Das AG Riesa (9 Cs 926 Js 3044/19) hat entschieden, dass der Abschuss einer Drohne wegen des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Eigentumsrecht gerechtfertigt sein kann. Die Entscheidung wird im Folgenden in Auszügen unkommentiert, aber strukturiert und etwas lesbarer umformuliert wiedergegeben.
Keine Sachbeschädigung durch Abschuss der Drohne
Das Gericht ging davon aus, dass der Angeklagte rechtmäßig im Sinne des § 228 BGB gehandelt habe.
Danach handelt nicht rechtswidrig, wer eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, um eine dadurch drohende Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, wenn die Beschädigung oder Zerstörung zur Abwendung der Gefahr notwendig ist und der Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr steht (Notwehr). § 34 StGB tritt in der Regel hinter den spezielleren Rechtfertigungsgrund des § 228 BGB zurück (Fischer, 65. Auflage 2018, § 34 StGB Rn. 33; BeckOK, 41. Auflage 01.02.2019, § 34 StGB Rn. 23). Dies hat zur Folge, dass der im zivilrechtlichen Notstand Handelnde nicht wegen Sachbeschädigung zu bestrafen ist (JurisPK, 8. Auflage 2017, § 228 BGB Rn. 20).
Erforderlich ist das Vorliegen eines Notstandes, der bei einer unmittelbar drohenden Gefahr für den Handelnden oder einen anderen anzunehmen ist, wobei die Gefahr von einer fremden Sache ausgehen muss (JurisPK, 8. Auflage 2017, § 228 BGB Rn. 4).
Insoweit ist zunächst umstritten, ob § 228 BGB auf mittelbare Angriffe anwendbar ist. Dies wird von der herrschenden Meinung grundsätzlich bejaht. Etwas anderes soll gelten, wenn die Gefahr nicht unmittelbar von der Sache ausgeht, sondern von einem Menschen als Angriffsmittel eingesetzt wird (JurisPK, 8. Aufl. 2017, § 228 BGB Rn. 7), was hier anzunehmen ist, da die Drohne von einem Piloten gesteuert wird. Allerdings ist in der herrschenden Meinung anerkannt, dass §§ 228, 904 BGB und nicht § 227 BGB oder § 32 StGB anwendbar sind, wenn sich der Angreifer fremder Sachen bedient und diese beschädigt werden, da § 227 BGB, § 32 StGB grundsätzlich nur die Verletzung von Rechtsgütern des Angreifers erlauben (Schönke/Schröder, 30. Auflage 2019, § 32 StGB Rn. 32, 33, Fischer 65. Auflage 2018, § 32 StGB Rn. 24). Vorliegend ist daher jedenfalls § 228 BGB anwendbar. Der als Zeuge vernommene Herr R. hat vorliegend nicht seine eigene Drohne geflogen, sondern die im Eigentum des Herrn J. stehende Drohne.
Geschützt sind danach Individualrechte und Rechtsgüter aller Art. Dies umfasst auch das Eigentum, das Hausrecht sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht (JurisPK, 8. Auflage 2017, § 228 BGB Rn. 4).
Es liegt sowohl eine drohende als auch eine bereits eingetretene Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gem. Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 GG vor, die sich durch die Anwesenheit mehrerer Personen zu intensivieren und zu vervielfältigen drohte. In sachlicher Hinsicht umfasst der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in seiner Ausprägung als Recht am eigenen Bild einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, der nicht nur die engere persönliche Lebenssphäre schützt, sondern auch die Befugnis gewährt, sich individuell zurückzuziehen, abzuschotten oder für sich zu bleiben. Darüber hinaus gewährt es dem Einzelnen das Recht am eigenen Bild, d.h. das Recht, die Darstellung der eigenen Person gegenüber anderen selbst zu bestimmen. Die Bereiche eines Wohngrundstücks, die vom öffentlichen Raum oder von angrenzenden Privatgrundstücken nicht einsehbar sind, sind typischerweise Rückzugsorte des jeweiligen Nutzers, weshalb Beobachtungen durch andere Personen als „Ausspähen” das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzen. Bereits mit der Anfertigung wird in das Recht des Betroffenen auf Selbstdarstellung eingegriffen, das Bildnis von der Person des Abgebildeten gelöst und damit in dieser konkreten Form seiner Kontrolle und Verfügungsgewalt entzogen. Erschwerend kommt unter Umständen hinzu, dass bei einer zivilen Drohnenaufnahme die aufgenommene Person sich dessen nicht bewusst ist, da sie nicht mit einer Aufnahme „von oben” rechnet. Eine solche Heimlichkeit der Aufnahme führt zu einer gesteigerten Erheblichkeit des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Solmecke/Nowak, MMR 2014, 431 (434) m. w. N.; vgl. auch AG Potsdam, Urteil vom 16.04.2015, Az. 37 C 454/13 zur Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch zivilen Drohnenflug).
Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 GG dürfte vorliegend zugleich die Verwirklichung eines Straftatbestandes darstellen.
(1) Es ist davon auszugehen, dass der Drohnenführer den Tatbestand des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB rechtswidrig und schuldhaft verwirklicht hat. Nach § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer von einer Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt.
(2) Zum besonders geschützten Raum im Sinne des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB gehört auch ein durch Hecken oder Mauern gegen Einblick geschützter Garten (BT-Drs. 15/2466 S. 5, Kargl NK 6, Hoyer SK 18). Nach den Feststellungen der in der Hauptverhandlung durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere nach den Angaben des Angeklagten und der als Zeugen vernommenen Herren P. und R. ist davon auszugehen, dass das Grundstück des Angeklagten von einer 2,50 m bis 3,00 m hohen und dichten Hecke umgeben ist, die auf den in Augenschein genommenen Lichtbildern (Bl. 53, 54 d. A.) teilweise erkennbar ist. Es ist daher davon auszugehen, dass es sich um einen besonders geschützten Raum im Sinne der Strafnorm des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB handelt.
(3) Das Tatbestandsmerkmal der Übertragung (einer Bildaufnahme) im Sinne des § 201a Abs. 1 StGB erfasst auch Echtzeitübertragungen ohne dauerhafte Speicherung der aufgenommenen Bilder (BT-Drs. 15/2466 S. 5). Nach den übereinstimmenden Angaben des Angeklagten, der Frau A. und des Herrn P. flog die mit einer Kamera ausgestattete Drohne über das Grundstück des Angeklagten. Auf diesem befand sich zu diesem Zeitpunkt der Beschuldigte mit seiner Familie. Ergänzend haben der Angeklagte und seine Ehefrau angegeben, dass die Drohne der Frau A. beim Heraustragen des Mülls gefolgt sei, so dass Bilder von dieser übertragen worden seien. Ob diese darüber hinaus auch von der Drohne bzw. dem Piloten Herrn R. aufgezeichnet wurden, kann dahinstehen. Dies ist aufgrund der nach Angaben von Herrn R. zwischenzeitlich gelöschten Bildaufnahmen nicht mehr überprüfbar.
Darüber hinaus bestand gemäß § 21b Abs. 1 Nr. 7 LuftVO ein Überflugverbot über das Grundstück des Beschuldigten. Der Verstoß gegen das Verbot des § 21b Abs. 1 Nr. 7 LuftVO stellt gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 17b LuftVO eine Ordnungswidrigkeit dar, für die sich der Drohnenführer nach eigenen Angaben bereits in einem gesonderten Verfahren zu verantworten hat.
Als Notstandshandlung ist die Beschädigung oder Zerstörung der Sache, von der die Gefahr ausgeht, zulässig (JurisPK, 8. Auflage 2017, § 228 BGB Rn. 9). Dies muss mit Verteidigungswillen geschehen und zur Abwehr der Gefahr erforderlich sein. Dies ist nicht der Fall, wenn die Gefahr durch ein milderes Mittel abgewendet werden kann, wozu im Falle des § 228 BGB auch die Flucht gehört (JurisPK, 8. Auflage 2017, § 228 BGB Rn. 11). Ferner dürfen die drohende Gefahr und der Abwehrschaden nicht außer Verhältnis stehen. Dabei gehen bei höherwertigen Sachen grundsätzlich geringwertigere vor (JurisPK, 8. Auflage 2017, § 228 BGB Rn. 12).
Vorliegend hat der Angeklagte die Vernichtung der Drohne erlangt, um die Verletzung seiner Rechtsgüter und der seiner Familie durch den abgegebenen Schuss zu verhindern (§ 228 S. 1 BGB). Ein milderes, gleich geeignetes Mittel ist insoweit nicht ersichtlich.
Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass dem Betroffenen im Rahmen des § 228 BGB grundsätzlich auch die Flucht zuzumuten ist, ist im vorliegenden Fall zu sehen, dass hierdurch die drohende weitere Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts allenfalls gemindert, nicht aber vollständig abgewendet werden kann. Eine Absicherung des umfriedeten Grundstücks des Beklagten nach oben wird diesem kaum zuzumuten sein. Es ist auch nicht ersichtlich, mit welchen milderen Mitteln die in einer Höhe von 5 m bis 15 m befindliche Drohne hätte entfernt werden können, um den Angriff zu beenden. Soweit vereinzelt vorgeschlagen wird, die Drohne mit einem Gartenschlauch zu Boden zu bringen, stellt dies aus Sicht des Gerichts keine geeignete Maßnahme dar, zumal auch in diesem Fall davon auszugehen ist, dass die Drohne zerstört worden wäre.
Verhältnis des Abwehrschadens
Der Abwehrschaden steht nicht außer Verhältnis zur drohenden Gefahr.
Zum einen ist insoweit zu berücksichtigen, dass die Drohne vollständig zerstört wurde. Ihr Wert beträgt nach den Angaben von Herrn R. 1.500,00 EUR. Hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Sache von vornherein einen Mangel aufweist, da von ihr die Gefahr ausgeht (Leipold/Tsambikakis/Zöller, 2. Auflage 2015, § 34 StGB Rn. 11). Hinzu kommt, dass dem Überflug jedenfalls der weitere Makel des Verstoßes gegen § 21b LuftVO anhaftete.
Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass – würde die Beeinträchtigung der Nutzbarkeit eines 980 m² großen Grundstücks etwa in einem zivilrechtlichen Entschädigungsstreit beziffert – der Wert kaum unter 1.500,00 EUR liegen würde (vgl. auch AG Potsdam, Urteil vom 16.04.2015, Az.: 37 C 454/13, Streitwertfestsetzung auf 4.000,00 EUR). Zudem ist zu sehen, dass der Eingriff vorliegend durch das „Verfolgen“ der Ehefrau des Beklagten sowie die äußerst geringe Flughöhe eine Intensität erreicht hat, die deutlich über eine bloße Lästigkeit hinausgeht (vgl. hierzu auch AG Potsdam, Urteil vom 16.04.2015, Az.: 37 C 454/13 zur Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch zivilen Drohnenflug).
Zutreffend weist das Amtsgericht Potsdam im Hinblick auf den dortigen Sachverhalt (a.a.O.) auch darauf hin, dass es sich (bei dem privaten Drohnenflug) nicht um eine unschuldige kindliche Freizeitbeschäftigung wie Drachen- oder Modellfliegen handelt, sondern um einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht durch eine mit einer Kamera ausgestattete Drohne. Insofern ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte und seine Familie durch die Einfriedung des Grundstücks erkennbar bestrebt sind, sich gegen Einblicke von außen zu schützen. Ein Eingriff in einen solchen privaten und grundrechtlich geschützten Bereich als Rückzugsort ist nach Auffassung des Gerichts nicht hinnehmbar, so dass die Beeinträchtigung der Verteidigung in der Abwägung zurückzutreten hat.
gefährlicher Eingriff in den Luftverkehr gemäß § 315 StGB?
Der Angeklagte hat sich nicht wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr gemäß § 315 StGB strafbar gemacht.
Luftverkehr im Sinne des § 315 StGB ist der Verkehr mit Luftfahrzeugen im Sinne des § 1 Abs. 2 LuftVG (BeckOK, 41. Aufl., Stand 01.02.2019, § 315 StGB Rn. 5; Leipold/Tsambikakis/Zöller, 2. Aufl. 2015, § 315 StGB Rn. 5). § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 9 LuftVG erfasst auch Flugmodelle. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie unbemannt sind. Dabei kann es sich um alle in § 1 Abs. 2 LuftVG genannten Arten von Fluggeräten handeln, auf deren Größe und Antriebsart es nicht ankommt. Flugmodelle unterscheiden sich von den in § 1 Abs. 2 Satz 2 LuftVG legal definierten unbemannten Luftfahrzeugen durch ihren Verwendungszweck. Flugmodelle dienen ausschließlich der Freizeitgestaltung (Erbs/Kohlhaas, 223. EL Januar 2019, § 1 LuftVG Rn. 6; MMR 2014, 431; Bt-Drs. 17/8098, S. 12). Auch der Einsatz von Drohnen im privaten Bereich wird vom Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2 Nr. 9 LuftVG erfasst (NZV 2016, 353). Vom Anwendungsbereich des § 315 StGB sind jedoch solche Luftfahrzeuge im Sinne des § 1 Abs. 2 LuftVG auszunehmen, bei denen – wie hier – der Beförderungsvorgang (“Transport“) völlig in den Hintergrund tritt oder gar nicht vorliegt (Leipold/Tsambikakis/Zöller, 2. Aufl. 2015, § 315 StGB Rn. 5).
Eine Strafbarkeit nach § 315 StGB scheidet daher ebenso aus wie eine solche nach § 315a StGB.
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