Urheberrechtlicher Schutz von Schriftwerken

In der Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg (5 U 51/23) geht es zentral um die Frage des urheberrechtlichen Schutzes von Schriftwerken, insbesondere von Briefen und Tagebucheinträgen.

Die Klägerin forderte die Unterlassung der Veröffentlichung von bestimmten Textpassagen aus Briefen ihrer Großeltern sowie aus Tagebucheinträgen. Sie berief sich dabei auf den Urheberrechtsschutz gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG, wonach auch Sprachwerke geschützt werden, wenn sie als „persönliche geistige Schöpfungen“ anzusehen sind.

Schutzfähigkeit von Schriftwerken

Nach deutschem Urheberrecht können Briefe und Tagebucheinträge dann urheberrechtlich geschützt sein, wenn sie eine „persönliche geistige Schöpfung“ darstellen. Dies ist der Fall, wenn sie sich in ihrer sprachlichen Gestaltung, in ihrer inhaltlichen Tiefe oder in der Darstellung von der alltäglichen Kommunikation abheben. Solche Texte müssen eine individuelle Prägung aufweisen und mehr als nur einfache, alltägliche Mitteilungen enthalten.

Das Gericht stellte jedoch fest, dass die streitgegenständlichen Briefe und Tagebücher größtenteils keine hinreichende individuelle aufweisen. Vielmehr handle es sich um alltägliche Mitteilungen, die zu dieser Zeit üblich waren. Briefe, die lediglich persönliche Wahrnehmungen oder allgemeine Kriegsereignisse schildern, ohne besondere sprachliche Kreativität oder eine besondere gedankliche Tiefe, sind nach deutschem Urheberrecht nicht schutzfähig.

Konkrete Anwendung auf die streitigen Texte

Das Gericht prüfte dabei, ob die übernommenen Textpassagen eine individuelle Prägung aufwiesen, die sie von gewöhnlichen Briefen oder Tagebucheinträgen der damaligen Zeit abhob. Es kam zu dem Ergebnis, dass weder die sprachliche Gestaltung noch der Inhalt der Zitate eine urheberrechtliche Schutzfähigkeit begründen. Selbst bildhafte Beschreibungen oder individuelle Wendungen seien nicht ausreichend, um Urheberrechtsschutz zu begründen, wenn sie im Wesentlichen die damals übliche Sprache der gehobenen Gesellschaftsschicht widerspiegelten.

Rechtliche Beurteilung

Das Hanseatische Oberlandesgericht orientierte sich bei seiner Entscheidung an der ständigen Rechtsprechung, wonach der Urheberrechtsschutz für Sprachwerke, insbesondere bei kürzeren Texten wie Briefen, höhere Anforderungen an die Originalität stellt. So entschied das Gericht, dass die Zitate im konkreten Fall nicht die notwendige Schöpfungshöhe erreichten, da sie weder durch außergewöhnliche Sprachgestaltung noch durch besondere inhaltliche Tiefe auffielen. Insofern lehnte das Gericht die Unterlassungsansprüche der Klägerin ab.

Schlussfolgerung

Die Entscheidung verdeutlicht, dass nicht alle schriftlichen Werke, insbesondere Alltagskommunikation wie Briefe oder Tagebücher, automatisch urheberrechtlichen Schutz genießen. Es ist stets eine Abwägung erforderlich, ob ein Werk eine hinreichend individuelle geistige Schöpfung darstellt. In diesem Fall wurde der urheberrechtliche Schutz verneint, da es sich um einfache Mitteilungen handelte, die keine besondere schöpferische Leistung erbrachten.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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