeigen, wie wichtig eine klare Dokumentation finanzieller Transaktionen ist – auch im Unternehmensumfeld. Für Unternehmen und ihre Führungskräfte ergeben sich daraus folgende Handlungsanweisungen:
- Nachvollziehbare Geldströme: Alle Barzahlungen sollten möglichst vermieden oder detailliert dokumentiert werden. Bei auffälligen Bargeldmengen ist Transparenz entscheidend.
- Schulung zu Geldwäscheprävention: Unternehmen sollten ihre Mitarbeiter, insbesondere in der Finanzabteilung, regelmäßig zu den gesetzlichen Anforderungen der Geldwäscheprävention schulen.
- Meldesysteme etablieren: Ungewöhnliche Transaktionen sollten durch interne Kontrollsysteme identifiziert und dokumentiert werden. Verdachtsfälle sind den zuständigen Behörden zu melden.
Praktische Implikationen für das Management
Für Führungskräfte und Unternehmensleitungen ergeben sich aus dieser Entscheidung wichtige Lehren:
- Compliance-Systeme stärken: Schwarzarbeit und Verstöße gegen sozialversicherungsrechtliche Vorschriften können nicht nur strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, sondern auch erhebliche Vermögensabschöpfungen nach sich ziehen. Unternehmen sollten daher auf ein effektives Compliance-Management-System setzen.
- Dokumentation und Nachweise: In Fällen, in denen Bargeld im Unternehmen genutzt wird, sollten Herkunft und Verwendung stets nachvollziehbar dokumentiert werden, um den Verdacht von Straftaten zu vermeiden.
- Haftungsrisiken reduzieren: Geschäftsführer und leitende Angestellte können persönlich haftbar gemacht werden, wenn sie ihre Pflichten verletzen. Es ist daher wichtig, klare interne Kontrollmechanismen zu etablieren.
Fazit
Die Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth hebt die Bedeutung präziser Nachweise und einer klaren Trennung zwischen Unternehmens- und Privatvermögen hervor. Sie gibt zudem wertvolle Hinweise darauf, wie Gerichte die Voraussetzungen für die Einziehung von Vermögenswerten bewerten. Für Unternehmen und deren Management bietet sie eine Gelegenheit, die eigenen Strukturen zu prüfen und eventuelle Schwachstellen zu beheben.
Zudem unterstreicht die Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth die hohen Anforderungen an den Nachweis von Geldwäsche und die enge Bindung an konkrete Tatsachen. Unternehmen müssen sich dieser Herausforderungen bewusst sein und durch präventive Maßnahmen sowie klare interne Strukturen sicherstellen, dass sie nicht in den Verdacht von Geldwäsche geraten. Besonders in Branchen mit einem hohen Bargeldaufkommen, wie der Bau- oder Gastronomiebranche, ist Vorsicht geboten.