„Pflichten“ nach §184b V StGB: Was darf ein Bundestagsabgeordneter?

Der Fall von Jörg Tauss ging und geht heute durch die Presse, ich denke, ich muss ihn insofern nicht kommentieren oder erläutern, ansonsten kann man sich hier bei Heise einlesen. Ich fand dabei den Gedanken des ehemaligen Bundestagsabgeordneten, sich auf §184b V StGB zu berufen, gar nicht schlecht. Dieser lautet:

Die Absätze 2 und 4 gelten nicht für Handlungen, die ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen.

Die Idee dabei: Als Bundestagsabgeordneter gibt es eine Pflicht – besonders in bestimmten Positionen, hier: Medienpolitischer Sprecher – sich selbstständig mit relevanten Themen auseinander zu setzen. Das Landgericht Karlsruhe quittiert dies im vorliegenden Fall so:

Dem folgte die Kammer nicht. Nach Auffassung der Kammer war die Vorschrift des § 184b Abs. 5 StGB, die zur Straflosigkeit von Verhaltensweisen wie den angeklagten führt, wenn die Handlungen der Erfüllung dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen, im vorliegenden Fall schon deshalb nicht anwendbar, weil ein Bundestagsabgeordneter nicht zu dem durch die Vorschrift privilegierten Personenkreis zu zählen ist und es ihm schon gar nicht obliegt, – so die anfängliche Einlassung des Angeklagten – einen Kinderpornoring zu „sprengen“.

Ich bin geneigt dem zuzustimmen und möchte es ganz kurz erläutern.

Hinweis: Es geht hier alleine um eine grobe Betrachtung der Frage, ob sich ein Bundestagsabgeordneter bei eigenen Recherchen auf den §184b V StGB berufen kann. Es geht hier nicht um politische oder tatsächliche Überlegungen. Ich habe auch keinerlei Interesse an Diskussionen zur Frage, ob man nun mehr privates oder berufliches Interesse bei Tauss sieht.

Zuerst einmal vorweg: Literatur zum §184b V StGB finde ich kaum, meistens nur allgemeine Ausführungen. Selbst der systematische Kommentar zum StGB, der selbst trivialste Dinge ellenlang ausführt, bietet hier nur einen Satz, der sich im Wesentlichen in einer Wiederholung des Gesetzestextes darstellt. Gefragt ist also die eigene Argumentation.

Die fällt aber auch kaum schwer, wenn man lebensnah und sprachlich genau arbeitet: Der §184b V StGB spricht von „dienstlichen oder beruflichen Pflichten“. Wer im Berufsleben steht weiß dabei, dass „Pflichten“ zwar mit dem Job einhergehen, allerdings „von oben“, also etwa vom Chef oder durch Aufsichtsbehörden, definiert werden. Dies ist auch sprachlich der Unterschied zwischen einer „Pflicht“ und einem „Recht“: Es ist das zwingende „muss“, das einem auferlegt wird.

Eine solche berufliche Pflicht gibt es aber für Abgeordnete nicht. Eine solche hat Tauss meines Wissens auch nicht angeführt (konnte es mangels Existenz auch nicht), sondern meinte, er „musste“ dies tun, um seinen Aufgaben gerecht werden zu können. Zwischen dem selbst auferlegten „müssen“ und dem von außen auferlegten (und mit Sanktionen bei Nichtbefolgung einhergehenden!) „müssen“ liegen aber erhebliche Unterschiede.

Es ist an dieser Stelle ausgerechnet der Art. 38 I GG, der hier Tauss in seiner Argumentation behindert, wenn dort zu Bundestagsabgeordneten steht:

Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

Anders ausgedrückt: Es gibt gerade keine Pflichten für Bundestagsabgeordnete im Rahmen der Ausübung ihres Mandates. Als Tauss meinte, er „musste“ dies tun, hat er bei lebensnaher Betrachtung dann auch keine Pflicht, sondern vielmehr ein Recht angeführt. Das Recht, sich selbst einen Zwang aufzuerlegen und damit privilegiert zu werden. Ein Recht ist aber, schon begrifflich, niemals eine Pflicht.

Das kann man auch – anders beleuchtet – nochmals hervorheben: Auf der Webseite von Tauss ist zu lesen, „warum es notwendig für Bundestagsabgeordnete ist, zu recherchieren“. Auch hier merkt man, dass es nicht um eine „Pflicht“ geht, sondern um eine „Notwendigkeit“. Doch verbleibt ein Problem: Der Bundestag erlässt die Gesetze in Deutschland. Es wäre kein Problem für den Bundestag, eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zu schaffen, die in bestimmten Bereichen selbstständige Recherchen für ausgewählte Mitglieder des Bundestages zulässt. Die Tatsache, dass es solche Regeln für betreffende Mitglieder nicht gibt, spricht sehr stark dafür, dass man im Bundestag nicht die Notwendigkeit für entsprechende Regeln gesehen hat. Schon vor diesem Hintergrund kann es daher nicht möglich sein, dass – schon willkürlich – einzelne Mitglieder entscheiden können, wann eine (selbst auferlegte und strafrechtlich privilegierende) Pflicht im Rahmen des §184b V StGB bestehen soll und wann nicht.

Im Ergebnis ist somit für mich, hier nur ganz kurz dargestellt, der Begriff der „Pflicht“ – wie ihn §184b V StGB nutzt – für einen Bundestagsabgeordneten gar nicht zu erfüllen. Laut aktuellen Presseberichten, wird übrigens die Revision angestrebt – ich bezweifle, dass dies eine kluge Entscheidung ist.

Hinweis: Die Frage, ob man z.B. die Polizei „hinzuzieht“ bei solchen „Ermittlungen“ ist dabei auch materiell-rechtlich nicht ohne Bedeutung – je nach Vorgehen kann hier, durch die Zusammenarbeit mit den Behörden, die Rechtswidrigkeit entfallen. Im Detail habe ich das hier nicht mehr vertieft, da es im vorliegenden Fall ja keine Rolle gespielt hat. Gleichsam ist es von Bedeutung bei der Feststellung der „Pflichten“, ob der Arbeitgeber informiert wurde bzw. auf dessen Veranlassung hin gearbeitet wurde. Konkret ist an Journalisten zu denken – wer hier ohne konkreten Auftrag, ähnlich Tauss, auf vollkommen eigenen Füßen vorgeht, dürfte die Pflicht schwer begründen können. Der allgemeine Auftrag der Presse, die Öffentlichkeit zu informieren, dürfte hier vielleicht eine Rolle spielen – ist aber m.E. nur ein sehr schwaches Argument.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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