Wann liegt Versuch beim „Wash-Wash-Verfahren“ vor?

Das Oberlandesgericht Hamm, 4 ORs 111/23, hatte sich zum „Wash-Wash-Verfahren“ zu äußern und musste sich die Frage stellen, wann hier ein Versuch vorliegt – und gleichzeitig klären, ob nun ein Trickdiebstahl oder ein im Tatbestand anzunehmen ist.

Hinweis: Beachten Sie dazu meine kritischen Anmerkungen auf LinkedIn hinsichtlich des menschlichen Faktors …

Mit dem OLG kommt es dabei auf das konkret geplante Vorgehen an:

  • So stellt das OLG fest, dass jedenfalls dann, wenn der Tatentschluss des Täters darauf gerichtet ist, den Geschädigten durch Vortäuschung der Fähigkeit und Bereitschaft, Geldscheine zu vermehren, dazu zu bewegen, seinen Gewahrsam an den Geldscheinen lediglich zu lockern, um dann durch einen Trick unbemerkt an die Geldscheine zu gelangen, es sich rechtlich um einen vorsätzlichen Trickdiebstahl handeln dürfte.
  • Ist der Tatentschluss jedoch darauf gerichtet, den Geschädigten durch Täuschung dazu zu bringen, nicht nur den Gewahrsam an den Geldscheinen aufzugeben, sondern dem Täter sogar den eigenen Gewahrsam an den Geldscheinen einzuräumen – etwa indem dem Geschädigten vorgespiegelt wird, dass die Vermehrung der Geldscheine an einem anderen Ort stattfinden müsse, weshalb der Täter das Geld mitnehmen müsse -, so dürfte es sich in rechtlicher Hinsicht um einen vorsätzlichen Sachbetrug handeln.

Wash-Wash-Verfahren?

Bei der „Wash-Wash-Verfahren“, auch „Schwarzgeldbetrug“ genannt, handelt es sich um eine Betrugsmasche (oder um einen Trickdiebstahl, siehe sogleich), bei der den Opfern vorgegaukelt wird, sie könnten durch das Waschen von angeblich „gefärbtem“ oder „verschmutztem“ Geld einen hohen Gewinn erzielen. Der Betrug läuft in der Regel wie folgt ab:

  1. Vorbereitung: Die Betrüger setzen sich mit dem Opfer in Verbindung und geben vor, über eine große Menge Bargeld zu verfügen, das aus verschiedenen (oft illegalen) Gründen mit einer Substanz beschichtet oder gefärbt wurde, um es „unbrauchbar“ zu machen. Häufig wird behauptet, das Geld stamme aus einem Land außerhalb der EU oder der USA und müsse versteckt oder illegal transportiert werden.
  2. Überzeugung: Um das Opfer zu überzeugen, führen die Betrüger oft eine Demonstration vor. Sie zeigen einige echte Banknoten, die schwarz oder gefärbt sind, und reinigen dann eine oder zwei davon mit einer speziellen Chemikalie, um zu zeigen, dass es möglich ist, das Geld wieder „normal“ aussehen zu lassen. In Wirklichkeit handelt es sich um einen Trick: Die „gereinigten“ Geldscheine waren nie gefärbt, und die ganze Vorführung ist inszeniert.
  3. Investition: Das Opfer wird dann aufgefordert, Geld für Chemikalien oder andere Gebühren zu bezahlen, um den Rest des „verschmutzten“ Geldes zu reinigen. Die Betrüger versprechen oft, dass das Opfer einen Teil des gereinigten Geldes als Belohnung oder Entschädigung behalten darf.
  4. Betrug: Nachdem das Opfer das Geld bezahlt hat, verschwinden die Betrüger mit dem Geld und lassen das Opfer ohne die versprochene Belohnung und oft mit wertlosem gefärbtem Papier zurück.

Aus wertlosem Papier richtiges Geld machen: Das klingt Ihnen zu abenteuerlich? Auch hier gilt: Gier schaltet Hirn aus, es gibt immer wieder Fälle, in denen Menschen darauf hereinfallen. Beim OLG Hamm liest man dann nach, wie es in diesem Fall konkret abgelaufen ist, wobei es hier sogar noch um reines Papier ging, dass man durch Zauberhand in Geld umwandelte:

Im Februar 2019 bot der Q. über das Internet einen Baukran zum Kauf an. Der Angeklagte und der anderweitig verfolgte V. kontaktierten den Zeugen Q. und vereinbarten ein erstes Treffen. Bei diesem Treffen am 04.03.2019, an dem der Zeuge Q. sowie der Angeklagte und der anderweitig verfolgte V. teilnahmen, äußerten diese, noch weitere Baumaschinen im Wert von über 400.000 € kaufen zu wollen, wobei die Zahlung in bar erfolgen sollte.

Bei einem weiteren vereinbarten Treffen am 10.03.2019 brachten der Angeklagte und der anderweitig verfolgte V. einen Tresor mit, in dem sich weißes Blankopapier befand.

Dem Zeugen Q. teilten sie mit, dass in ihrem Heimatland bei Beträgen über 10.000 € es üblich sei, aus Sicherheitsgründen die Geldscheine in Papier umzuwandeln, und diese dann bei Bedarf erneut in Geldscheine umzuwandeln. Auf Verlangen gab der Zeuge Q. dem Angeklagten einen 50 €-Schein, den dieser zwischen zwei Blankopapiere legte. Der anderweitig verfolgte V. beträufelte das Papier mit einer Flüssigkeit. Während der Zeuge Q. abgelenkt wurde, wurden die beiden Papiere in zwei 50 €-Scheine umgetauscht, so dass der Zeuge Q. anschließend insgesamt drei 50 €-Scheine vorfand.

Der Angeklagte und der anderweitig verfolgte V. vereinbarten mit dem Zeugen Q. ein weiteres Treffen und ließen den Tresor mit den in ihm befindlichen Blankopapieren zurück. Der Zeuge Q. verbrachte den Tresor in seine Garage. Anschließend suchte der Zeuge Q. eine Bank auf, die die Echtheit aller drei 50 €-Scheine bestätigte.

Bei einem weiteren Treffen am 12.03.2019 wurde dem Zeugen Q. erklärt, dass sie 50.000 € benötigten, um das Blankopapier in Geld umwandeln zu können. Der Zeuge Q. erklärte, dass er lediglich zwischen 15.000 bis 20.000 € besorgen könne. Es wurde ein weiteres Treffen für den 20.03.2019 vereinbart, für das der Zeuge Q. das Geld besorgen und die Blankopapiere in Geldscheine umgetauscht werden sollten.

Dem Zeugen Q. kamen indes Bedenken und er informierte die Polizei von dem Treffen. Am Tag vor dem 20.03.2019 rief der Angeklagte den Zeugen an und fragte, ob das Geld am nächsten Tag da sei, was dieser bejahte. Am 20.03.2019 erschienen absprachegemäß der Angeklagte sowie der anderweitig verfolgte V. im Büro des Zeugen Q.. Man sprach zwischen zwei bis fünf Minuten über alltägliches. Weder der Angeklagte noch der anderweitig verfolgte V. fragten nach, ob das Geld da sei und wo sich der Tresor befindet, oder verlangten vom Zeugen Q., dass dieser das Geld und die Blankoscheine bringt. Sodann erfolgte der Zugriff der Polizei und der Angeklagte sowie der anderweitig verfolgte V. wurden verhaftet.


Welche Straftat liegt vor?

Aus der Sicht eines Laien liegt natürlich ohne weiteres ein Betrug vor, weil jemand getäuscht wird. Juristisch ist es aber nicht so einfach, hier muss differenziert werden! Zusammenfassend stellt das OLG hierzu fest: Wenn beabsichtigt ist, durch Vortäuschung der Fähigkeit und Bereitschaft, Geldscheine zu vermehren, das Opfer dazu zu bewegen, den Gewahrsam an den Geldscheinen lediglich zu lockern, um dann durch einen Trick unbemerkt an die Geldscheine zu gelangen, so handelt es sich rechtlich gesehen um einen vorsätzlichen Trickdiebstahl. Hier steht letztlich der Gewahrsamsbruch im Mittelpunkt, also ein .

Davon abzugrenzen ist, wenn beabsichtigt war, durch Täuschung sogar dazu zu veranlassen, nicht nur den Gewahrsam an den Geldscheinen aufzugeben, sondern eigenen Gewahrsam an den Geldscheinen zu begründen – etwa indem vorgespiegelt wird, dass die Vermehrung der Geldscheine nicht in den Räumen des Tatopfers erfolgen könne, weshalb das Geld mitgenommen werden müsse. Rechtlich handelt es sich hierbei um einen vorsätzlichen Sachbetrug, da die Täuschung und das dadurch hervorgerufene Verhalten des Tatopfers im Mittelpunkt stehen. Auch wenn hier die Geldscheine ebenfalls den Besitzer wechseln, ist es nicht dasselbe, denn das Tatopfer gibt die Geldscheine freiwillig (wenn auch getäuscht) heraus, es liegt kein „Gewahrsamsbruch“ durch den Täter vor.

Auch ist diese Unterscheidung sehr wichtig: Nicht selten wird bei solchen Taten zu prüfen sein, ob gewerbsmäßiges Handeln vorliegt. Dann droht beim Betrug eine Mindestfreiheitsstrafe von 6 Monaten pro Tat – beim Diebstahl aber nur 3 Monate. Es handelt sich also um eine in der Praxis sehr schnell wirkende Frage, die in der Strafverteidigung entsprechend im Auge behalten werden muss!

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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