Wann ist man Beschuldigter eines Strafverfahrens?

Wann ist man Beschuldigter: Einem Beschuldigten stehen mit der Strafprozessordnung ganz erhebliche Rechte zu, die ein mitunter nicht hat. Da stellt sich dann die Frage, wenn man etwa als Zeuge geladen wird zur Vernehmung, ob man wirklich Zeuge oder nicht vielmehr Beschuldigter ist. Der hat insoweit klargestellt, dass ein Verdächtiger die Stellung eines Beschuldigten erlangt, sobald die Staatsanwaltschaft Maßnahmen gegen ihn ergreift, die erkennbar darauf abzielen, gegen ihn wegen einer Straftat strafrechtlich vorzugehen.

Will die Staatsanwaltschaften Betroffenen gleichwohl zum Verdachtskomplex nur als Zeugen vernehmen, so steht ihm die Äußerungsfreiheit nach Maßgabe der §§ 136163a  zu, so daß auch bei genereller Aussageverweigerung Maßregeln nach § 70 StPO nicht angeordnet werden dürfen (zu alledem BGH, StB 14/96).

Mehr dazu: Die Beschuldigtenvernehmung

BGH: Wann ist man Beschuldigter

Der Bundesgerichtshof fasste die Frage, wann man Beschuldigter ist, anlässlich einer durchgeführten Wohnungsdurchsuchung wie Folgt zusammen:

Die Beschuldigteneigenschaft eines Tatverdächtigen wird grundsätzlich durch einen Willensakt der zuständigen Strafverfolgungsbehörde begründet (BGH NStZ 1987, 83 ), die dies nach der Stärke des Tatverdachts pflichtgemäß zu beurteilen hat. Nur wenn sie trotz starken Tatverdachts nicht von der Zeugen- zur Beschuldigtenvernehmung übergeht und auf diese Weise die Beschuldigtenrechte umgeht, überschreitet sie die Grenzen des Beurteilungsspielraums (sog. subjektive Beschuldigtentheorie; vgl. Rogall in SK-StPO vor § 133 Rdn. 26 ff.; BGHSt 10, 8, 12; 37, 48, 51 ff.; BGH NJW 1994, 2904, 2907 ). Darüber hinaus ist ein Verfolgungswille auch dann anzunehmen, wenn eine Strafverfolgungsbehörde einen Verdächtigen zwar nicht ausdrücklich zum Beschuldigten erklärt, aber faktische Maßnahmen gegen ihn ergreift, die erkennbar darauf abzielen, gegen ihn wegen einer Straftat vorzugehen (BGH StV 1985, 397, 398; BGHSt 38, 214, 228; ausführlich Rogall aaO Rdn. 31 ff.; Geppert in Festschrift für Oehler 323, 328). Dies entspricht dem Rechtsgedanken des § 397 Abs. 1 AO, wonach ein Steuerstrafverfahren für eingeleitet erklärt wird, sobald eine zuständige Behörde eine Maßnahme trifft, die erkennbar darauf abzielt, gegen jemanden wegen einer Steuerstraftat strafrechtlich vorzugehen.

BGH, StB 14/96

Eindruck aus der Praxis

Seien Sie Vorsichtig, wenn Sie Post als Zeuge erhalten! In meiner Praxis als Strafverteidiger ist es leider keine Seltenheit, insbesondere im Zusammenhang mit Verkehrsstraftaten, dass der Halter als Zeuge angeschrieben wird obwohl sich die Beschuldigtenstellung geradezu aufdrängt. Hier in der Region ist mir dies insbesondere gleich mehrmals von der Kreispolizeibehörde Heinsberg untergekommen, die sich in meinen Augen besonders negativ im Umgang mit Beschuldigtenrechten hervortut (anders als die Polizei Aachen, wo es vereinzelte Ausreisser gibt, die mir aber eben nicht so ins Auge stechen wie in Heinsberg).

Lassen Sie sich nicht aufs Glatteis führen, insbesondere sind die Rechte als Zeuge massiv weiter beschnitten, insbesondere weil heute die Pflicht für Zeugen besteht, zur Polizei zu gehen – was aus Verteidigersicht ein absolutes Unding ist. Wenn Sie einmal bei der Polizei sitzen und sich um Kopf und Kragen reden, haben Sie bereits erhebliches Verteidigungspotential verspielt. Ein Strafverteidiger kostet Geld – aber eben nicht ohne Grund.

Um sich "Fachanwalt für Strafrecht" nennen zu können, muss man einen Lehrgang absolvieren, in dessen Rahmen auch Klausuren geschrieben werden. Zusätzlich muss man binnen 3 Jahren eine bestimmte Menge an Fällen bearbeitet und eine Mindestzahl an Verhandlungstagen vor dem Schöffengericht oder Aufwärts verhandelt haben. Wenn man die Voraussetzungen erworben hat, beantragt man den Titel bei der Rechtsanwaltskammer, ab dann muss man sich jährlich fortbilden. Der Titel des Fachanwalts ist daher mit spürbaren Kosten verbunden, weswegen hier auch regelmäßig höhere Kosten bei einem Auftrag entstehen (zwingend ist es aber nicht).

Die Gebühren eines Strafverteidigers variieren von Fall zu Fall und sind grundsätzlich erst einmal gesetzlich im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz geregelt, lassen sich also im Vorhinein bestimmen. Die Kosten sind zum einen davon abhängig, wie früh oder schnell ein Verfahren beendet wird, denn es macht natürlich einen Unterschied ob man überhaupt vor Gericht muss; zum anderen kommt es darauf an, ob besondere Gebühren vereinbart wurden.

Ein Vorschuss von unter 300 Euro ist jedenfalls unrealistisch, Gesamtkosten für eine Verteidigung unter 600 Euro sind genauso unrealistisch. Ausführlich finden Sie die Kosten eines Strafverteidigers hier erklärt. 

Zuerst einmal ist der Strafverteidiger Beistand und stützt den Mandanten. Wenn der Strafverteidiger seinen Job ernst nimmt, verteidigt er - gegen Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht. Aber damit ist noch nichts über die Form gesagt: Je nach Fall kann es geboten sein, ruhiger zu verteidigen, es kann aber auch zwingend sein, aggressiv aufzutreten. Wichtig ist, dass der Mandant weiss und ihm verständlich gemacht wird, was gerade geschieht und warum.

Aus unserer Sicht: Kommunikation. Ein guter Strafverteidiger hat mehr als ein Schema F nach dem er immer agiert, er kommuniziert mit seinem Mandanten so, dass der immer weiß was Sache ist - und beherrscht verschiedene Kommunikationsstrategien um mit Gericht und Behörden zu sprechen. Vor allem muss er ehrlich sein, darf gegenüber dem Mandanten keinen Unsinn versprechen und muss seine Ratschläge fachlich untermauern können. Mehr dazu, was ein guter Strafverteidiger ist, finden Sie hier bei uns.

Die Justiz NRW beschreibt den Strafverteidiger so:

Der Beschuldigte kann sich in jedem Verfahrensstadium, also auch schon im Ermittlungsverfahren durch einen Strafverteidiger beraten lassen. Die folgenden Ausführungen beziehen sich jedoch vornehmlich auf das Hauptverfahren.

Man unterscheidet Pflicht- und Wahlverteidiger. werden vom Gericht bestimmt und dem Angeklagten zur Seite gestellt. Der Wahlverteidiger hingegen ist ein vom Angeklagten selbst bestimmter Rechtsanwalt, den der Angeklagte mit schriftlicher Vollmacht dazu ermächtigt, ihn im Strafverfahren zu verteidigen. Der Angeklagte ist aber nicht verpflichtet, sich einen Verteidiger zu suchen. Vielmehr kann er auch ohne Verteidiger vor Gericht erscheinen, etwa um Kosten zu sparen. In bestimmten Fällen sieht das Gesetz allerdings zwingend vor, dass der Angeklagte durch einen zugelassenen Verteidiger verteidigt wird. Man spricht insoweit von notwendiger Verteidigung. Das Gericht bestimmt in diesen Fällen einen Pflichtverteidiger, sofern der Angeklagte sich noch keinen Wahlverteidiger gesucht hat. Es handelt sich um Fälle, in denen dem Angeklagten erhebliche Strafvorwürfe gemacht werden oder das Verfahren zu erheblich belastenden Sanktionen führen kann. Die wichtigsten Fälle sind:

  • Dem Beschuldigten wird ein Verbrechen vorgeworfen
  • Das Strafverfahren kann zu einem Berufsverbot führen
  • Der Beschuldigte befindet sich sei mindestens drei Monaten auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt und wird nicht mindestens zwei Wochen vor Beginn der entlassen
  • Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten
  • Wenn die Schwere der Tat oder die Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage es gebietet
  • Wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann

Hat das Gericht dem Angeklagten einen Pflichtverteidiger beigeordnet, ist dem Angeklagten dadurch nicht die Möglichkeit genommen, selbst einen Rechtsanwalt zu bestimmen, der die Verteidigung übernehmen soll. In diesem Fall hebt das Gericht die Bestellung des Pflichtverteidigers wieder auf.

Grundsätzlich gilt die Bestellung des Verteidigers für das gesamte Strafverfahren. Sie kann jedoch auch auf nur eine Instanz beschränkt werden. Im Rahmen dieser evtl. zeitlichen Einschränkung hat der Verteidiger folgende Aufgaben:

In erster Linie soll der Verteidiger dem Angeklagten beratend zur Seite stehen. Er soll die Rechte des Angeklagten umfassend wahrnehmen und diesen zu prozessual richtigen beziehungsweise klugen richtigen Handlungen und Erklärungen veranlassen. Im Rahmen dieser Stellung ist der Verteidiger verpflichtet, sich ausschließlich für den Angeklagten einzusetzen.

Ferner übt der Verteidiger gegenüber dem Gericht eine Kontrollfunktion aus. Er hat darauf zu achten, dass alle den Angeklagten entlastenden Aspekte hinreichend berücksichtigt und die Verfahrensvorschriften beachtet werden. Der Verteidiger ist daher auch als Organ der Rechtspflege zu verstehen. In dieser Funktion dient er der Wahrheitsfindung und trifft ihn die Pflicht, für einen sachdienlichen und prozessual geordneten Verfahrensablauf zu sorgen. Damit der Verteidiger diesen Aufgaben gerecht werden kann, steht ihm nach Maßgabe des § 147 StPO ein unbeschränktes Akteneinsichtsrecht zu.

Der Verteidiger ersetzt jedoch nicht den Angeklagten. Auch wenn also ein Verteidiger am Verfahren beteiligt ist, muss der Angeklagte selbst in der Verhandlung erscheinen. Der Verteidiger ist nur ein Bestand des Angeklagten, nicht dessen Vertreter.

Der Verteidiger ist zu allen Handlungen berechtigt, die dem Schutz und der Verteidigung des Angeklagten dienen. Seine Grenzen findet der Verteidiger dann, wenn er den Tatbestand der erfüllt, das heißt, wenn der Verteidiger den Sachverhalt aktiv verdunkelt oder verzerrt, Beweismittel verfälscht oder wissentlich gefälschte Beweismittel verwendet. Gleiches gilt, wenn der Verteidiger den Angeklagten vor einer bevorstehenden Verhaftung warnen würde. Nicht gehindert ist der Verteidiger aber, auf Freispruch zu verteidigen und zu beantragen, auch wenn der Angeklagte ihm die Tatbegehung in einem vertraulichen Gespräch gestanden hat.

Die Rechte des Verteidigers können wie folgt zusammengefasst werden:

  • Recht zur Stellung von Anträgen, insbesondere Beweisanträgen
  • Recht zur Stellung von Fragen an den Angeklagten, Zeugen und Sachverständige
  • Anwesenheitsrecht in allen Verfahrenstadien, auch bei Ortsterminen außerhalb des Gerichts
  • Recht zur Abgabe von Erklärungen und Stellungnahmen für den Angeklagten
  • Recht zur Beanstandung von Fragen, die von anderen Verfahrensbeteiligten an Zeugen oder den Angeklagten gerichtet werden

Nach dem Schluss der Beweisaufnahme hat der Verteidiger, wenn der Staatsanwalt seinen Schlussvortrag beendet hat, sein Plädoyer zu halten. Dieses fasst das Ergebnis der Hauptverhandlung nochmals zusammen, würdigt alle erörterten Umstände in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und enthält schließlich einen Antrag an das Gericht, wie dieses aus der Sicht der Verteidigung entscheiden soll. (QUelle: https://www.justiz.nrw.de/Gerichte_Behoerden/ordentliche_gerichte/Strafgericht/verfahren/Verfahrensbeteiligte/verteidiger/index.php)

Um es kurz zu machen: Es gibt keinen! Vergessen Sie Vorurteile, die auf schlechten Fernsehfilmen beruhen, die "Pflichtverteidigung" ist in Deutschland ein eigenes Konstrukt und Sie können den Anwalt als Pflichtverteidiger haben, den Sie sich selber aussuchen! Mehr zur Pflichtverteidigung mit FAQ hier bei uns.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht, Arbeitsrecht und IT-Recht / Technologierecht. Beachten Sie unsere Tätigkeit im Steuerstrafrecht, digitaler gewerblicher Rechtsschutz, IT-Sicherheitsrecht sowie Softwarerecht.