Rechtsbeugung: Beugung des Rechts im Sinne von § 339 StGB

Rechtsbeugung: Der (5 StR 39/21) konnte nochmals klarstellen, dass als Beugung des Rechts im Sinne von § 339 StGB nur elementare Rechtsverstöße in Betracht kommen können. Also gerade nicht jede noch so kleine problematik gleich dieses Schwerwiegenden Vorwurf nach sich ziehen muss.

Schwere der Tat

Die Schwere wird mit dem BGH dabei dadurch indiziert, dass Rechtsbeugung als Verbrechen eingeordnet ist und im Falle der Verurteilung das Richter- oder Beamtenverhältnis des Täters gemäß § 24 Nr. 1 DRiG, § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG kraft Gesetzes endet. Die Regelung des § 339 StGB erfasst deshalb mit ständiger Rechtsprechung nur Rechtsbrüche, bei denen sich
der Richter oder Amtsträger bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache bewusst in schwerwiegender Weise zugunsten oder zum Nachteil einer Partei von Recht und Gesetz entfernt und sein Handeln als Organ des Staates statt an Recht und Gesetz an eigenen Maßstäben ausrichtet.

Rechtliche Fehleinschätzung keine Rechtsbeugung

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verwirklicht nicht schon jede (bedingt) vorsätzlich begangene Rechtsverletzung eine „Beugung des Rechts“; erforderlich ist vielmehr eine „bewusste und grobe Entfernung des Richters von Recht und Gesetz“.

Hinweis: Diese Differenzierung zwischen Rechtsbeugung und „Beugung des Rechts“ in objektiver Hinsicht, bedingtem Vorsatz und „bewusster Entfernung von Recht und Gesetz“ in subjektiver Hinsicht steht nicht im Widerspruch zum BGH, wenn für die praktische Anwendung des Tatbestandes hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzung der Verletzung einer Rechtsnorm bedingter Vorsatz ausreicht und für die Beurteilung der Schwere die Bedeutung der verletzten Rechtsnorm maßgeblich ist.

Die unrichtige Rechtsanwendung oder Ermessensausübung reicht also für die Annahme einer Rechtsbeugung selbst dann nicht aus, wenn sich die getroffene Entscheidung als unvertretbar darstellt. Insoweit enthält das Merkmal der Beugung des Rechts ein normatives Element, dem die Funktion eines wesentlichen Regulativs zukommt.

Ob ein elementarer Rechtsverstoß vorliegt, ist mit dem BGH auf der Grundlage einer wertenden Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände zu entscheiden. Dabei kann neben dem objektiven Gewicht und Ausmaß des Rechtsverstoßes insbesondere Bedeutung erlangen, von welchen Motiven sich etwa ein Richter leiten ließ.

Vorsatz bei Rechtsbeugung

In seinem Vorsatz muss sich der Täter bewusst in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernen. Dies wird von der bisherigen Rechtsprechung teilweise dahin gehend verstanden, dass ein bewusst überzeugungswidriger Regelverstoß vorliegen muss, es also nicht genügt, wenn der Täter lediglich mit der Möglichkeit einer rechtlich nicht mehr vertretbaren Entscheidung rechnet und sich damit abfindet. Nach anderer Ansicht, die sich auf den Willen des historischen Gesetzgebers stützt, reicht hinsichtlich des Vorliegens eines Rechtsverstoßes bedingter Vorsatz aus.

Der Täter des § 339 StGB muss im Ergebnis einerseits die Unvertretbarkeit seiner Rechtsansicht zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben; andererseits muss er sich der grundlegenden Bedeutung der verletzten Rechtsnorm für die Verwirklichung von Recht und Gesetz bewusst gewesen sein. Für das Vorliegen eines Rechtsverstoßes genügt bedingter Vorsatz; hinsichtlich der Schwere des Rechtsverstoßes ist Bedeutungswissen im Sinne eines direkten Vorsatzes erforderlich.

Diese Differenzierung trägt dem berechtigten Anliegen Rechnung, einerseits den Tatbestand der Rechtsbeugung nicht auf jede „nur“ rechtsfehlerhafte Entscheidung anzuwenden, andererseits aber eine sachwidrige Privilegierung von Richtern auszuschließen, die unter bedingt vorsätzlicher Anwendung objektiv unvertretbarer Rechtsansichten bei der Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten gegen Normen verstoßen, deren grundlegende – materiell-rechtliche oder verfahrensrechtliche – Bedeutung für die Rechtsordnung im Allgemeinen oder für den zu entscheidenden Fall ihnen bewusst ist (BGH, 2 StR 217/22).

Verstoß gegen Verfahrensrecht als Rechtsbeugung

Die Rechtsbeugung kann ausdrücklich auch durch einen Verstoß gegen Verfahrensrecht begangen werden. In diesem Fall ist es jedoch erforderlich, dass durch die Verfahrensverletzung die konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung zum Vor- oder Nachteil einer Partei begründet wurde, ohne dass allerdings ein Vor- oder Nachteil tatsächlich eingetreten sein muss. Daneben
kann auch Bedeutung erlangen, welche Folgen der Verstoß für eine Partei hatte, inwieweit die Entscheidung materiell rechtskonform blieb und von welchen Motiven sich der Richter oder Amtsträger bei der Entscheidung leiten ließ.

Sperrwirkung

Der Tatbestand der Rechtsbeugung entfaltet zudem eine Sperrwirkung, sodass Richter oder andere Amtsträger wegen Straftaten, die in einem inneren Zusammenhang mit der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache stehen, nur belangt werden können, wenn sie sich zugleich wegen Rechtsbeugung strafbar
gemacht haben.

Dies gilt zwar nicht, wenn ein Richter oder Amtsträger im
Rahmen seiner Tätigkeit bei Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache eine hiervon unterscheidbare, nicht zwingend durch die Leitung oder Entscheidung der Sache erforderte eigenständige Tat begeht, die für sich alleine gegen Strafgesetze verstößt. Anders verhält es sich mit der Rechtsprechung des BGH aber, soweit die tateinheitliche Straftat nicht gelegentlich der Leitung oder Entscheidung der Rechtssache, sondern gerade durch deren fehlerhafte Entscheidung begangen worden sein
soll.

Staatsanwalt als Täter einer Rechtsbeugung

Auch ein Staatsanwalt kann Täter einer Rechtsbeugung sein, wenn er wie ein Richter in einem rechtlich vollständig geregelten Verfahren zu entscheiden hat und dabei einen gewissen Grad sachlicher Unabhängigkeit genießt (so schon BGH, 4 StR 274/16).

Rechtsbeugung durch Unterlassen

Verletzt der Richter Verfahrensrecht durch Unterlassen, insbesondere durch eine den Maßstäben des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK widersprechende verzögerte Sachbehandlung, so genügt dies allein regelmäßig nicht den aufgezeigten strengen Anforderungen an eine elementare Rechtsverletzung im Sinne des § 339 StGB. Denn grundsätzlich steht es dem Richter aufgrund seiner Unabhängigkeit frei, welchem von mehreren Dienstgeschäften er den Vorrang einräumt. Ein strafrechtlich relevanter Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot kommt daher nur in Betracht, wenn der Richter bewusst gegen eine Vorschrift verstoßen hat, die ein bestimmtes Handeln unabdingbar vorschreibt, wenn er untätig bleibt, obwohl besondere Umstände ein sofortiges Handeln zwingend gebieten oder wenn die zögerliche Bearbeitung auf sachfremden Erwägungen zu Gunsten oder zu Lasten einer Partei beruht (BGH, 4 StR 149/22).

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht, Arbeitsrecht und IT-Recht / Technologierecht.