OLG Karlsruhe zum Anspruch auf Einsicht in nicht bei den Akten befindliche Messunterlagen

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (Az.: 2 ORbs 35 Ss 425/23) vom 31. Oktober 2023 beschäftigt sich mit dem Anspruch auf Einsicht in nicht bei den Akten befindliche Messunterlagen im Rahmen eines Bußgeldverfahrens.

Diese Entscheidung ist besonders relevant für den Schutz von Geschäftsgeheimnissen und die Rechte von Betroffenen in Ordnungswidrigkeitenverfahren. Im Folgenden wird die Entscheidung detailliert analysiert und ihre Bedeutung im Kontext des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen und des Rechts auf ein faires Verfahren erörtert.

Hintergrund der Entscheidung

Der Betroffene wurde wegen einer mit einem stationären Messgerät vom Typ Traffistar S330 der Jenoptik Robot belangt. Im Verfahren beantragte er Einsicht in verschiedene Unterlagen, die nicht bei den Akten waren, um die Messung zu überprüfen. Das Amtsgericht wies diesen Antrag zurück, was zu einer Beschwerde führte, die das OLG Karlsruhe nun entschied.

Kernaussagen der Entscheidung

Anspruch auf Einsicht in Messunterlagen

Der Anspruch auf Einsicht in Messunterlagen, die nicht bei den Akten sind, wird als Teil des Rechts auf ein faires Verfahren anerkannt. Dies umfasst jedoch nur solche Unterlagen, die tatsächlich relevant für die Überprüfung der Messung sind. Das OLG Karlsruhe bestätigte, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wird, wenn ein zulässiger Antrag auf Einsicht ohne gesetzliche Grundlage abgelehnt wird.

Relevanz von Eichunterlagen

Das Gericht stellte klar, dass Unterlagen zum Eichvorgang nicht relevant für die Überprüfung des Messergebnisses sind, da mit der Erteilung des Eichsiegels das ordnungsgemäße Funktionieren des Messgeräts amtlich bescheinigt wird. Somit besteht kein Anspruch auf Einsicht in diese Unterlagen.

Weitere begehrte Unterlagen

Der Betroffene hatte Einsicht in diverse weitere Unterlagen begehrt, darunter Logdateien, Public Keys der Messanlage, Schulungsnachweise des Messpersonals und Dokumente zur verkehrsrechtlichen Anordnung der Geschwindigkeitsbeschränkung. Das Gericht lehnte diese Anträge weitgehend ab, da entweder keine Relevanz für die Verteidigung bestand oder bereits ausreichende Unterlagen zur Verfügung gestellt worden waren.

Analyse der rechtlichen Implikationen

Schutz von Geschäftsgeheimnissen

Die Entscheidung verdeutlicht die Abwägung zwischen dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen und dem Recht auf ein faires Verfahren. Während der Betroffene ein Interesse an umfassender Einsicht in die Messunterlagen hat, um seine Verteidigung vorzubereiten, müssen die Geschäftsgeheimnisse des Geräteherstellers und die Integrität des Messverfahrens geschützt werden. Das Gericht hat hier eine klare Linie gezogen, indem es nur die relevanten Unterlagen zugänglich machte und den Anspruch auf nicht benötigte Details ablehnte.

Recht auf ein faires Verfahren

Das Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 MRK und Art. 103 Abs. 1 GG umfasst den Zugang zu relevanten Informationen. Das OLG Karlsruhe hat jedoch betont, dass dieser Anspruch sachgerecht eingegrenzt werden muss, um eine uferlose Ausforschung und Verfahrensverzögerungen zu verhindern. Dies ist besonders im Bereich der massenhaft vorkommenden Ordnungswidrigkeiten wichtig.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Karlsruhe (Az.: 2 ORbs 35 Ss 425/23) stellt einen wichtigen Präzedenzfall dar, der die Balance zwischen dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen und dem Recht auf ein faires Verfahren wahrt. Das Gericht hat klar gemacht, dass der Anspruch auf Einsicht in nicht bei den Akten befindliche Unterlagen nur insoweit besteht, als diese für die Verteidigung relevant sind. Diese Entscheidung bietet eine klare Orientierung für zukünftige Fälle und stärkt gleichzeitig die Rechte der Betroffenen und den Schutz sensibler Informationen.

Insgesamt zeigt die Entscheidung, dass Gerichte in der Lage sind, die Rechte der Betroffenen zu schützen, ohne die Interessen der Hersteller und die Integrität des Messverfahrens zu gefährden. Diese ausgewogene Herangehensweise ist ein wichtiger Schritt zur Sicherstellung eines fairen und transparenten Verfahrens in Ordnungswidrigkeitenfällen.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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