BGH zum Schadensersatz bei Fotoklau: 100 Euro können angemessen sein

Endlich konnte der (I ZR 187/17) sich deutlich zur unberechtigten Verwendung von Fotografien äußern und dabei einige Klarstellungen für den alltäglichen Bereich des nicht-professionellen Umfelds treffen:

  • Ein -Schadensersatz in Höhe von 100 Euro ist bei der Zugänglichmachung eines Fotos auf einer Webseite bei einem nicht-professionellen Fotografen durchaus ausreichend
  • Auf Basis der MFM-Tabellen ist der Lizenz-Schadensersatz nicht bei Fotos zu ermitteln, die nicht von professionellen Marktteilnehmern erstellt worden sind
  • Es erscheint bereits fraglich, ob die von der Mittelstandsvereinigung Fotomarketing, einer Interessenvertretung der Anbieterseite, einseitig erstellten MFM-Empfehlungen branchenübliche Vergütungssätze enthalten
  • Ein Gegenstandswert von 6000 Euro begegnet im Fall der einer unerlaubten Verwendung eines Fotos keinen durchgreifenden Bedenken
  • Im Fall der unerlaubten Verwendung einer Fotografie bei der auch der Urheber nicht namentlich benannt wird ist zusätzlich ein Verletzerzuschlag in gleicher Höhe wie der Lizenzschadensersatz zuzugestehen.

Die Entscheidung ist in den wesentlichen Elementen nicht wirklich überraschend, aber überfällig klarstellend: Die obigen Punkte finden sich so schon in früheren BGH-Entscheidungen im Wesentlichen wieder, neu ist die explizite Klarstellung, dass die MFM-Tabellen für das nicht professionelle Umfeld nicht geeignet sind (so aber schon vorher diverse OLG). Das bedeutet, Abmahnungen werden hinsichtlich der Anwaltskosten nicht wirklich „günstiger“, der bereits vom OLG Köln „zementierte“ Gegenstandswert dürfte nun endgültig feststehen. Allerdings sind vollkommen überzogene Lizenzforderungen, die gerne mit den MFM-Tabellen begründet wurden, nunmehr zurück zu weisen.

Zur unberechtigten Nutzung von Bildern („Fotoklau“) ebenfalls von mir:

Aus der Entscheidung:

Der Schadensersatz für die Verletzung der Rechte aus § 16 Abs. 1, § 19a UrhG im Wege der richtet sich gemäß § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG auf den Betrag, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte ent- richten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts ein- geholt hätte. Es lässt keinen Rechtsfehler erkennen, dass das Berufungsgericht diesen Betrag im Streitfall auf 100 € bemessen hat.

aa) Zutreffend hat das Berufungsgericht eine Berechnung des nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie geschuldeten Schadensersatzes auf Grundla- ge der Honorartabelle der Mittelstandsgemeinschaft Fotomarketing (MFM- Tabelle) abgelehnt.

(1) Bei der Berechnung der Höhe des zu leistenden Schadensersatzes im Wege der Lizenzanalogie ist zu fragen, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für die vom Verletzer vorgenommenen Benutzungshandlungen vereinbart hätten. Zu ermitteln ist der objektive Wert der Benutzungsberechtigung. Dabei ist unerheblich, ob und inwieweit der Verletzer selbst bereit gewesen wäre, für seine Nutzungshandlungen eine Vergütung zu zahlen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 2005 – I ZR 266/02, GRUR 2006, 136 Rn. 23 = WRP 2006, 274 – Pressefotos; Urteil vom 16. August 2012 – I ZR 96/09, ZUM 2013, 406 Rn. 30 – Einzelbild). Im Rahmen der Ermittlung des objektiven Werts der Benutzungsberechtigung, der für die Bemessung der Lizenzgebühr maßgebend ist, müssen die gesamten relevanten Umstände des Einzelfalls in Betracht gezogen und umfassend gewürdigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 2.Oktober 2008 – I ZR 6/06, GRUR 2009, 407 Rn. 25 = WRP 2009, 319 – Whistling for a train; BGH, ZUM 2013, 406 Rn. 30 – Einzelbild). Im Zusammenhang mit der unberechtigten Nutzung einer Fotografie im Internet wird es dabei unter anderem auf die Intensität der Nutzung, insbesondere ihre Dauer, und die Qualität des Lichtbilds ankommen (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 68/08, GRUR 2010, 623 Rn. 39 f. = WRP 2010, 927 – Restwertbörse I). Soweit damit objektiv eine Erhöhung des wirtschaftlichen Werts der Bildernutzung verbunden ist, wird ferner der für die Erstellung des Lichtbilds erforderliche Aufwand zu berücksichtigen sein (vgl. Forch, GRUR-Prax 2016, 142, 144).

Maßgebliche Bedeutung kommt einer zur Zeit der Verletzungshandlung am Markt durchgesetzten eigenen Lizenzierungspraxis des Rechtsinhabers zu (LG Kassel, GRUR-Prax 2010, 560; Forch, GRUR-Prax 2016, 142, 143). Fehlt es daran, liegt es für die Festsetzung einer angemessenen Lizenzgebühr nahe, branchenübliche Vergütungssätze und Tarife als Maßstab heranzuziehen, wenn sich in dem maßgeblichen Zeitraum eine solche Übung herausgebildet hat (vgl. BGH, GRUR 2006, 136 Rn. 27 – Pressefotos; BGH, ZUM 2013, 406 Rn. 30 – Einzelbild, st. Rspr.).

(2) Das Berufungsgericht war danach nicht gehalten, die MFM-Emp- fehlungen bei seiner Schadensschätzung heranzuziehen.

Es erscheint bereits fraglich, ob die von der Mittelstandsvereinigung Fo- tomarketing, einer Interessenvertretung der Anbieterseite, einseitig erstellten MFM-Empfehlungen branchenübliche Vergütungssätze enthalten (vgl. BGH, GRUR 2010, 623 Rn. 36 – Restwertbörse I).

Jedenfalls ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nichts da- für ersichtlich, dass die MFM-Empfehlungen üblicherweise zur Bestimmung der Vergütung für eine Nutzung von Fotografien im Internet Anwendung finden, die nicht von professionellen Marktteilnehmern erstellt worden sind (vgl. auch OLG Braunschweig, GRUR 2012, 920 [juris Rn. 45]; OLG München, GRUR-Prax 2014, 87 = ZUM-RD 2014, 165 [juris Rn. 6]; Forch, GRUR-Prax 2016, 142, 143).

bb) Das Berufungsgericht hat den Schadensersatz unter Berücksichti- gung der Umstände des Streitfalls rechtsfehlerfrei mit 100 € bemessen.

(1) Gibt es keine branchenüblichen Vergütungssätze und Tarife, ist die Höhe der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr vom Tatrichter ge- mäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach seiner freien Überzeugung zu bemessen. Dabei sind an Art und Umfang der vom Ge- schädigten beizubringenden Schätzgrundlagen nur geringe Anforderungen zu stellen; dem Tatrichter kommt zudem in den Grenzen eines freien Ermessens ein großer Spielraum zu. Die tatrichterliche Schadensschätzung unterliegt nur einer beschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Überprüfbar ist lediglich, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder seiner unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 7/14, GRUR 2016, 184 Rn. 44 = WRP 2016, 66 – Tausch- börse II, mwN).

(2) Diesen Anforderungen hält die vom Berufungsgericht vorgenommene Schadensschätzung stand. Es ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Kläger von dem Beklagten für die unberechtigte Nutzung seines Lichtbilds im Internet einen Betrag von 100 € verlangen kann.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, vorliegend handele es sich um ein einfaches . Mit dem Betrag von 100 € sei die Qualität dieses Lichtbilds und die Wiedergabe des vom Kläger gewählten Motivs auch unter Berücksichtigung der gewerblichen Nutzung der öffentlichen Zugänglichmachung durch den Beklagten angemessen berücksichtigt. Der Kläger teile keine Umstände mit, aus denen geschlossen werden könne, dass vernünftige Parteien bei Abschluss eines Lizenzvertrags in Kenntnis der wahren Rechtslage und der Umstände des konkreten Einzelfalls einen 100 € übersteigenden Betrag als angemessene Lizenzgebühr vereinbart hätten.

Damit hält sich das Berufungsgericht im Rahmen des ihm bei der Scha- densermittlung durch § 287 Abs. 1 ZPO eingeräumten Ermessens. Entgegen der Ansicht der Revision ist nicht ersichtlich, dass das Berufungsgericht den Vortrag des Klägers zur farblichen und kompositorischen Ausgewogenheit des Fotos, zu den Proportionen und zur Wahl des Bildausschnitts sowie zur Tiefenschärfe und Beleuchtung unberücksichtigt gelassen hat. Es konnte vielmehr auf Grundlage der vorgelegten Farbabbildung davon ausgehen, dass der Kläger ohne kompositorische Inszenierung das Fahrzeug schlicht so fotografiert hatte, wie es ohne weiteres im Wege eines Schnappschusses anlässlich der Veran- staltung am 3. Oktober 2014 fotografiert werden konnte. In diesem Zusammen- hang ist zu berücksichtigen, dass sich aus der dem Berufungsgericht vorgeleg- ten und von ihm gewürdigten Abbildung des Fotos zahlreiche Elemente erge- ben, die gegen eine professionelle Gestaltung sprechen. Dies sind der abgeschnitten und störend in das Bild links hereinragende Einkaufswagen, der darüber befindliche abgeschnittene gelbe Rahmen mit dem ebenfalls abgeschnittenen Buchstaben „e“ in offenbar orangener Farbe, der von dem Motiv des Sportwagens am rechten Bildrand wegweisende Pfeil, das über der Windschutzscheibe unmotiviert angebrachte grüne Notausgangsschild, die blauen Elemente in dem im Hintergrund des Fahrzeugs zu erkennenden Schaufenster sowie der etwa ein Fünftel bis ein Viertel des gesamten Bildes einnehmende Vordergrund aus Straßenasphalt mit einem weißen Richtungspfeil. Alle diese Elemente sind – offenbar aus ästhetischen Gründen – in der als Verletzungsform beanstandeten Veröffentlichung des Fotos des Klägers auf der Internetseite des Beklagten nicht wiedergegeben. Unter diesen Umständen lässt es keinen Ermessensfehler des Berufungsgerichts erkennen, dass es von der vom Kläger beantragten Beweisaufnahme zur professionellen Qualität des Fotos Abstand genommen hat (§ 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Es ist nichts dafür dargetan oder ersichtlich, dass das Berufungsgericht für die Beurteilung der Qualität der Fotografie besondere Fachkunde hätte in Anspruch nehmen müssen.

2. Wegen der Verletzung des Rechts auf Anerkennung der Urheber- schaft kann der Kläger gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 und 3 UrhG eine weitere Ent-schädigung in Höhe von 100 € verlangen. Die Höhe der fiktiven Lizenzgebühr,die zum Ausgleich eines für die fehlende Urhebernennung verursachten Vermögensschadens geschuldet ist, kann in Form eines Zuschlags auf die (fiktive) Lizenzgebühr bemessen werden, die für die jeweilige Nutzung (hier das Vervielfältigen und öffentliche Zugänglichmachen der Fotografie) zu zahlen ist (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 2015 – I ZR 148/13, GRUR 2015, 780 Rn. 36 bis 40 = WRP 2015, 972 – Motorradteile, mwN). Es lässt keinen Rechtsfehler erken- nen, dass das Berufungsgericht auch diesen Betrag im Streitfall auf 100 € be- messen hat.

3. Der Kläger kann nach § 97a Abs. 3 Satz 1 UrhG ferner den Ersatz von Aufwendungen für die Abmahnung wegen der Veröffentlichung des Lichtbilds auf der eigenen Internetseite des Beklagten in Höhe von 571,44 € nebst Zinsenverlangen. Entgegen der Ansicht der Revision ist die Bemessung des Gegenstandswerts der Abmahnung durch das Berufungsgericht mit 6.000 € nicht rechtsfehlerhaft. 

BGH, I ZR 187/17
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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