BGHSt 14, 193 – Jauchegrubenfall

Der Jauchegrubenfall ist im Sachverhalt tragisch, in der Dogmatik aber wichtig. Anders als vielfach zu lesen, hat der BGH hier gerade festgestellt, dass es keinen „dolus generalis“, also keinen Generalvorsatz, geben kann. Stattdessen wird durch eine einfache Kausalkatte die Verantwortlichkeit bejaht.

Das Urteil:
Ein vollendeter oder kann auch dann vorliegen, wenn der Täter das Opfer mit bedingtem Tötungsvorsatz angreift, später die vermeintliche Leiche beseitigt und erst dadurch den Tod verursacht, ohne jetzt noch an diese Möglichkeit zu denken.

[…]

Der Revision ist allerdings folgendes zuzugeben: im Urteil steht, es liege »ein die ganze Tat durchziehender Generaldolus« vor; der bedingte Tötungsvorsatz der Angeklagten habe ihr gesamtes Vorgehen beherrscht, »beginnend mit der Verhinderung des Schreiens der Gewürgten und endend mit der Versenkung ihres Opfers in die Jauchegrube«. Es wäre unrichtig, wenn das Schwurgericht hiermit sagen wollte, die Angeklagte habe noch beim Beseitigen der bewußtlosen Frau B. von deren Tode sie fest überzeugt war, mit einem fortwirkenden bedingten Tötungsvorsatz gehandelt. Dieser war vielmehr durch jene Überzeugung der Angeklagten erledigt.
Daran dann der unklare und rechtsgeschichtlich überholte Begriff eines »Generalvorsatzes« nichts ändern. Es geht nicht an, mit seiner Hilfe den ursprünglichen Tötungsvorsatz auf spätere Handlungen auszudehnen, bei denen er tatsächlich nicht mehr bestand.

Ob das Schwurgericht dies wirklich tun will, mag dahinstehen. Selbst wenn ein solcher Fehler in der rechtlichen Begründung des Schuldspruchs läge, träfe dieser bei dem festgestellten Sachverhalt zu. Wie das Schwurgericht rechtlich einwandfrei darlegt, hatte die Angeklagte den bedingten Tötungsvorsatz, als sie Frau B. zwei Hände voll Sand in den Mund stopfte, um sie am Schreien zu hindern. Dadurch verursachte sie den Tod zwar nicht unmittelbar, aber mittelbar. Denn die Folge war, daß Frau B. schließlich regungslos dalag, von der Angeklagten für tot gehalten und deshalb von ihr in die Jauchegrube geworfen wurde.

Zu diesem Vorgange, der den Tod unmittelbar bewirkte, wäre es ohne die früheren Handlungen, die die Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz ausgeführt hatte, nicht gekommen. Diese sind daher Ursache des Todes. Die Angeklagte hat ihn also mit bedingtem Vorsatz herbeigeführt. Er ist zwar auf eine andere Weise eingetreten, als die Angeklagte es für möglich gehalten hatte. Diese Abweichung des wirklichen vom vorgestellten Ursachenablauf ist aber nur gering und rechtlich ohne Bedeutung.

Das ist für Fälle des direkten Tötungsvorsatzes schon wiederholt entschieden worden. Daß die Angeklagte bei ihrem Angriff nur mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt hatte, ist jedenfalls im vorliegenden Falle kein Grund, etwas anderes anzunehmen. Denn der Unterschied zwischen beiden Arten des Vorsatzes hat mit der Ursächlichkeit nichts zu tun. Er ändert auch nichts daran, daß das Maß, in dem der wirkliche Ursachenablauf von der Vorstellung der Angeklagten abwich, gering und daher rechtlich bedeutungslos ist.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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