Fotorecht: Keine konkludente Einwilligung in Veröffentlichung von Fotografien wegen Teilnahme an öffentlicher Veranstaltung

Das OLG Frankfurt am Main (16 U 251/15) hat klar gestellt, dass alleine in der Teilnahme an einer öffentlichen Veranstaltung keine (konkludente) Einwilligung für die Veröffentlichung von herausgeschnittenen Einzelbildern einer Person vorliegt:

Ein Bildnis wird nicht gleichsam dadurch zum allgemeinen Gebrauch freigegeben, weil der Abgebildete sich in einem öffentlichen Raum bewegt und weiß, dass dort Fotos gefertigt werden. Denn die Teilnahme an einer öffentlichen Demonstration ist zweckbestimmt. Sie dient der Kundgabe der Überzeugung, die Ziele der Veranstaltung zu teilen und zu unterstützen und dafür mit seiner Person offen einzutreten. Auf andere Zwecke kann dieser Wille nicht übertragen werden.


Interessant sind auch die zusammenfassenden Ausführungen des OLG zum abgestuften Prüfkonzept:

Die Kammer des Landgerichts beurteilt die Zulässigkeit der Bildveröffentlichung im Ansatz auch zu Recht nach dem abgestuften und von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgeprägten Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG, das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (BVerfG vom 14.09.2010 – 1 BvR 1842/08) als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrecht in Einklang steht (BGH vom 13.04. 2010 – VI ZR 125/08 – „Charlotte im Himmel“ Rn 12 ff mwN; EGMR vom 7.02.2012 – 39954/08 – Axel Springer AG; BGH Urteil vom 21.04.2015 – VI ZR 245/14 zitiert nach iuris). Danach dürfen Bildnisse einer Person ohne deren Einwilligung nach § 23 Abs. 1 KUG ausnahmsweise verbreitet werden, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt und durch die Verbreitung die berechtigten Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden (§ 23 Ab. 2 KUG). Dabei erfordert schon die Beurteilung, ob Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte vorliegen, eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK einerseits und dem Recht der Presse und Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK (BGH aaO mit mwN.) anderseits. Vorliegend ist auf Seiten des Beklagten die Informations- und Meinungsäußerungsfreiheit, nicht aber die betroffen. Auch in diesem Zusammenhang ist der Begriff des Zeitgeschehens weit auszulegen. Er umfasst alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse, nicht nur Vorgänge von historischer Bedeutung (BGH vom 13.04. 2010 – VI ZR 125/08 – „Charlotte im Himmel“ Rn 12 ff mwN). Ausgehend vom Informationswert der Nachricht ist dabei für die Abwägung von maßgeblicher Bedeutung, ob der Berichtende eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtert, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllt und zur öffentlichen Meinungsbildung beiträgt oder lediglich die Neugier der so Informierten oder andere Bedürfnisse befriedigt. Dabei ist der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung im Gesamtkontext, in den das Personenbildnis gestellt ist, zu ermitteln, insbesondere unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung (BGH aaO „Charlotte im Himmel“, Rn 14). Hierbei sind die kollidierenden Rechtspositionen in der Abwägung in einen möglichst schonenden Ausgleich zu bringen, insbesondere auch zu prüfen, ob und inwieweit die Abbildung der Person für die Nachricht erforderlich ist. Dabei ist von dem Informationswert der Wortbildberichtbestattung im Gesamtkontext auszugehen (zum Ganzen ferner: BGH vom 18.10.2011 – VI ZR 5/10 – Die lange Nacht der GOLDKINDER“; BVerfG Beschluss vom 14.09.2010 1 BvR 1842/08; BGH Urteil vom 21.04.2015 – VI ZR 245/14 Rn14 ff.). Bei der Abbildung von unbekannten Personen, die im Zusammenhang mit einem Ereignis von allgemeinem öffentlichen Interesse zufällig mit abgebildet werden, ist ebenfalls eine Interessenabwägung erforderlich, dabei ist aber den Persönlichkeitsrechten des Betroffenen besonders Rechnung zu tragen (BGH Urteil vom 21. April 2015 – VI ZR 245/14, Rn 21), zitiert nach […]).

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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