Kein Anspruch auf Prüfungsunterlagen bei privatem Sprachtest-Anbieter

Das AG Frankfurt (31 C 2043/22 (78)) hat bestätigt, dass ein privatwirtschaftlicher Anbieter von Sprachtests ein Geheimhaltungsinteresse nach Art. 15 Abs. 4 DSGVO hat, das einem Anspruch auf Kopien der Prüfungsergebnisse entgegensteht. Dabei ging das Gericht auch in diesem Fall einer privatwirtschaftlich erbrachten Prüfungsleistung davon aus, dass der Anspruch auf unentgeltliche Überlassung einer Kopie der verarbeiteten personenbezogenen Daten nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO grundsätzlich auch diese Prüfungsleistungen und die dazugehörigen Prüfergutachten umfasst. Sie verwies insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.

Update: Die Entscheidung des AG wurde inzwischen vom OLG Frankfurt bestätigt!

Die Beklagte hatte jedoch geltend gemacht, dass die Erstellung der von ihr angebotenen Sprachtests, die auch in Einbürgerungsverfahren verwendet werden, mit einem erheblichen wirtschaftlichen Aufwand verbunden sei und zur Gewährleistung der Integrität und Zuverlässigkeit der Ergebnisse der Geheimhaltung bedürfe. Das Gericht schloss sich dieser Auffassung an:

Vorliegend – und was im zitierten, vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall nicht streitgegenständlich war – beruft sich die Beklagte jedoch mit Recht auf ein dem Anspruch im Ergebnis entgegenstehendes Geheimhaltungsinteresse nach Art. 15 Abs. 4 DSGVO.

Nach jener Vorschrift darf das Recht auf Erhalt einer Kopie die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen. Wie sich aus dem bereits vorstehend zitierten Erwägungsgrund Nr. 63 zur ergibt, zählen zum Kreis der anderen Personen im Sinne dieser Vorschrift auch der für die Datenverarbeitung verantwortliche und zu den von der Vorschrift geschützten Rechten auch dessen Geschäftsgeheimnisse und Urheberrechte. Anders als in dem Fall, welcher der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrundelag, wo die öffentliche Hand auf Beklagtenseite stand, ist die hiesige Beklagte insoweit auch Trägerin der Grundrechte auf unternehmerische Freiheit und geistiges Eigentum nach Art. 16, 17 Abs. 2 EUGrdRCh, die gemäß Art. 52 Abs. 1 EUGrdRCh mit dem Grundrecht der Klägerin auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten nach Art. 8 Abs. 1 und 2 EUGrdRCh in praktische Konkordanz zu bringen sind. Dem ist im Rahmen der Abwägung des Auskunftsanspruchs der Klägerin und den von der Beklagten geltend gemachten entgegenstehenden Interessen Rechnung zu tragen. Dabei ist auch zu beachten, dass in Erwägungsgrund Nr. 63 zur DSGVO weiter ausgeführt ist, dass die Rechte anderer Personen nicht dazu führen dürfen, dass der betroffenen Person jegliche Auskunft verweigert wird.

Vorliegend ist das Gericht von den beklagtenseitig streitig vorgetragenen und von der Klägerin zulässigerweise gemäß § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen bestrittenen Geheimhaltungsinteressen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen aufgrund der mit der vorgelegten Unterlagen überzeugt (§ 286 ZPO). Insbesondere aus dem mit Anl. B4 vorgelegten Handbuch zur Entwicklung und Durchführung von Sprachtests ergibt sich ein wissenschaftlich fundiertes und aufwändiges Verfahren unter Beteiligung einer Vielzahl von Personen, womit auch ein erheblicher wirtschaftlicher Aufwand notwendig einhergeht. Die Prüfungsfragen stellen danach auch in rechtlicher Hinsicht Geschäftsgeheimnisse i.S.v. § 2 Nr. 1 GeschGehG und urheberrechtlich geschützte Sprachwerke i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG dar.

Auch die Bedeutung der von der Beklagten angebotenen Sprachtests im Rahmen von Einbürgerungsverfahren, die dabei vergleichsweise hohe Durchfallquote, und in mehr als bloßen Einzelfällen aufgefallene mangelnde Lernmotivation von Prüflingen bei naturgemäß starkem Interesse dieser am Erhalt eines Sprachzertifikats werden durch das beklagtenseitig vorgelegte Informationsblatt des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sowie durch die beklagtenseitig vorgelegten Presseartikel zur Überzeugung des Gerichts belegt. Ob auch das Interesse der Allgemeinheit an einer ordnungsgemäßen Durchführung von Einbürgerungsverfahren auf hinsichtlich der erforderlichen Sprachkenntnisse zutreffend festgestellter Tatsachengrundlage mit dem der Klägerin abzuwägen ist, kann vorliegend dahinstehen. Es ist jedenfalls auch vor diesem Hintergrund eine Beeinträchtigung der unternehmerischen Freiheit der Beklagten zu besorgen, wenn deren Prüfungsaufgaben aufgrund mangelnder Geheimhaltung nicht mehr als hinreichend für die Feststellung von Sprachkenntnissen in Einbürgerungsverfahren angesehen würden und der Beklagten in der Folge ein Nachfragerückgang drohte.

AG Frankfurt, 31 C 2043/22 (78)

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig und in der Berufung anhängig beim LG Frankfurt, 2-01 S 77/23. Sie bietet sich auf keinen Fall an, irgendwelche Rückschlüsse auf staatliche bzw. berufsbezogene Prüfungen im Allgemeinen zu ziehen, hier ist mit dem EUGH längst gesagt, was zu sagen war.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
Benutzerbild von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

Erreichbarkeit: Per Mail, Rückruf, Threema oder Whatsapp

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht / Technologierecht - ergänzt um Arbeitsrecht.