In einem wegweisenden Urteil (Az. VI ZR 223/21) hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Anforderungen und Reichweite des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO konkretisiert. Diese Entscheidung beleuchtet, welche Daten und Dokumente Betroffene von Verantwortlichen verlangen können und wie weit der Anspruch auf Kopien reicht. Der Fall betraf eine Klägerin, die von ihrer Versicherung umfassende Auskünfte und Kopien von Daten zu ihrem Versicherungsvertrag verlangte, um ein Widerrufsrecht zu prüfen.
Sachverhalt
Die Klägerin hatte im Jahr 2004 eine fondsgebundene Rentenversicherung abgeschlossen, die 2016 gekündigt und 2017 abgerechnet wurde. Im April 2019 verlangte sie von der Beklagten gemäß Art. 15 DSGVO Auskunft über ihre personenbezogenen Daten sowie Kopien der entsprechenden Dokumente.
Die Versicherung gab einige Informationen heraus, verweigerte jedoch die Herausgabe bestimmter Dokumente und detaillierterer Auskünfte. Die Klägerin klagte daraufhin auf umfassendere Auskünfte und Kopien.
Rechtliche Analyse
Art. 15 DSGVO
Art. 15 Abs. 1 DSGVO gibt Betroffenen das Recht, Auskunft über die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu verlangen. Art. 15 Abs. 3 DSGVO erweitert dies um das Recht, eine Kopie dieser Daten zu erhalten.
- Personenbezogene Daten: Der BGH bestätigte, dass alle von der Klägerin verfassten Erklärungen, die bei der Beklagten gespeichert sind, personenbezogene Daten darstellen und daher unter Art. 15 DSGVO fallen. Diese Dokumente müssen vollständig als Kopien herausgegeben werden, da die personenbezogenen Informationen untrennbar mit dem Dokument selbst verbunden sind.
- Erklärungen der Beklagten und Buchungsvorgänge: Auch Erklärungen der Beklagten an die Klägerin oder an Dritte sowie Buchungsvorgänge, die Informationen über die Klägerin enthalten, fallen unter den Auskunftsanspruch. Allerdings müssen nur die personenbezogenen Daten herausgegeben werden, nicht zwingend das gesamte Dokument. Die Beklagte kann also nicht personenbezogene Teile schwärzen, bevor sie die Dokumente herausgibt.
- Kontextualisierung: Der BGH stellte klar, dass in bestimmten Fällen auch Auszüge oder ganze Dokumente herausgegeben werden müssen, wenn dies notwendig ist, um die Daten verständlich zu machen. Diese Kontextualisierung ist erforderlich, um Betroffenen die wirksame Ausübung ihrer Rechte zu ermöglichen.
Abgrenzung zu anderen Anspruchsgrundlagen
- Versicherungsvertragsgesetz (VVG): Ein Anspruch auf Kopien von Dokumenten kann sich auch aus dem VVG ergeben, jedoch nur, wenn der Versicherungsschein verloren gegangen ist und ein neuer benötigt wird. Im vorliegenden Fall war das Versicherungsverhältnis bereits beendet, sodass dieser Anspruch nicht greift.
- BGB: Nach § 810 BGB besteht ein Anspruch auf Einsichtnahme in Dokumente, die im Besitz einer anderen Person sind, wenn ein rechtliches Interesse besteht. Dieser Anspruch ermöglicht jedoch keine umfassende Herausgabe von Kopien wie nach der DSGVO.
- Treu und Glauben (§ 242 BGB): Ein allgemeiner Auskunftsanspruch nach Treu und Glauben kann bestehen, wenn der Berechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist. Dies muss jedoch detailliert dargelegt werden, was im vorliegenden Fall nicht geschehen war.
Fazit
Die Entscheidung des BGH stärkt die Rechte von Betroffenen nach der DSGVO, indem sie die Pflichten der Verantwortlichen zur Herausgabe von Daten und Dokumenten konkretisiert. Betroffene können nicht nur Auskunft über ihre personenbezogenen Daten verlangen, sondern in vielen Fällen auch Kopien der gesamten Dokumente, die diese Daten enthalten. Diese Klarstellungen tragen zur Transparenz und zum Schutz der persönlichen Daten bei, indem sie sicherstellen, dass Betroffene umfassend informiert werden und ihre Rechte effektiv wahrnehmen können.
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