Werberecht: Lebensmittel muss bebilderten Inhalt auch vorweisen

Der EUGH (C‑195/14) hat am 4. Juni 2015 einem Kernelement der Lebensmittelwerbung den Todesstoß versetzt: Es ist nicht mehr zulässig, Lebensmittel mit Bildern eines Inhalts zu bewerben, der gar nicht drin ist. Wenn also auf dem Sprudel mit Aroma eine Erdbeere und Himbeere abgebildet ist, aber lediglich „natürliche Aromen“ zugesetzt sind (also gerade keine Erdbeere oder Himbeere, sondern nur entsprechender Geschmack) ist dies eine unzulässige Werbung:

Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i und Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 der 2000/13/EG (…) sind dahin auszulegen, dass es mit ihnen nicht vereinbar ist, dass die Etikettierung eines Lebensmittels und die Art und Weise, in der sie erfolgt, durch das Aussehen, die Bezeichnung oder die bildliche Darstellung einer bestimmten Zutat den Eindruck des Vorhandenseins dieser Zutat in dem Lebensmittel erwecken können, obwohl sie darin tatsächlich nicht vorhanden ist und sich dies allein aus dem Verzeichnis der Zutaten auf der Verpackung des Lebensmittels ergibt.

Das besondere: Es ist ausdrücklich auch dann unzulässig, wenn sich die tatsächlichen Inhaltsstoffe aus der Zutatenliste ergeben. Die Werbe- und Lebensmittelindustrie dürfte nach dieser – richtigen! – Entscheidung in den nächsten Wochen einiges zu tun haben. Und einige weitere Abmahnungen erleben.

Um einen solchen Klassiker ging es auch beim EUGH, der Sachverhalt insoweit:

Im vorliegenden Fall befinden sich zum einen auf der Verpackung des Früchtetees u. a. Abbildungen von Himbeeren und Vanilleblüten, die Angaben „Früchtetee mit natürlichen Aromen“ und „Früchteteemischung mit natürlichen Aromen – Himbeer-Vanille-Geschmack“ sowie ein grafisch gestaltetes Siegel „nur natürliche Zutaten“.

Zum anderen enthält der Tee nach dem auf einer Seite der Verpackung angebrachten Verzeichnis der Zutaten gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2000/13, dessen Richtigkeit und Vollständigkeit nicht bezweifelt werden, natürliche Aromen mit „Vanillegeschmack“ und „Himbeergeschmack“. Es ist also unstreitig, dass der Tee keine natürlichen Zutaten aus Vanille oder Himbeere oder aus Vanille oder Himbeere gewonnenen Aromen enthält.

Diese Werbepraxis wird dementsprechend nunmehr äußerst problematisch und wohl regelmäßig unzulässig sein. Es verbleibt aber natürlich dabei, dass im Einzelfall geprüft werden muss, ob auch tatsächlich eine Irreführung erfolgt. Die Aussagen des EUGH sind aber zugleich sehr eindeutig und wenn Bilder von Obst oder Gemüse erfolgen und dies dann nicht enthalten ist, dann wird der Verbraucher regelmäßig irregeführt, da er eben nicht nur entsprechende Aromen, sondern zumindest Spuren dieser Angaben erwartet.

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Die jeweils damit befassten Gerichte müssen somit in Zukunft in einer Gesamtschau entscheiden, ob die Hervorhebung einzelner Angaben so irreführend ist, dass am Ende durch das Zutatenverzeichnis keine Richtigstellung erfolgen kann und es bei einer Irreführung verbleibt. Ob dazu im Einzelfall eine verkleinerte bzw. abgeschwächte Darstellung angeblich vorhandener Zutaten ausreicht wird sich erst im Laufe der Zeit zeigen.

Beachten Sie dazu auch bei uns:


Aus der Entscheidung:

Im Ausgangsverfahren stellt sich daher die Frage, ob die Etikettierung des Früchtetees geeignet ist, den Käufer irrezuführen, weil sie den Eindruck des Vorhandenseins von Himbeer- und Vanilleblütenzutaten oder aus diesen Zutaten gewonnenen Aromen erwecken könnte, obwohl solche Zutaten oder Aromen darin nicht vorhanden sind.

Die Richtlinie 2000/13 soll ausweislich ihrer Erwägungsgründe 6 und 8 vor allem der Unterrichtung und dem Schutz der Verbraucher dienen, wobei die detaillierte Etikettierung, die Auskunft gibt über die genaue Art und die Merkmale der Erzeugnisse, es so dem Verbraucher ermöglichen soll, sachkundig seine Wahl zu treffen.

Insoweit sieht Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/13 im Einklang mit deren 14. Erwägungsgrund vor, dass die Etikettierung und die Art und Weise, in der sie erfolgt, nicht geeignet sein dürfen, den Käufer irrezuführen, und zwar insbesondere nicht über die Eigenschaften des Lebensmittels, namentlich über seine Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart.

Diese Bestimmung verlangt daher, dass der Käufer über korrekte, neutrale und objektive Informationen verfügt, durch die er nicht irregeführt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Italien, C‑47/09, EU:C:2010:714, Rn. 37).

Hinzu kommt, dass nach Art. 16 der Verordnung Nr. 178/2002, unbeschadet spezifischer Bestimmungen des Lebensmittelrechts, die Kennzeichnung, Werbung und Aufmachung von Lebensmitteln auch in Bezug auf ihre Form, ihr Aussehen oder ihre Verpackung, die verwendeten Verpackungsmaterialien, die Art ihrer Anordnung und den Rahmen ihrer Darbietung sowie die über sie verbreiteten Informationen, gleichgültig über welches Medium, die Verbraucher nicht irreführen dürfen.

Auch wenn die Richtlinie 2000/13 eine spezifische Bestimmung des Lebensmittelrechts im Sinne von Art. 16 der Verordnung Nr. 178/2002 darstellt, bekräftigt diese Vorschrift in Verbindung mit Art. 8 der Verordnung Nr. 178/2002, dass die Etikettierung eines Lebensmittels nicht irreführend sein darf.

Zur Beantwortung der Vorlagefrage ist darauf hinzuweisen, dass es grundsätzlich nicht Sache des Gerichtshofs ist, im Rahmen der Zuständigkeitsverteilung zwischen den nationalen Gerichten und den Gerichten der Union darüber zu entscheiden, ob die Etikettierung bestimmter Erzeugnisse den Käufer oder den Verbraucher irreführen kann, oder darauf einzugehen, ob eine Verkehrsbezeichnung möglicherweise irreführend ist. Dies ist Aufgabe der nationalen Gerichte. Der Gerichtshof kann dem nationalen Gericht jedoch auf dessen hin gegebenenfalls sachdienliche Hinweise für seine Entscheidung geben (vgl. insbesondere Urteile Geffroy, C‑366/98, EU:C:2000:430, Rn. 18 bis 20, und Severi, C‑446/07, EU:C:2009:530, Rn. 60).

Das nationale Gericht muss bei der Beurteilung der Frage, ob eine Etikettierung den Käufer irreführen kann, hauptsächlich auf die mutmaßliche Erwartung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abstellen, die dieser in Bezug auf den Ursprung, die Herkunft und die Qualität des Lebensmittels hegt, wobei es hauptsächlich darauf ankommt, dass der Verbraucher nicht irregeführt und nicht zu der irrtümlichen Annahme verleitet wird, dass das Erzeugnis einen anderen Ursprung, eine andere Herkunft oder eine andere Eigenschaft als in Wirklichkeit hat (vgl. in diesem Sinne Urteil Severi, C‑446/07, EU:C:2009:530, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass Verbraucher, die sich in ihrer Kaufentscheidung nach der Zusammensetzung des Erzeugnisses richten, zunächst das Verzeichnis der Zutaten lesen, dessen Angabe Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2000/13 vorschreibt (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Deutschland, C‑51/94, EU:C:1995:352, Rn. 34, und Darbo, C‑465/98, EU:C:2000:184, Rn. 22).

Der Umstand, dass das Verzeichnis der Zutaten auf der Verpackung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnisses angebracht ist, kann jedoch für sich allein nicht ausschließen, dass die Etikettierung dieses Erzeugnisses und die Art und Weise, in der sie erfolgt, geeignet sein könnten, den Käufer gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/13 irrezuführen.

Die Etikettierung im Sinne von Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2000/13 umfasst nämlich alle Angaben, Kennzeichnungen, Hersteller- oder Handelsmarken, Abbildungen oder Zeichen, die sich auf ein Lebensmittel beziehen und die auf dessen Verpackung angebracht sind. In der Praxis kommt es vor, dass einige dieser verschiedenen Elemente unwahr, falsch, mehrdeutig, widersprüchlich oder unverständlich sind.

Ist dies der Fall, kann das Verzeichnis der Zutaten, auch wenn es richtig und vollständig ist, in bestimmten Fällen gleichwohl nicht geeignet sein, einen falschen oder missverständlichen Eindruck des Verbrauchers bezüglich der Eigenschaften eines Lebensmittels zu berichtigen, der sich aus den anderen Elementen der Etikettierung dieses Lebensmittels ergibt.

Lassen die Etikettierung eines Lebensmittels und die Art und Weise, in der sie erfolgt, insgesamt den Eindruck entstehen, dass dieses Lebensmittel eine Zutat enthält, die tatsächlich nicht darin vorhanden ist, ist eine solche Etikettierung daher geeignet, den Käufer über die Eigenschaften des Lebensmittels irrezuführen.

Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, die verschiedenen Bestandteile der Etikettierung des Früchtetees insgesamt zu prüfen, um festzustellen, ob ein normal informierter und vernünftig aufmerksamer und kritischer Verbraucher über das Vorhandensein von Himbeer- und Vanilleblütenzutaten oder aus diesen Zutaten gewonnenen Aromen irregeführt werden kann.

Bei dieser Prüfung hat das vorlegende Gericht u. a. die verwendeten Begriffe und Abbildungen sowie Platzierung, Größe, Farbe, Schriftart, Sprache, Syntax und Zeichensetzung der verschiedenen Elemente auf der Verpackung des Früchtetees zu berücksichtigen.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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