Strafbare Videoaufnahme: BGH zur Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen

Der Bundesgerichtshof (BGH, 1 StR 299/24) hatte sich mit der Frage der Strafbarkeit nach § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB zu befassen. In der vorliegenden Entscheidung ging es um mehrere Fälle, in denen der Angeklagte heimlich Bildaufnahmen von einer Person in deren höchstpersönlichem Lebensbereich gemacht hatte. Die Instanzgerichte urteilten unterschiedlich, und das Revisionsgericht klärte nun die strafrechtlichen Voraussetzungen.

Sachverhalt

Der Angeklagte hatte, ohne Einwilligung der betroffenen Person, in mehreren Fällen intime Bilder gemacht. Dies geschah in Situationen, die nach allgemeiner sozialer Anschauung als höchstpersönlich gelten. Die Vorinstanz hatte in diesen Fällen eine Verurteilung ausgesprochen, die jedoch durch das Revisionsgericht teilweise aufgehoben wurde.

Rechtliche Analyse

Die Strafbarkeit nach § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt voraus:

  1. Herstellung oder Übertragung von Bildaufnahmen: Die Bildaufnahmen müssen entweder erstellt oder mittels technischer Mittel übertragen worden sein.
  2. Höchstpersönlicher Lebensbereich: Der Tatbestand erfordert, dass die Bilder aus einem Bereich stammen, der nach allgemeiner Lebensanschauung als höchstpersönlich eingestuft wird, etwa Schlafzimmer, Badezimmer oder andere intime Situationen.
  3. Ohne Einwilligung der betroffenen Person: Die Aufnahme muss ohne die Zustimmung der betroffenen Person erfolgt sein.
  4. Eignung zur Verletzung des Persönlichkeitsrechts: Die Bilder müssen geeignet sein, das Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Person zu verletzen.

Der BGH stellte klar, dass insbesondere der Begriff des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ entscheidend zu prüfen ist. Im vorliegenden Fall bejahte er diese Voraussetzung, betonte jedoch, dass jede einzelne Aufnahme individuell auf ihre Strafbarkeit hin zu prüfen ist. Insoweit wurde ein Teil der Verurteilung aufgehoben, da die Feststellungen des Landgerichts unzureichend waren:

Nach der Gesetzesbegründung ist der Begriff des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ an den Begriff der „Intimsphäre“ in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angelehnt und erfasst vor allem, aber nicht nur, die Bereiche Krankheit, Tod und Sexualität. Die Intimsphäre umfasst grundsätzlich die innere Gedanken- und Gefühlswelt mit ihren äußeren Erscheinungsformen wie vertraulichen Briefen und Tagebuchaufzeichnungen sowie die Angelegenheiten, für die ihrer Natur nach Anspruch auf Geheimhaltung besteht, beispielsweise Gesundheitszustand, Einzelheiten über das Sexualleben sowie Nacktaufnahmen.

Zur Intimsphäre gehören z.B. auch die gynäkologische Untersuchung einer Frau, die Benutzung von Toiletten, Saunen, Solarien und Umkleidekabinen. Auch bestimmte Tatsachen aus dem Familienleben können dem höchstpersönlichen Lebensbereich zuzurechnen sein, insbesondere solche Tatsachen aus dem Familienbereich, die die wechselseitigen persönlichen Bindungen, Beziehungen und Verhältnisse innerhalb der Familie betreffen, darum unbeteiligten Dritten nicht ohne weiteres zugänglich sind und Schutz vor dem Einblick Außenstehender verdienen (vgl. BT-Drucks. 15/2466, S. 5).

Hingegen bedürfen Situationen, die zwar der Privatsphäre zuzuordnen sind, aber ein neutrales Verhalten zeigen, des strafrechtlichen Schutzes typischerweise noch nicht; auch der bloße „freche Blick“ im Sinne eines primär die Gebote des Anstands verletzenden unbefugten Beobachtens beinhaltet regelmäßig noch keine strafwürdige Rechtsgutsverletzung (vgl. BT-Drucks. 15/2466, S. 4).

In der Folge bewirkt die Herstellung einer Bildaufnahme von „neutralen“ Handlungen wie dem Arbeiten, Kochen, Lesen, Fernsehen, Essen oder Schlafen in der Wohnung – wenn nicht im Einzelfall besondere Umstände vorliegen – noch keine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs des Opfers (…)

Der BGH hob die Verurteilung des Angeklagten in mehreren Fällen auf und verwies auf eine detailliertere Prüfung durch das Landgericht. Die Anforderungen des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB seien streng, und das Gericht müsse in jedem Einzelfall eine sorgfältige Abwägung zwischen den Schutzrechten der betroffenen Person und den Tatmerkmalen vornehmen.

Fazit

Die Entscheidung des BGH verdeutlicht die Notwendigkeit, die Tatbestandsmerkmale des § 201a StGB präzise zu prüfen. Besonders der Begriff des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ erfordert eine genaue Abwägung der Umstände. Die rechtliche Würdigung durch den BGH unterstreicht den Schutz der Privatsphäre und die engen Grenzen, die für heimliche Bildaufnahmen gesetzt sind – letztlich bleibt es eine Einzelfallentscheidung, wann im privaten Kontext Videoaufnahmen der Strafbarkeit unterliegen.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist erfahrener Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht mit über einem Jahrzehnt Berufspraxis und widmet sich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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Rechtsanwalt Jens Ferner

Von Rechtsanwalt Jens Ferner

Rechtsanwalt Jens Ferner ist erfahrener Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht mit über einem Jahrzehnt Berufspraxis und widmet sich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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