Schneeballsystem

Ein ist eine Form des Betrugs, die auf einem Geschäftsmodell beruht, bei dem die Einnahmen der ursprünglichen Investoren durch die Investitionen neuer Teilnehmer und nicht durch den Verkauf eines tatsächlichen Produkts oder einer Dienstleistung erzielt werden.

Ein solches System basiert im Ergebnis also hauptsächlich auf der Anwerbung neuer Mitglieder, die Geld in das System einzahlen. Diese Einzahlungen werden verwendet, um die Gewinne früherer Mitglieder zu finanzieren, ohne dass ein echter Produktverkauf oder eine Dienstleistung im Vordergrund steht, man kann diese Systeme so zusammenfassen:

  1. Hauptfokus auf Anwerbung: Das Einkommen der Teilnehmer basiert hauptsächlich auf der Anwerbung neuer Mitglieder, nicht auf dem Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen.
  2. Geringer oder kein Produktverkauf: Es gibt keine oder nur minimal getarnte Produkte, die oft von geringer Qualität oder überteuert sind.
  3. Struktur: Die Struktur des Systems erfordert eine exponentielle Anwerbung neuer Mitglieder, um das Einkommen der bestehenden Mitglieder zu gewährleisten.

Mit einem Schneeballsystem sind eine Vielzahl juristischer Probleme verbunden.

Wie funktioniert ein Schneeballsystem?

Das System funktioniert in einer detaillierten Betrachtung im Regelfall wie folgt:

  1. Anfangsphase: Der Betreiber des Schneeballsystems lockt die ersten Investoren mit dem Versprechen hoher Renditen in kurzer Zeit. Diese Investitionen dienen als „Startkapital“.
  2. Werbung neuer Teilnehmer: Die ersten Investoren erhalten tatsächlich die versprochenen Renditen, aber diese Gewinne stammen nicht aus irgendwelchen Geschäftsgewinnen, sondern direkt aus den Einlagen neuer Investoren. Dies dient als „Beweis“ für die Wirksamkeit des Investitionsmodells.
  3. Selbsterhalt durch Expansion: Um die Auszahlungen an die Altinvestoren aufrechtzuerhalten, ist es entscheidend, kontinuierlich neue Investoren zu gewinnen. Das System ist oft so strukturiert, dass bestehende Teilnehmer für die Anwerbung neuer Investoren belohnt werden.
  4. Zusammenbruch: Das System bricht unweigerlich zusammen, sobald nicht mehr genügend neue Investoren vorhanden sind, um die Auszahlungen an die bisherigen Teilnehmer zu finanzieren. Dies hat zur Folge, dass die meisten Teilnehmer, insbesondere diejenigen, die erst gegen Ende beigetreten sind, ihr Geld verlieren.

Ich kenne Schneeballsysteme ausschließlich „von innen“, da ich als Strafverteidiger tätig bin und gerade keine Opfer von Straftaten vertrete. Das Interessante ist, dass die Betreiber solcher Systeme im Regelfall überzeugt sind von dem, was sie da anbieten (diese eigene Überzeugung ist ein Wesensmerkmal von professionellen Betrügern, die wirklich von der Tragkräftigkeit Ihrer Konzepte überzeugt sind – und deswegen andere so gut überzeugen können mitzumachen!). Nicht selten ist es dabei so, dass ein System so aufgebaut ist, dass man tatsächlich erst nachdenken muss, um die strafbare Systematik zu erkennen. Die weiter unten beschriebene fließende Grenze zum Multi-Level-Marketing macht es besonders knifflig.


Wie bezeichnet man Schneeballsysteme noch?

Synonyme für Schneeballsysteme sind u.a:

  • Ponzi-Schema: Benannt nach Charles Ponzi, der Anfang der 1920er Jahre ein berühmtes Schneeballsystem betrieb. Obwohl die Funktionsweise ähnlich ist, gibt es technische Unterschiede zwischen einem Ponzi-Schema und einem Schneeballsystem.
  • Pyramidensystem: Ein ähnliches Konzept, bei dem die Einnahmen hauptsächlich durch die Anwerbung neuer Mitglieder erzielt werden. Der Unterschied besteht häufig darin, dass bei Pyramidensystemen in der Regel ein Produkt oder eine Dienstleistung als Fassade verwendet wird.

Die beiden Begriffe werden oft synonym verwendet, obwohl es feine Unterschiede in ihrer Struktur und Funktionsweise gibt. In jedem Fall sind sie illegal und ethisch höchst bedenklich, da sie auf Täuschung und dem finanziellen Verlust der meisten Teilnehmer basieren.

Multi-Level-Marketing (MLM) vs. Schneeballsystem

Multi-Level-Marketing (MLM) ist ein Vertriebsmodell, das darauf abzielt, Produkte direkt an Verbraucher zu verkaufen, indem es unabhängige Verkäufer einsetzt, die Provisionen auf Verkäufe und das Anwerben neuer Verkäufer verdienen. Obwohl MLM oft legal und legitim ist, kann es schwierig sein, die Grenze zu illegalen Schneeballsystemen zu ziehen, die vorwiegend durch das Anwerben neuer Mitglieder finanziert werden.

Was ist Multi-Level-Marketing?

Im MLM-System werden Produkte oder Dienstleistungen über ein Netzwerk von Verkäufern vertrieben. Diese Verkäufer, oft als „Vertriebspartner“ bezeichnet, verdienen Einkommen sowohl durch direkte Verkäufe als auch durch das Anwerben neuer Verkäufer, die ihrerseits ebenfalls Provisionen generieren. Das Modell setzt somit auf eine mehrstufige Struktur, bei der Provisionen nicht nur für eigene Verkäufe, sondern auch für die Verkäufe der angeworbenen Partner (sogenannte Downline) gezahlt werden.

Merkmale von Multi-Level-Marketing:

  1. Produktverkauf: Der Schwerpunkt liegt auf dem Verkauf von realen, physischen Produkten oder Dienstleistungen.
  2. Provisionen: Vertriebspartner verdienen Provisionen sowohl aus ihren eigenen Verkäufen als auch aus den Verkäufen ihrer Downline.
  3. Anwerbung: Die Anwerbung neuer Vertriebspartner ist Teil des Systems, jedoch nicht die primäre Einkommensquelle.

Juristische Abgrenzung zwischen MLM und Schneeballsystemen

Die Abgrenzung zwischen MLM und Schneeballsystemen ist oft komplex und erfordert eine genaue Betrachtung der Struktur und Funktionsweise des jeweiligen Systems. Hier sind einige rechtliche Aspekte, die berücksichtigt werden sollten:

  1. Primäre Einkommensquelle: Laut der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, C-515/12) liegt ein Schneeballsystem vor, wenn der Hauptanreiz für die Teilnehmer darin besteht, neue Mitglieder anzuwerben, anstatt Produkte zu verkaufen. In MLM-Systemen sollte das Einkommen primär durch den Verkauf von Produkten generiert werden.
  2. Produkte und Dienstleistungen: Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal ist das Vorhandensein echter, verkaufsfähiger Produkte. In einem legalen MLM-System werden Produkte verkauft, die einen echten Marktwert haben und nicht nur als Vorwand für die Anwerbung neuer Mitglieder dienen.
  3. Vergütungsstruktur: In einem MLM-System sollten Provisionen für den Verkauf von Produkten gezahlt werden und nicht nur für das Anwerben neuer Vertriebspartner. Eine Vergütung, die ausschließlich oder überwiegend auf der Anwerbung basiert, deutet auf ein Schneeballsystem hin.
  4. Zivil- und Strafrecht: Zivilrechtlich werden Schneeballsysteme als sittenwidrig eingestuft, was zur Nichtigkeit der Verträge führt. Strafrechtlich liegt häufig vor, da die Einzahlenden über die tatsächliche Verwendung ihrer Gelder getäuscht werden. Wettbewerbsrechtlich können solche Systeme als unlautere Werbung und Geschäftspraktik eingestuft werden.
  5. Rechtsprechung: Die Rechtsprechung, wie beispielsweise durch das LG Düsseldorf (5 O 126/06), betont, dass Kunden im MLM-System nicht zu einem über ihren Eigenbedarf hinausgehenden Warenerwerb veranlasst werden dürfen. Dies unterscheidet sich von Schneeballsystemen, bei denen oft große Mengen nutzloser Produkte gekauft werden müssen, um Teil des Systems zu bleiben.

Empfehlungen

Es ist bei Schneeballsystemen eher der Regelfall als die Ausnahme, dass diese als MLM beworben werden. Wie dargestellt kann diese Grenze zwischen legalem Multi-Level-Marketing und illegalen Schneeballsystemen auch fließend sein – und erfordert eine genaue Betrachtung der Funktionsweise des jeweiligen Systems. Das Wichtige Kriterium ist in jedem Fall, dass MLM-Systeme primär durch den Verkauf von echten Produkten und nicht durch das Anwerben neuer Mitglieder finanziert werden.

Teilnehmer an als solchen beworbenen MLM-Systemen sollten nach meiner Erfahrung immer vorsichtig sein und die Struktur des Systems kritisch hinterfragen. Es gilt gerade hier der Satz „Was zu schön ist, um wahr zu sein, ist es meistens auch“. Im Übrigen ein Tipp vom Profi, der solche Systeme auf Betreiberseite kennt: Wenn Sie Geld einzahlen müssen, um (mehr) Geld zu erhalten, stimmt etwas nicht. Ebenso stimmt etwas nicht, wenn zweistellige Renditen versprochen oder gar garantiert werden, ganz besonders, wenn dies kurzfristig eintreten soll.

Eine detaillierte Prüfung der Einkommensquellen, der Qualität und des Preises der Produkte sowie der rechtlichen Rahmenbedingungen kann helfen, finanzielle Verluste und rechtliche Probleme zu vermeiden. Im Zweifelsfall kann die Konsultation eines Anwalts oder Steuerberaters sinnvoll sein, um die eigene rechtliche und finanzielle Position zu sichern.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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