Sachverständige im Strafprozess: Wenn die Beantwortung einer an einen Sachverständigen gerichteten Beweisfrage die fachliche Auswertung von Krankengeschichten, Behandlungsunterlagen und vergleichbaren Verlaufsdokumentationen erfordert, bedarf dies der besonderen Sachkunde des Sachverständigen. Solche Befundtatsachen sind dabei zwingend durch den Sachverständigen selbst zu erheben (so Oberlandesgericht Hamm, 3 Ws 65/22 unter Verweis auf BGH, 3 StR 136/56 in BGHSt 9, 292).
Sachverständige und Aufklärungspflicht
Der Sachverständige hat in eigener Verantwortung zu entscheiden, welche Unterlagen er für die Erstattung seines Gutachtens benötigt. Ob über die vom Sachverständigen getroffene Auswahl hinaus weitere Erhebungen erforderlich sind, richtet sich nach der Aufklärungspflicht insgesamt. Diese hat für die Hauptverhandlung ihren Niederschlag in § 244 Abs. 2 StPO gefunden.
Aufklärung bei Prognosegutachten
Ihr entspricht für die tatsächlichen Grundlagen der im Verfahren nach § 67e StGB zu treffenden Prognoseentscheidung das Gebot der bestmöglichen Sachaufklärung. Dieses Gebot fordert vom Gericht, dass es sich um eine möglichst breite Tatsachenbasis bemüht und so ein möglichst umfassendes Bild über die zu beurteilende Person verschafft (BVerfG, 2 BvR 1150/80 und 2 BvR 2549/08). Die Aufklärungspflicht reicht jedoch nicht grenzenlos:
Sie endet dort, wo nicht die Umstände, die dem Gericht bekannt sind oder aufgrund der Akten oder des Verfahrensablaufs bekannt sein müssen, zum Gebrauch eines bestimmten weiteren Beweismittels drängen oder ihn nahelegen. Nach diesem Grundsatz ist auch das Gebot der bestmöglichen Sachaufklärung im Bereich des Straf- und Maßregelvollzugs verletzt, wenn das Gericht unter Berücksichtigung der Beweislage zu einer bestimmten Überzeugung noch nicht hätte gelangen dürfen, weil es bei verständiger Würdigung aller Umstände des zu entscheidenden Falles damit rechnen musste, dass ihm bekannte oder erkennbare, nicht verwertete weitere Beweismittel einen Sachverhalt erbringen, der im Gegensatz zu seiner bisherigen Überzeugung eine Tatsache widerlegt, infrage stellt oder bestätigt.
Ergibt eine umfassende, verständige und allgemeiner Lebenserfahrung Rechnung tragende Würdigung der Sachlage, dass das Gebot umfassender Sachaufklärung danach drängt, ein bekanntes oder erkennbares weiteres Beweismittel zu nutzen oder ein bereits genutztes Beweismittel weiter auszuschöpfen, so ist mit dem OLG entsprechend zu verfahren (BVerfG, 2 BvR 2549/08, 2 BvR 2473/17, 2 BvR 2696/18).
- Lesetipp: Wie der Data Act die Zukunft der Robotik revolutioniert - 4. Oktober 2024
- CSRD-Umsetzung: Was Unternehmer jetzt wissen müssen - 4. Oktober 2024
- Internationaler Schlag gegen Glasaal-Schmuggel - 4. Oktober 2024