Auswirkung der Eintragung eines Kunstwerks in der LostArt-Datenbank

Beim (V ZR 112/22) ging es um die spannende Frage, wie es sich zivilrechtlich auswirkt, wenn zu einem Bild ein Eintrag in der LostArt-Datenbank vorgenommen wird – während der Eigentümer des Bildes dieses rechtmäßig erworben hat und (jedenfalls inzwischen) auch der wirksame Eigentümer ist.

Sachverhalt

Der Kläger, ein Kunstsammler, erwarb 1999 auf einer Auktion in London das Gemälde „Kalabrische Küste“ des Malers Andreas Achenbach. Im Juni 2016 wurde das Gemälde auf Veranlassung der Nachlassverwalter des ursprünglichen Eigentümers auf der Internetseite der Datenbank Lost Art (www.lostart.de) zur ausgeschrieben. Der klagende Eigentümer sieht sich durch die Aufnahme in die Datenbank und die -Fahndung in seinem Eigentum an dem Gemälde verletzt und begehrt von den Beklagten, es zu unterlassen, das Eigentum an dem Gemälde zu beeinträchtigen. Hilfsweise beantragt er, die Beklagten zu verurteilen, die Löschung der Fahndung in der Datenbank Lost Art zu veranlassen.

Die LostArt-Datenbank

Die Datenbank „LostArt“ ist eine spezialisierte Plattform, auf der Such- und Fundmeldungen zu Kulturgütern veröffentlicht werden. Der Schwerpunkt liegt auf Objekten, die jüdischen Eigentümern während der Zeit des Nationalsozialismus entzogen wurden oder bei denen ein Verlust vermutet bzw. nicht ausgeschlossen werden kann.

Träger der Datenbank ist eine von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden gegründete Stiftung bürgerlichen Rechts mit Sitz in Magdeburg. Ziel der LostArt-Datenbank ist es, ehemalige Eigentümer oder deren Erben mit den heutigen Eigentümern in Kontakt zu bringen und sie bei der Suche nach einer gerechten und fairen Lösung über den Verbleib des Kulturgutes zu unterstützen.

Was bedeutet ein LostArt-Eintrag?

Eintrag in LostArt-Datenbank ist kein Behaupten von Eigentum!

Der BGH führt aus, dass mit der Eintragung in die Datenbank kein Eigentum an dem betreffenden Kunstwerk behauptet wird, so dass eine mit der Unterlassungsklage abzuwehrende (künftige) Eigentumsanmaßung nicht zu besorgen ist. Der BGH schließt sich insoweit ausdrücklich der Würdigung des Berufungsgerichts an, dass mit der Suchanzeige des Gemäldes auf der Internetseite der Lost Art-Datenbank und der Fahndung über Interpol lediglich an das früher bestehende Eigentum angeknüpft wird, ohne dass eine aktuelle Eigentumsanmaßung vorliegt.

Insoweit weist der BGH darauf hin, dass nach seiner Rechtsprechung die Anmaßung fremden Eigentums eine Eigentumsbeeinträchtigung darstellt, die der wahre Eigentümer nicht hinzunehmen braucht und, soweit es sich um solche die dingliche Rechtslage falsch darstellenden Äußerungen gegenüber Dritten handelt, mit einer auf § 1004 Abs. 1 BGB gestützten abwehren kann. Ob ein konkretes Verhalten als Besitzanmaßung anzusehen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und ist daher eine Frage der tatrichterlichen Würdigung, die in der Revision nur eingeschränkt überprüfbar ist.

Zweck der Veröffentlichung auf der Internetseite der Lost Art-Datenbank sei es jedenfalls, die früheren Eigentümer bzw. deren Erben mit den heutigen Eigentümern eines Kulturgutes zusammenzubringen und sie bei der Suche nach einer gerechten und fairen Lösung im Sinne der Washingtoner Erklärung zu unterstützen. Es ist daher davon auszugehen, dass sich die Suchmeldung lediglich auf das frühere Eigentum an dem Kunstwerk und die Umstände des Verlustes bezieht; eine Aussage über das gegenwärtige Eigentum oder damit verbundene Ansprüche ist damit weder verbunden noch beabsichtigt. Damit fasst der BGH die Intention der LostArt-Datenbank zusammen:

Die Lost Art-Datenbank dient der Umsetzung der völkerrechtlich nicht bindenden sog. Washingtoner Erklärung aus dem Jahr 1998 über den Umgang mit während der NS-Zeit abhanden gekommenen Kunstwerken sowie der dazu ergangenen Gemeinsamen Erklärung von Bundesregierung, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden vom Dezember 1999 (…)

Die früheren Eigentümer bzw. die Erben NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter sollen ausfindig gemacht werden, um mit diesen eine gerechte und faire Lösung zu erzielen. Auf der Grundlage, dass die Restitution und Entschädigung in Deutschland im Rückerstattungsrecht und den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften abschließend geregelt ist, wird in der Gemeinsamen Erklärung vom Dezember 1999 öffentli- chen Einrichtungen wie Museen, Archiven und Bibliotheken unabhängig von dem Bestehen oder der Durchsetzbarkeit etwaiger Ansprüche empfohlen, NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter an die früheren Eigentümer bzw. deren Erben zurückzugeben oder eine anderweitige Wiedergutmachung vorzunehmen; Privatpersonen werden aufgefordert, sich den Grundsätzen und Verfahrensweisen anzuschließen. Rechtsansprüche auf eine Rückerstattung werden indes durch keine der beiden Erklärungen begründet (…)


Übrigens: Mit dem BGH stellt auch die Meldung bei Interpol keine Eigentumsanmaßung durch die Beklagten dar! Darüber könnte man nachdenken, weil der jetzige Eigentümer bei einer Verbringung des Gemäldes nach Kanada oder in die Vereinigten Staaten von Amerika polizeiliche Maßnahmen zu befürchten hätte, die ihn in seiner Verfügungsgewalt über das Gemälde einschränken würden.

Aber: Insoweit handelt es sich lediglich um eine Folge des Umstandes, dass die Rechtsordnungen einzelner Staaten an das Abhandenkommen von Kulturgut und an spätere Erwerbsvorgänge unterschiedliche Rechtsfolgen knüpfen. So sollen nach Literaturmeinung zum einen die Begriffe „theft“ und „stolen“ in den USA wesentlich weiter verstanden werden als die Begriffe (§ 242 StGB) und Abhandenkommen (§ 935 BGB) im deutschen Recht und insbesondere auch Vorgänge erfassen, die nach deutschem Verständnis als freiwillige Besitzaufgabe anzusehen wären. Zum anderen soll es – anders als nach deutschem Recht (vgl. § 937 BGB) – auch bei einer Vielzahl von Erwerbsvorgängen über Jahrzehnte hinweg für niemanden in der Erwerbskette möglich sein, Eigentum an einem in diesem Sinne „gestohlenen“ Kunstgegenstand zu erwerben.

Und selbst wenn die Nachlassverwalter diesen Umstand bewusst ausgenutzt haben sollten, stellt ihre Erklärung keine Eigentumsanmaßung dar, weil sie lediglich (wahre) Tatsachen über Vorgänge aus dem Jahr 1937 enthält und die rechtliche Bewertung dieser Vorgänge den Behörden – und gegebenenfalls den Gerichten – überlassen bleibt.

Kein Anspruch auf Löschung der Suchmeldung in der Lost Art-Datenbank

Die auf wahren Tatsachen beruhende Suchmeldung eines Kulturgutes auf der Internetseite der Lost Art-Datenbank stellt keine Eigentumsverletzung im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB dar und begründet daher keinen auf Löschung gerichteten Anspruch des derzeitigen Eigentümers gegen den Veranlasser der Meldung.

Die Rechte nach § 1004 Abs. 1 BGB dienen dem Schutz des Eigentümers vor Beeinträchtigungen seiner Befugnis, mit der Sache nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen. Die Rechte aus dem Eigentum müssen nur insoweit zurücktreten, als das Gesetz oder Rechte Dritter der Ausübung der Rechte aus dem Eigentum entgegenstehen.

Insofern ist davon auszugehen, dass die Veröffentlichung einer Suchmeldung in der Lost Art-Datenbank die Ausschließungsbefugnis des Eigentümers nicht berührt, da die Eigentumszuordnung wie dargestellt nicht in Frage gestellt wird. Auch die Verfügungsbefugnis wird jedenfalls rechtlich nicht eingeschränkt. So beeinträchtigt eine auf wahren Tatsachen beruhende sachliche Information über den Verdacht eines NS-verfolgungsbedingten Verlustes eines Kulturgutes mit dem BGH die Rechte aus dem Eigentum gemäß § 903 Satz 1 BGB schon deshalb nicht, weil der Betroffene die Behauptung und Verbreitung wahrer Tatsachen grundsätzlich hinnehmen muss, auch wenn dies für ihn nachteilig ist. Das anerkannte berechtigte Interesse früherer Eigentümer von Kulturgut oder ihrer Rechtsnachfolger sowie das allgemeine öffentliche Interesse an der NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter überwiege jedenfalls ein in der Regel allein auf wirtschaftlichen Erwägungen beruhendes Geheimhaltungsinteresse des gegenwärtigen Eigentümers an solchen Tatsachen, so der BGH ausdrücklich.

Anmerkung: Selbst die Frage, ob eine Eigentumsbeeinträchtigung anzunehmen ist, wenn in Bezug auf das Objekt falsche marktrelevante Tatsachen behauptet oder wertbildende Faktoren falsch dargestellt werden, ist für den BGH zweifelhaft. Die Veröffentlichung eines Fahndungsaufrufs schränkt zwar die Marktfähigkeit bzw. Marktgängigkeit des Kulturgutes ein, was zu einer nachteiligen Beeinflussung des Wertes führt. Die Minderung der Gewinnerwartung aus einem Verkauf trifft den Eigentümer des Kulturgutes aber (nur) in seinen Vermögensinteressen. Diese werden mit dem BGH nicht durch die dinglichen Abwehransprüche des Eigentümers aus § 1004 Abs. 1 BGB, sondern allenfalls durch § 823 Abs. 1 (unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs), § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 185 ff. StGB bzw. §§ 824, 826 BGB, § 4 Nr. 2 UWG oder hieran anknüpfende quasi-negatorische Ansprüche geschützt.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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