Definition von Cybercrime: Opfersicht

In der Forschungsarbeit „Cybercrime Classification: A Victimology-Based Approach“ von Sayonnha Mandal wird ein neuer Ansatz zur Klassifizierung von Cyberkriminalität vorgestellt, der sich auf die Opferperspektive konzentriert. Eine solche Definition ist zur Abgrenzung notwendig -. wobei ich bisher den Weg gehe, mich auf den Bezug zu Daten zu konzentrieren, um Cybercrime abzugrenzen („Daten-Strafrecht“). Im Zuge der durchdringenden Digitalisierung des Alltags schwindet aber die Praktikabilität dieses Ansatzes.

Der hier nun vorgestellte Ansatz ist insofern innovativ, als er die Perspektive der Betroffenen von Cyberverbrechen in den Mittelpunkt stellt und so ein umfassenderes Verständnis dieser Verbrechen ermöglicht.

Neuer Ansatz zur Cyberkriminalitätsklassifizierung

Die Studie legt dar, dass herkömmliche Klassifizierungen von Cyberkriminalität oft unzureichend sind, da sie sich hauptsächlich auf die technischen Aspekte und die Täter konzentrieren. Mandal schlägt vor, stattdessen einen opferbasierten Ansatz zu verfolgen. Dabei werden Faktoren wie die Art der Viktimisierung, der rechtliche Rahmen, die Identifizierung des Opfers, dessen Verwundbarkeit und die Schwere der Viktimisierung berücksichtigt.

Opfer in der Cyberkriminalität

Die Studie unterscheidet verschiedene Arten von Opfern – Einzelpersonen, Gruppen, Gemeinschaften, Staaten oder Unternehmen – und betont, dass die Art der Viktimisierung von physischem Schaden über sexuellen Missbrauch bis hin zu wirtschaftlichen Schäden reichen kann. Besonders hervorgehoben wird, dass im Kontext der Cyberkriminalität die Viktimisierung oft nicht an physischen Grenzen gebunden ist und sowohl individuell als auch in großen Gruppen auftreten kann.

Anwendung und Beispiele

Mandal demonstriert die Anwendung dieses Ansatzes anhand von zwei realen Fällen. Die Fallbeispiele machen deutlich, wie die Opferperspektive bei der Analyse von Cyberkriminalität hilfreich sein kann, um ein umfassenderes Verständnis der Natur und der Auswirkungen solcher Verbrechen zu erhalten. Sie unterstreichen zudem die Vielfalt der Viktimisierungsarten und -dimensionen in der Cyberkriminalität.

Die Analyse beinhaltet eine detaillierte Betrachtung der Umstände jedes einzelnen Falles und wie die vorgeschlagene Klassifizierung auf diese anwendbar ist:

Fallbeispiel 1: DOMx001 (Identitätsdelikt)

Im ersten Fallbeispiel, gekennzeichnet als DOMx001, wird ein Identitätsdelikt betrachtet. Die Klassifizierung nach der Opferperspektive ergibt folgende Einsichten:

  • Quelle der Viktimisierung: Gruppe, was darauf hinweist, dass die betroffenen Opfer Teil einer größeren Gruppe sind.
  • Rechtlicher Rahmen: Kriminalrecht, was die rechtliche Basis für die Verfolgung des Verbrechens anzeigt.
  • Identifizierung des Opfers: Individuum, was bedeutet, dass einzelne Personen als Opfer identifiziert wurden.
  • Opferverwundbarkeit: Es liegen unzureichende Daten vor, um die spezifischen Verwundbarkeiten der Opfer festzustellen.
  • Art der Viktimisierung: Wirtschaftsschaden, was auf finanzielle Verluste der Opfer hinweist.
  • Schwere der Viktimisierung: Mäßig, was den Grad der Beeinträchtigung der Opfer angibt.
  • Beziehung zwischen Opfer und Täter: Fremde, was zeigt, dass zwischen dem Opfer und dem Täter keine vorherige Beziehung bestand.
  • Beitrag des Opfers zum Ereignis: Mäßig, was andeutet, dass das Opfer in gewissem Maße zum Geschehen beigetragen hat.

Fallbeispiel 2: USAx209 (Fälschung)

Das zweite Fallbeispiel, USAx209, behandelt einen Fälschungsvorfall und die Opferperspektive wird wie folgt klassifiziert:

  • Quelle der Viktimisierung: Gruppe, was darauf hindeutet, dass die Opfer Teil einer kollektiven Gruppe sind.
  • Rechtlicher Rahmen: Zivilrecht und Internationales Recht, was die möglichen rechtlichen Grundlagen für den Fall aufzeigt.
  • Identifizierung des Opfers: Soziale Gruppe und Nation, was darauf hindeutet, dass sowohl eine bestimmte soziale Gruppe als auch eine ganze Nation betroffen sind.
  • Opferverwundbarkeit: Geschlecht, psychologische und soziale Merkmale, was spezifische Verwundbarkeiten der Opfer kennzeichnet.
  • Art der Viktimisierung: Psychologischer Schaden und Verletzung von Bürger-/Menschenrechten, was die Art des erlittenen Schadens angibt.
  • Schwere der Viktimisierung: Maximal, was auf eine extreme Beeinträchtigung der Opfer hindeutet.
  • Beziehung zwischen Opfer und Täter: Familie, was auf eine Beziehung zwischen Opfer und Täter innerhalb eines familiären Kontextes hindeutet.
  • Beitrag des Opfers zum Ereignis: Mäßig, was darauf hinweist, dass das Opfer einen gewissen Beitrag zum Geschehen geleistet hat.

Fazit und Ausblick

Die Studie betont, dass eine umfassende Opferperspektive in der Klassifizierung von Cyberkriminalität notwendig ist, um ein ganzheitliches Bild zu erhalten. Dieser Ansatz kann dazu beitragen, Cyberkriminalität effektiver zu verstehen und zu bekämpfen. Mandal schlägt vor, dass zukünftige Forschung sich auf die Entwicklung eines dynamischen Ontologie-Modells konzentrieren sollte, das spezifische Einblicke in die Natur und das Auftreten von Cyberkriminalität ermöglicht.

Insgesamt bietet die Studie einen wichtigen Beitrag zum Verständnis von Cyberkriminalität und hebt die Notwendigkeit hervor, die Opferperspektive in die Analyse und Klassifizierung solcher Verbrechen einzubeziehen.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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