Keine gemeinschaftliche Körperverletzung bei Unterlassen durch zwei Garanten

Der Qualifikationstatbestand der gemeinschaftlichen setzt voraus, dass der Täter die Körperverletzung gemeinschaftlich mit einem anderen Beteiligten begeht. Ob die Voraussetzungen dieser Strafvorschrift auch bei einem Unterlassen durch zwei Garanten erfüllt sind, hat der bislang nicht entschieden. Nach der Rechtsprechung kommt eine Strafbarkeit nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB jedoch nicht in Betracht, wenn dem Opfer neben dem aktiv handelnden Täter der Körperverletzung nur eine weitere Person gegenübersteht, die sich rein passiv verhält.

Reicht aber die bloße Anwesenheit einer weiteren Person am Tatort neben einem aktiv handelnden Täter nicht aus, um den Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB zu erfüllen, so kann erst recht die Untätigkeit eines weiteren Garanten bei einer Körperverletzung, die allein durch Unterlassen begangen wird, nicht zur Erfüllung des Qualifikationstatbestandes führen. Diese Auslegung ergebe sich maßgeblich aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, so der BGH (2 StR 459/21).

Der Wortlaut der Vorschrift gibt keine abschließende Auskunft über Art und Qualität der Tatbeteiligung. Einerseits setzt sie eine „gemeinschaftliche“ Tatbegehung voraus, was auf eine Voraussetzung der Mittäterschaft hindeuten könnte; andererseits verlangt sie die Mitwirkung eines weiteren „Beteiligten“, worunter sowohl Täter als auch Teilnehmer (§ 28 Abs. 2 StGB) in beliebiger Konstellation, also grundsätzlich auch durch Unterlassen, verstanden werden können. Die Qualifikationstatbestände des Besonderen Teils haben mit den genannten Begriffen nicht bestimmte Beteiligungsformen oder Begehungsweisen des Allgemeinen Teils übernommen, sondern eigene Tatbestandsvoraussetzungen formuliert, die autonom auszulegen sind.

Auch die Materialien zum Sechsten Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. StrRG vom 26. Januar 1998, BGBl. I S. 164) haben sich zur Auslegung der seinerzeit neu gefassten Qualifikationstatbestände nicht geäußert (vgl. BT-Drucks. 13/8587 S. 36 f.; 13/9064 S. 15 f.).

Für die Frage, welche Art und Qualität der Beteiligungshandlung zur Tatbestandserfüllung erforderlich ist, sind daher mit dem BGH weiterhin Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung maßgeblich:

Der Normzweck spricht gegen eine Qualifikation der Körperverletzung durch alleiniges Unterlassen zweier Garanten (…)

(1) Der Grund für die Qualifikation der Körperverletzung in Fällen, in denen ein Täter („Wer“) die Körperverletzung „mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich“ begeht, besteht in der besonderen Gefahr für das Opfer, dass es bei der Konfrontation mit einer Übermacht psychisch oder physisch in seinen Abwehr- oder Fluchtmöglichkeiten beeinträchtigt wird (…), ferner in der Gefahr der Verursachung erheblicher Verletzungen infolge der Beteiligung mehrerer Personen an der Körperverletzung (…). Diese Gefahren bestehen in einer Weise, welche die Erhöhung des Strafrahmens rechtfertigt, nur dann, wenn bei der Begehung der Körperverletzung zwei oder mehr Beteiligte am Tatort anwesend sind und bewusst durch aktive Tatbeiträge mitwirken (…).

(2) Die bloße Anwesenheit von Personen, die passiv bleiben, rechtfertigt daher die erhöhte Strafdrohung nicht. Das Unterlassen entspricht nicht einer Ver- wirklichung des Qualifikationstatbestandes durch ein Tun (§ 13 Abs. 1 StGB).

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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