Es ist soweit: Der Bundesrat hat heute den
Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung der Strafprozessordnung – Neuordnung der Anordnungskompetenz für die Entnahme von Blutproben (hier als PDF)
durchgewunken. Demzufolge soll nun der Richtervorbehalt aufgehoben werden, sprich: Beim Verdacht des alkoholisierten Führens eines KFZ darf ohne Anordnung eines Richters eine Blutprobe entnommen werden.
Ich bin bekannt für die ablehnende Position dieser Entwicklung und mir rollen sich gelinde ausgedrückt die Fußnägel hoch, wenn ich z.B. die Beigeisterung beim Richterbund herauslesen musste, der u.a. feststellte:
Bei der wegen des drohenden Beweismittelverlustes immer unter Zeitdruck zu treffenden Beurteilung, ob eine Blutentnahme erforderlich sei, sei der Richter dagegen regelmäßig allein auf die telefonischen Schilderungen und Bewertungen der vor Ort anwesenden Ermittlungspersonen angewiesen. Das Instrument des Richtervorbehalts werde dadurch zur bloßen Formalie abgewertet und sei für Blutentnahmen zur Überprüfung der Fahrtüchtigkeit daher entbehrlich.
An dieser Stelle wurde mein Verdacht bestätigt, den ich ohnehin schon länger hatte – letztendlich wird man der Situation im Alltag nicht mehr Herr, weil Blutproben heute massenhaft auftreten (und dabei vorzugsweise Nachts). Und da der Staat nicht auf die Blutproben verzichten kann, schafft man kurzerhand das Kontrollinstrument ab.
Ich sehe an dem Punkt durchaus eine problematische Entwicklung, da die Kausalität zwischen „massenhafter Grundrechtseingriff“ und „Abschaffung Kontrollinstanz“ m.E. auf der Hand liegt. Dabei finde ich den heute begangenen Weg nicht zwingend, sehe ich die kausale Beziehung vor allem auf der anderen Seite, nämlich bei den m.E. zu wenig eingestellten Richtern und der Tatsache, dass man der Situation nicht mehr mit einer echten Prüfung begegnen kann.
Nun ist es eine persönliche Wertungsfrage, ob man den Rechtsstaat wanken sieht, weil hier pragmatisch eine problematische Alltagssituation angegangen wird – es gibt bekennende Juristen auf beiden Seiten. Keine Wertungsfrage ist dagegen, wie sich dieser – mit der heißen Nadel gestrickte – Gesetzentwurf präsentiert. Der neue Absatz 2 des §81a StPO soll später so aussehen:
Die Anordnung steht dem Richter, bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung auch der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) zu. Einer richterlichen Anordnung bedarf es nicht in den Fällen der §§ 315a und 315c bis 316 des Strafgesetzbuchs, wenn eine Blutprobenentnahme dem Nachweis von Alkohol, Betäubungsmitteln oder Medikamenten im Blut dienen soll. § 98 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.
Ich bin gespannt, ob es zumindest bei dieser Formulierung Kritik geben wird hinsichtlich der Bestimmtheit der Anordnungskompetenz – so wäre es zumindest schön, wenn man für den konkreten Fall im Gesetz die ein oder andere konkrete Anforderung an die Anordnung der Blutentnahme durch den Polizeibeamten vor Ort stellt und dies nicht seinem (willkürlichen) Gusto überlässt (so m.E. auch BVerfG, 2 BvR 1046/08). Natürlich kann man sich – wie vom Gesetzgeber ohnehin gewohnt – zurücklehnen und von der Rechtsprechung verlangen, hier ungeschriebene Kriterien eines konkreten Verdachts zu erarbeiten. Wie so oft bei aktuellen Gesetzeswünschen, ist es dann aber wieder Aufgabe der in ihren Grundrechten Betroffenen, hier entsprechende Korrekturen einzuklagen.
Lesetipp:
- Justizminister wünschen allgemeine Autoschlüssel-Kopie für Ermittler - 7. Dezember 2024
- KCanG: BGH zur Zusammenrechnung von Freimengen - 5. Dezember 2024
- BVerfG zu Encrochat: Keine generellen Beweisverwertungsverbote - 5. Dezember 2024