Die auf § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB gestützte fakultative Anordnung der Sicherungsverwahrung erfordert, dass wegen einer oder mehrerer dort angeführter Straftaten gegen den Angeklagten schon einmal eine Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verhängt worden ist.
Doch auch wenn diese Strafhöhe nur im Gesamtstrafenausspruch erreicht wird und die zugrundeliegenden Einzelfreiheitsstrafen jeweils unterhalb der Schwelle von drei Jahren bleiben, kann es kritisch werden:
- Eine Gesamtfreiheitsstrafe genügt als Vorverurteilung den Anforderungen des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB, wenn sie wenigstens drei Jahre beträgt und ihr ausschließlich Einzelfreiheitsstrafen zugrunde liegen, die auf Katalogtaten beruhen; einer Einzelfreiheitsstrafe in der von § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB vorausgesetzten Höhe bedarf es dann nicht;
- Demgegenüber ist eine Gesamtfreiheitsstrafe keine hinreichende Vorverurteilung, wenn sie neben Einzelfreiheitsstrafen wegen Nichtkatalogtaten nur eine drei Jahre unterschreitende Einzelfreiheitsstrafe wegen einer Katalogtat enthält;
Doch Vorsicht, man muss genau prüfen: Es ist im Sinne einer fiktiven Gesamtstrafenbildung zu prüfen, ob das damalige Tatgericht auch dann eine Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verhängt hätte, wenn es eine solche ausschließlich aus den der Gesamtstrafe zugrundeliegenden Einzelstrafen wegen Katalogtaten hätte bilden müssen.
Kann – was eine vom Revisionsgericht eigenständig zu beurteilende Rechtsfrage ist – sicher ausgeschlossen werden, dass das frühere Tatgericht bei einer Gesamtstrafenbildung allein aus den Einzelstrafen wegen Katalogtaten eine unterhalb der Schwelle von drei Jahren liegende Gesamtfreiheitsstrafe gebildet hätte, ist eine den Anforderungen des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genügende Vorverurteilung gegeben; denn: hier unterscheidet sich der Fall in der Sache nicht von einem solchen, in dem von vornherein eine allein auf Katalogtaten beruhende Gesamtstrafe von mindestens drei Jahren Freiheitsstrafe vorlag.
Sofern relevanten Einzelstrafen eine tateinheitliche Verurteilung sowohl wegen einer Katalogtat als auch wegen einer Nichtkatalogtat zugrunde liegt und der nach § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB maßgebliche Strafrahmen dem Katalogtatbestand zu entnehmen war, ist die Einzelstrafe bei der fiktiven Gesamtstrafenbildung in voller Höhe zu berücksichtigen (so BGH, 3 StR 179/22).
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