Klagerücknahme oder Erledigungserklärung: Keine Rücksichtnahme auf Beklagten

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (4 Ta 12/16) konnte zur Frage ob oder Erledigungserklärung angezeigt sind feststellen, dass es vom Kläger nicht mutwillig ist, den Rechtsstreit durch übereinstimmende Erledigungserklärungen beenden zu wollen anstatt die zurückzunehmen. Dies auch wenn durch den Beschluss gem. § 91a Abs. 1 ZPO erstmals Kosten anfallen, die bei einer Klagerücknahme eben nicht angefallen wären. Ein Kläger muss nämlich nicht auf das Kosteninteresse eines Beklagten Rücksicht nehmen. Dies vor allem, der ein Beklagter ja eine Gebührenprivilegierung bei einer übereinstimmenden Erledigungserklärung durch Abgabe einer Kostenübernahmeerklärung selbst bewirken kann:

Die Beklagte kann bei streitigem Sachverhalt vom Kläger nicht zumutbar verlangen, sich durch eine Klagerücknahme in die Position des gefühlten Verlierers zu begeben, die sie selbst durch eine Kostenübernahmeerklärung nicht einnehmen möchte.


Aus der Entscheidung:

Es ist vielmehr zu beachten, dass das Gesetz bei Eintreten eines erledigenden Ereignisses mehrere Möglichkeiten eines prozessualen Vorgehens vorsieht, die wiederum unterschiedliche Kostenregelungen beinhalten (§ 91a Abs. 1 ZPO, § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO) (LAG Baden-Württemberg 30. September 2015 – 21 Ta 7/15). Sieht das Gesetz selbst aber mehrere Möglichkeiten der Verfahrensbeendigung vor, kann nicht beanstandet werden, wenn zwischen diesen auch tatsächlich ausgewählt wird. Die Partei ist grundsätzlich nicht verpflichtet, ihre Prozesshandlungen an den Kosteninteressen der Gegenseite oder der Arbeitsbelastung des Gerichts auszurichten (Hessisches LAG 14. Mai 2008 – 8/15 Ta 490/07). Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn eine Partei im Rahmen der Abgabe einer bestimmten Prozesserklärung einen Gestaltungsmissbrauch betreibt (LAG Baden-Württemberg 30. September 2015 – 21 Ta 7/15; Hessisches LAG 14. Mai 2008 – 8/15 Ta 490/07).

Allein die Nichtabgabe einer Klagerücknahmeerklärung stellt jedoch keinen Gestaltungsmissbrauch dar. Denn die Beklagte bedurfte keiner Klagerücknahme der Klägerin, um eine Kostenprivilegierung zu erlangen. Sie hätte es auch bei einer übereinstimmenden Erledigungserklärung selbst in der Hand gehabt, die Kostenprivilegierung zu bewirken und somit das Entstehen von Gerichtsgebühren zu verhindern. Gemäß Nr. 8210 Abs. 2 KV-GKG sind nämlich nicht nur Klagerücknahmen privilegiert, sondern auch Erledigungserklärungen, wenn eine Entscheidung über die Kosten nicht ergeht, eine Kostenentscheidung einer zuvor mitgeteilten Einigung der Parteien folgt oder einer Kostenübernahmeerklärung der Beklagten. Hätte also die Beklagte im Zusammenhang mit ihrer Erledigungserklärung eine Kostenübernahmeerklärung abgegeben, wäre sie gleichermaßen gebührenbefreit gewesen wie bei einer Klagerücknahme der Klägerin.

Gerade in Fällen wie vorliegendem, in denen die (ursprüngliche) Begründetheit des geltend gemachten Klageanspruchs zwischen den Parteien noch höchst streitig ist, würde die Erwartung an die Klägerin, die Klage zurückzunehmen, für diese eine „gefühlte Niederlage“ bedeuten. Selbiges gölte für eine Erwartung an die Beklagte, sich durch Kostenübernahmeerklärung gewissermaßen selbst in Rolle der Unterlegenen zu begeben, die nicht ihrer eigenen Einschätzung der Prozessaussichten entspricht. Es kann somit bei streitigem Sachverhalt die Beklagte von der Klägerin nicht zumutbar verlangen, dass diese sich durch Klagerücknahme in eine Position begibt, die sie selbst durch eine Kostenübernahmeerklärung nicht einnehmen möchte. In diesen Fällen kann deshalb selbst das Verursachen von Kosten, die bei einer anderen Verfahrenserledigung nicht angefallen wären, jedenfalls nicht als rechtsmissbräuchlich beanstandet werden.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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