Heutzutage werden Telekommunikationsverträge gerne längerfristig angeboten – was zugleich aber schnell mit dem Alltag kollidiert. Wer plötzlich umziehen will oder muss, der kann dann feststellen, dass sein TK-Vertrag als „Fessel“ erweist, insbesondere wenn am neuen Wohnort der bisherige Anbieter gar keinen Anschluss bieten kann. Früher gab es diesbezüglich keine gesetzliche Regelung und mit dem Bundesgerichtshof im Ergebnis auch kein Sonderkündigungsrecht (zu der Entscheidung siehe sogleich folgend).
Seit dem Mai 2012 gilt mit §46 VIII TKG im Kern folgendes:
- Bei einem Umzug hat der Anbieter die geschuldete Leistung am Umzugsort zu erbringen
- Sofern zusätzliche Kosten durch den Wechsel beim Anbieter entstehen, kann dieser ein „angemessenes Entgelt“ verlangen
- Wenn die Leistung nicht angeboten wird, kann der umgezogene Verbraucher mit 3-Monatsfrist zum Ende des Kalendermonats kündigen
Und so seltsam es klingt: Das Argument der Entscheidung ist alles andere als abwegig.
So liest man zu der Frage, ob ein „wichtiger Grund“ vorliegt in der Mitteilung des BGH folgendes:
Ein solcher Grund besteht grundsätzlich nicht, wenn er aus Vorgängen hergeleitet wird, die dem Einfluss des anderen Vertragspartners entzogen sind und der Interessensphäre des Kündigenden entstammen.
Oder verständlich: Der Grund stammt alleine aus der Sphäre des Kunden, er ist es „selber schuld“, wenn er umzieht. Das ist insofern, um ehrlich zu sein, nichts neues bei der Kündigung aus „wichtigem Grund“.
Letztlich finde ich das Urteil dennoch nicht überzeugend, wird man doch gezwungen, für eine Gegenleistung zu zahlen, die man gar nicht mehr in Anspruch nehmen kann. Da beisst sich am Ende dann doch etwas. Auch diese Ausführungen überzeugen mich nicht:
Hinzu trat im Streitfall, dass die vergleichsweise lange Laufzeit des DSL-Anschlussvertrags die wirtschaftliche „Gegenleistung“ des Klägers für einen niedrigen monatlichen Grundpreis war und auch ein Vertragsschluss mit kürzerer Laufzeit oder monatlicher Kündbarkeit zu höheren Kosten möglich gewesen wäre. Zudem amortisierten sich die Investitionen des Unternehmens, das dem Kunden insbesondere die notwendige technische Ausrüstung (Router, WLAN-Stick) zur Verfügung stellte, erst innerhalb des zweiten Vertragsjahrs.
Das ist nichts, was man mit einer ordentlichen Rückabwicklung, ggfs. mit einer genau ausgerechneten „Ablösesumme“ nicht in den Griff bekommen könnte. Auch eine Sonderkündigung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage lehnt der BGH ab mit den Worten:
Auch bei Anwendung des § 313 BGB ist zu beachten, dass grundsätzlich jede Partei ihre aus dem Vertrag ersichtlichen Risiken selbst trägt (BGH, Urteil vom 30. April 2009 – I ZR 42/07 – BGHZ 181, 77 Rn. 71). Insbesondere kann derjenige, der die entscheidende Änderung der Verhältnisse, wie hier den Umzug, selbst bewirkt hat, aufgrund dieser Änderung keine Rechte herleiten (BGH aaO). Umstände, die ausnahmsweise ein Abweichen von diesen Grundsätzen rechtfertigen könnten, bestehen aus den vorstehenden Gründen nicht.
Auch hier befremdet die sehr kurze Begründung. Gleichwohl ändert das nichts am Ergebnis, immerhin bleibt den Gerichten im Einzelfall die Möglichkeit der abweichenden Entscheidung, wenn besondere Umstände vorgetragen werden. Eventuell, wenn der Umzug auf Grund beruflich zwingender Umstände angezeigt war, bietet sich dann doch eine Lösung?
Daher: Die Lösung – jedenfalls mit Blick auf die Frage des Vorliegens eines wichtigen Grundes – ist „technisch“ m.E. nicht angreifbar und korrekt – aber es wirkt doch so, als ob der BGH sich hier nicht die Mühe gegeben hat, die er sich hätte geben können. Auf Verbraucher kommen damit jedenfalls beim Umzug harte Zeiten zu.
Hinweis: Beachten Sie dazu auch die Entscheidung des BGH bei uns, derzufolge ein Anspruch auf Schaltung eines Anschlusses besteht – und sich hieraus ein Sonderkündigungsrecht ergeben kann!
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