Gesetzentwurf zum Quick Freeze 2024

Heute wurde (endlich) der aktuelle Referentenentwurf zur Einführung des sogenannten “Quick-Freeze”-Verfahrens publiziert: er zielt darauf ab, den Strafverfolgungsbehörden in Deutschland einen rechtssicheren und unionsrechtskonformen Zugang zu digitalen Beweismitteln zu ermöglichen. Dies geschieht als Reaktion auf die rechtlichen Hindernisse, die die Vorratsdatenspeicherung in den vergangenen Jahren blockiert haben. Ich stelle hier nur kurz den Entwurf vor, in der nächsten Auflage der Kommentierung des §174 TKG im BeckOK-StPO, die gegen Ende des Jahres erscheint, werde ich im Detail darauf eingehen.

Hintergrund des Gesetzesentwurfs

Die Vorratsdatenspeicherung war in Deutschland über Jahre hinweg ein umstrittenes Thema. Das Bundesverfassungsgericht erklärte bereits 2010, dass eine anlasslose Speicherung von Verkehrsdaten verfassungswidrig ist. Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich in verschiedenen Urteilen gegen eine allgemeine und unterschiedslose Speicherung von Kommunikationsdaten ausgesprochen. Jüngste EuGH-Urteile, wie das vom April 2024, machten deutlich, dass eine allgemeine Vorratsdatenspeicherung gegen europäisches Recht verstößt und nur in Ausnahmefällen, etwa zur Abwehr schwerer Bedrohungen der nationalen Sicherheit, zulässig ist.

Infolgedessen wurde in Deutschland seit über 14 Jahren keine flächendeckende Vorratsdatenspeicherung durchgeführt. Diese Situation führte zu wiederholter Kritik, da viele Ermittlungsverfahren durch die Flüchtigkeit digitaler Spuren erschwert werden. Der Bedarf an einer neuen Lösung, die den Anforderungen des Datenschutzes gerecht wird und gleichzeitig den Ermittlungsbehörden Zugriff auf wichtige digitale Beweismittel ermöglicht, wurde immer deutlicher.

Warum sind die Änderungen notwendig?

Eine allgemeine Vorratsdatenspeicherung, bei der Daten aller Bürger ohne konkreten Anlass gespeichert werden, ist rechtlich nicht mehr möglich. Gleichzeitig ist es für die Strafverfolgung entscheidend, bei Verdacht auf schwere Straftaten Zugriff auf digitale Kommunikationsdaten zu haben, um Ermittlungen erfolgreich führen zu können. Der neue Gesetzesentwurf schlägt daher vor, ein gezieltes und anlassbezogenes Verfahren einzuführen, das sich auf bereits existierende und zukünftige Verkehrsdaten beschränkt.

Dieses Verfahren wird als “Quick-Freeze” bezeichnet, da es die Möglichkeit bietet, Daten bei Bedarf schnell zu sichern, ohne sie dauerhaft zu speichern. Diese Lösung bietet einen Mittelweg zwischen dem Schutz der Grundrechte und der Notwendigkeit, digitale Spuren für strafrechtliche Ermittlungen zu sichern.

Was wird gesetzlich geregelt?

Der Entwurf sieht vor, dass in § 100g der Strafprozessordnung (StPO) eine Sicherungsanordnung für Verkehrsdaten eingeführt wird. Dies bedeutet, dass Telekommunikationsanbieter anlassbezogen bereits vorhandene und zukünftig anfallende Verkehrsdaten “einfrieren” müssen, sobald der Verdacht auf eine erhebliche Straftat besteht. Diese Daten können dann später von den Strafverfolgungsbehörden erhoben und ausgewertet werden, allerdings nur auf Grundlage einer erneuten richterlichen Anordnung.

Ein zentraler Aspekt ist die richterliche Kontrolle, die sicherstellt, dass diese Maßnahme verhältnismäßig bleibt und nur bei schwerwiegenden Straftaten eingesetzt wird. Die Sicherungsanordnung soll zunächst für maximal einen Monat gelten und kann in Ausnahmefällen zweimal um jeweils einen Monat verlängert werden.

Was bringt Quick-Freeze?

Ermittler laufen Sturm, weil es total untauglich ist. Bürgerrechtler sehen den Untergang des Abendlandes. Für mich liegt die Wahrheit dazwischen, insbesondere sollten Ermittler nicht so tun, als würde das alles gar nichts bringen. Ich selbst rechne damit, dass ohnehin später ergänzende Regelungen kommen, die längere Rückwärtige Speicherungen ermöglichen – die sich neu entwickelnde EUGH-Rechtsprechung lässt dies zu. Zur Erinnerung: Im BeckOK-StPO kommentiere ich die rechtlichen Hintergründe zur Vorratsdatenspeicherung im Rahmen meiner Kommentierung des §174 TKG.

Erste Kritik

Ich hatte frühzeitig an ersten Entwürfen Kritik geübt, insbesondere an der umfassenden Ausgestaltung des §100g StPO, die wohl beibehalten wurde.

Weg des Quick-Freeze

Es ist ein langer Leidensweg, den wir von der Vorratsdatenspeicherung zum Quickfreeze erlebt haben.


Ausblick

Der “Quick-Freeze”-Ansatz stellt eine Lösung dar, die sowohl den Schutz der Grundrechte der Bürger als auch die Erfordernisse der Strafverfolgung berücksichtigt. Durch die anlassbezogene Speicherung von Verkehrsdaten wird eine übermäßige Überwachung der Bevölkerung vermieden, während gleichzeitig ein effektives Instrument zur Bekämpfung schwerer Kriminalität zur Verfügung steht. Dieses Verfahren könnte somit die rechtliche und praktische Lücke füllen, die durch das Verbot der Vorratsdatenspeicherung entstanden ist.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

Erreichbarkeit: Per Mail, Rückruf, Threema oder Whatsapp.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht inkl. IT-Sicherheitsrecht - ergänzt um Arbeitsrecht mit Fokus auf Managerhaftung. Von Verbrauchern werden allein Strafverteidigungen und im Einzelfall Fälle im Arbeitsrecht übernommen!
Rechtsanwalt Jens Ferner

Von Rechtsanwalt Jens Ferner

Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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