Der Angeklagte schwor vor 10 bis 15 Jahren Rache an demjenigen, der ihm ein Kilogramm Kokain stahl. Er glaubte, der Nebenkläger W. sei der Dieb, und beschloss, ihn zu erschießen. Am 3. Dezember 2021 bewaffnete sich der Angeklagte und begab sich zu W.’s Wohnung, um ihn zu töten. W. konnte jedoch die Schussabgabe verhindern. Zum Tatzeitpunkt litt der Angeklagte unter einem hirnorganischen Psychosyndrom nach einem Schlaganfall, was seine Steuerungsfähigkeit erheblich einschränkte. Der Angeklagte wurde wegen versuchten Mordes, unerlaubtem Waffenbesitz und bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt. Nun konnte sich der BGH (2 StR 79/23) dazu äussern.
Rechtliche Analyse
- Versuchter Mord aus niedrigen Beweggründen: Der BGH hob den Schuldspruch wegen versuchten Mordes auf, da Bedenken gegen die Annahme niedriger Beweggründe bestehen. Die Rache für den Kokaindiebstahl war zwar strafrechtlich relevant, aber nicht zwingend als niedriger Beweggrund einzustufen. Das hirnorganische Psychosyndrom des Angeklagten könnte zudem seine Fähigkeit, emotionale Regungen zu steuern, beeinträchtigt haben.
- Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Dieser Schuldspruch bleibt bestehen. Der BGH fand keinen Fehler in der Bewertung des Landgerichts, dass der Angeklagte Haschisch zum Verkauf lagerte und sich mit einer Waffe „im Rahmen möglicher Unstimmigkeiten bei Betäubungsmittelgeschäften“ schützen wollte.
- Strafzumessung: Der BGH bemängelte, dass das Landgericht die mindere Qualität der Betäubungsmittel und deren Eigenschaft als weiche Droge nicht nochmals bei der Strafzumessung berücksichtigte. Dies war ein Fehler, der zur Aufhebung des Strafausspruchs führte.
- Unterbringung in psychiatrischem Krankenhaus: Der Maßregelausspruch wurde ebenfalls aufgehoben, da das Urteil keine ausreichende Begründung für die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme lieferte.
- Adhäsionsklage: Der Ausspruch über den Schmerzensgeldanspruch des Geschädigten bleibt bestehen, lediglich der Beginn der Zinszahlung wurde korrigiert.
Fazit
Das Urteil des BGH verdeutlicht die Notwendigkeit, die subjektive Motivation und psychische Verfassung des Täters bei der Bewertung von Mordmerkmalen und der Strafzumessung genau zu prüfen. Die Aufhebung verschiedener Teile des Urteils zeigt, dass auch im Bereich schwerer Straftaten eine differenzierte und sorgfältige rechtliche Bewertung erforderlich ist.
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