Eine datenschutzrechtlich durchaus spannende Frage ist, ob man aus dem Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO das Recht des Prüflings auf Erstellung (kostenfreier) Kopien der Abiturklausur samt Prüferanmerkungen fordern kann. Dies dürfte zu bejahen sein.
Bisherige Rechtsprechung zum Anspruch auf Kopien bei Prüfungen
Die bisherige Rechtsprechung kann kurz zusammengefasst werden, da das Thema hier abgeschlossen ist: Sowohl das Bundesverwaltungsgericht als höchste zuständige Instanz in diesen Fragen (Schulrecht unterfällt dem Verwaltungsrecht), aber auch der EUGH, der als höchstes europäisches Gericht die Datenschutzgrundverordnung auslegt, kommen zu dem Ergebnis: bei berufsbezogenen Prüfungen besteht ein zwingender und unabdingbarer Anspruch auf eine Kopie der Prüfungsleistungen, da diese – Überraschung – natürlich personenbezogene Daten sind.
Anwendung der Rechtsprechung auf Abitur-Klausuren
Nun ist das Abitur keine berufsbezogene Prüfung, sondern eine vorgelagerte Prüfungsleistung – und die Frage drängt sich auf, ob die benannte Rechtsprechung hier einschlägig ist.
Dies dürfte mit Blick auf die eingängige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu bejahen sein, das in seit Jahrzehnten gefestigter Rechtsprechung die allgemeinen (Beurteilungs-)Kriterien von berufsbezogenen Prüfungen und der Abiturprüfung gleich stellt und am Ende:
Auch wenn sich diese Rechtsprechung nur auf die Bewertung von Prüfungsleistungen bezieht, die der Prüfling in berufseröffnenden Prüfungen erbracht hat, gelten diese Grundsätze in gleicher Weise für die Nachprüfung von Prüfungsaufgaben, die Prüfer in einer Abiturarbeit gestellt haben, auf eine etwaige Fehlerhaftigkeit hin.
BVerwG, 6 C 3/95
Vor diesem Hintergrund entwickelt sich eine Rechtsprechung, die keinen Unterschied in der rechtlichen Beurteilung zwischen Abiturprüfung und berufsbezogener Prüfung ziehen möchte:
Beim Abitur handelt es sich ebenfalls um eine berufsbezogene Prüfung. Sie eröffnet zwar nicht unmittelbar den Zugang zu bestimmten Berufen, wohl aber den Hochschulzugang. Sie muss deshalb auch an Art. 12 GG gemessen werden
VG Schleswig, 9 A 107/07
Diese Argumentation ist überzeugend, es ist nicht ersichtlich, warum zwischen einer unmittelbar berufsbezogenen Prüfung oder der Abiturprüfung ernsthaft unterschiedliche verfassungsrechtliche Maßstäbe anzulegen sind.
Anspruch auf Kopien der Abiturklausuren
Wenn man dann dahin kommt, dass das Abitur unmittelbar als berufsbezogene Prüfung einzustufen ist, ist problemlos und unmittelbar die Eingangs zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anwendbar. Eventuell entgegenstehende Regelungen in den Schulgesetzen oder Verordnungen der Bundesländer dürften irrelevant sein, da die DSGVO als höherrangiges und zwingend einzuhaltendes Recht vorgeht. Insbesondere wird es hier kein Geheimhaltungsinteresse geben, anders als in der Privatwirtschaft.
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