Biotechnologie: BiotechCrime als Schnittstelle von Biotechnologie und Strafrecht

Biotechnologie reicht von der klassischen Gentechnik über die Entwicklung personalisierter Medizin bis hin zur synthetischen Biologie, die biologische Systeme nach Baukastenprinzip verändert. Dank CRISPR-Cas9 kann DNA gezielt editiert werden, während biotechnologische Verfahren zunehmend in die industrielle Produktion einfließen – sei es zur Herstellung von Medikamenten, künstlichen Organismen oder sogar Drogen. Doch wo Innovationen sprießen, gibt es auch rechtliche und ethische Fallstricke.

Die Biotechnologie eröffnet nicht nur ungeahnte medizinische und wirtschaftliche Chancen, sondern birgt auch erhebliche Risiken, insbesondere im Bereich der Kriminalität. Diese neue Dimension strafrechtlich relevanter Tatbestände wird von mir unter dem Schlagwort „BiotechCrime“ zusammengefasst.

Biotechnologie als neues Spielfeld der Kriminalität

Traditionell war Biotechnologie das Arbeitsfeld von Forschungslaboren und Pharmaunternehmen. Doch mit der zunehmenden Demokratisierung des Wissens – Stichwort „Biohacking“ – und dem einfachen Zugang zu Gentechnik entstehen neue Gefahren. Schon heute kann man mit einer einfachen Bestellung im Internet an genetisches Material gelangen, mit dem sich biologische Substanzen herstellen lassen, die früher den Hochsicherheitslaboren vorbehalten waren. Während Cybercrime längst eine etablierte Bedrohung ist, wächst nun eine neue Kategorie der Kriminalität heran: Straftaten, die direkt aus der Anwendung biotechnologischer Methoden resultieren.


Biotechnologie und Strafrecht: aktuelle und absehbare Herausforderungen

In verschiedenen Bereichen führt die Biotechnologie zu strafrechtlich relevanten Sachverhalten, ich habe mir dazu ein paar besondere Zukunftsszenarien ausgesucht und gehe danach auf die Kombination von Cyberkriminalität und Biotechnologie ein.

1. Herstellung illegaler Substanzen durch synthetische Biologie

Ein Beispiel für BiotechCrime ist die gentechnische Produktion von Betäubungsmitteln. Wissenschaftler haben bereits gezeigt, dass modifizierte Hefezellen Morphin oder andere Opiate aus einfachen Zuckern synthetisieren können. Während die pharmazeutische Forschung auf diesem Wege eine sichere und kontrollierte Herstellung von Medikamenten anstrebt, besteht die Gefahr, dass auch Kriminelle diese Technik nutzen. Sollte es gelingen, synthetische Drogen in Heimlaboren mit einfachen Mitteln zu produzieren, könnte dies bestehende Drogengesetze untergraben und die Verfügbarkeit illegaler Substanzen drastisch erhöhen.

2. (Privates) Biohacking

Do-it-yourself-Biologie ist längst Realität. Biohacker experimentieren in privaten Laboren mit der Genetik von Mikroorganismen und Pflanzen. Der Blick soll zunächst auf die Baukästen, die Gen-Bastelsets, gelenkt werden: Abhängig vom konkreten “DIY-Kit” kann nämlich das Gentechnikrecht zur Anwendung kommen. Dies ist immer dann der Fall, wenn der “Bastelsatz” gentechnisch veränderte Organismen (GVO) enthält oder GVO damit hergestellt werden. Solche gentechnischen Arbeiten dürfen nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Gentechnikgesetz (GenTG) nur in gentechnischen Anlagen, d.h. in geeigneten, behördlich überwachten Laboratorien unter Aufsicht eines sachkundigen Projektleiters durchgeführt werden. Wer also DIY-Kits bestellt und entsprechend außerhalb gentechnischer Anlagen verwendet, riskiert nach § 38 Abs. 1 Nr. 2 GenTG eine Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro. Werden bei der Verwendung der DIY-Kits GVO freigesetzt, droht nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 GenTG sogar Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Die deutschen Behörden warnen seit Jahren davor, man hat das Thema also auf dem Schiem!

Während letztlich viele dieser Arbeiten harmlos sind – etwa die Untersuchung der eigenen DNA oder die Züchtung fluoreszierender Bakterien – stellt sich die Frage, was passiert, wenn jemand gefährliche Pathogene modifiziert. Theoretisch könnte mit einer gut ausgestatteten Heimlabor-Ausrüstung und entsprechenden Kenntnissen ein hochgefährlicher Erreger wie ein manipuliertes Influenza-Virus gezüchtet werden. Während chemische Waffen und Sprengstoffe bereits umfassend reguliert sind, stellt die biologische Kriegsführung eine schwer kontrollierbare Bedrohung dar.

3. Import von DIY-Kits

Auf die Einfuhr von DIY-Kits ist als gesondertes Problem hinzuweisen: Im Internet können seit langem Gentechnik-Kits aus dem Ausland bestellt werden, die bereits gentechnisch veränderte Organismen (GVO) enthalten, die nicht für das Inverkehrbringen zugelassen sind. Teilweise sind diese Gentechnik-Kits Bestandteil von Online-Kursen zum Thema „Biohacking“. Wer solche Kits bestellt und damit nicht in einem behördlich überwachten Labor gesetzlich erlaubte gentechnische Arbeiten durchführt, begeht eine Ordnungswidrigkeit:

Durch die Bestellung werden die in den entsprechenden Gentechnik-Kits enthaltenen GVO in den Verkehr gebracht, sobald sie nach Deutschland gelangen. Dies stellt bereits eine Ordnungswidrigkeit nach § 38 Abs. 1 Nr. 7 GenTG dar. Entsprechende Sendungen können daher vom Zoll beschlagnahmt werden. Außerdem kann eine Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro verhängt werden.

4. Datenschutz und genetische Identität

Die Digitalisierung der Biotechnologie geht mit einer massiven Sammlung genetischer Daten einher. Firmen wie 23andMe oder AncestryDNA analysieren das Erbgut ihrer Kunden – oft verbunden mit der Möglichkeit, genetische Verwandtschaftsverhältnisse offenzulegen. Doch was passiert, wenn solche Daten in die falschen Hände geraten? Der Fall des Datenlecks bei 23andMe, bei dem genetische Informationen von Tausenden Menschen abgegriffen wurden, zeigt die Gefahren. Identitätsdiebstahl erhält eine neue Dimension, wenn nicht nur persönliche, sondern genetische Identitäten missbraucht werden können.

5. Unerlaubte Eingriffe in die menschliche Keimbahn

Die Möglichkeit, mit CRISPR-Technologie Gene zu verändern, bringt ethische und strafrechtliche Herausforderungen mit sich. Während Eingriffe in die menschliche Keimbahn in den meisten Ländern streng verboten sind, wurde in China bereits ein Fall bekannt, in dem Embryonen genetisch manipuliert wurden. Solche Fälle werfen die Frage auf, wie man illegale Genveränderungen nachweisen und strafrechtlich ahnden kann. Die Grenzen zwischen medizinischem Fortschritt und strafbarer Genmanipulation sind fließend und stellen Juristen vor völlig neue Herausforderungen.

Rechtsanwalt Ferner zu Biotechnologie und Strafrecht: Komplexe Anforderungen

Biotechnologie und Cyberkriminalität: Komplexe Anforderungen

Zur Früherkennung und Prävention von BiotechCrime ist eine interdisziplinäre und sektorübergreifende Strategie erforderlich. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf die Verbindung zwischen Biotechnologie und Cyberkriminalität gelegt werden, da die beiden Bereiche Biotechnologie und Informationstechnologie immer stärker miteinander verschmelzen. Denn: Moderne Labore und biotechnologische Infrastrukturen sind zunehmend digitalisiert im Sinne von Vernetzt – und damit anfälliger für Cyber-Angriffe. Im Fokus stehen insbesondere medizinische Geräte und Krankenhäuser, Forschungsdatenbanken sowie DNA-Synthese und automatisierte Laborprozesse, die durch digitale Steuerung angreifbar sind. Über diese klassischen Szenarien hinaus muss das Risiko berücksichtigt werden, dass digitale Plattformen zur Entwicklung und Verbreitung gefährlicher biologischer Konstrukte missbraucht werden. Speziell können Anleitungen zur Herstellung gefährlicher Organismen verbreitet oder direkt als DNA-Code gehackt und an Syntheselabore gesendet werden, wie wir es vom 3D-Druck schon kennen.

  • Missbrauch der Cyber-Infrastruktur in der Biotechnologie: Angriffe auf medizinische Geräte, Krankenhäuser und Unternehmensdatenbanken sind als besonders relevante zukünftige Straftaten zu erkennen. Akute Sorge muss das Erpressungspotential von Menschen bei Hacking von Implantaten wie Herzschrittmachern machen.
  • Verschiedene Sichtweisen auf Biotechnologie-Missbrauch: Es darf das Blickfeld nicht verengt werden auf die klassischen Bedrohungsszenarien wie staatlich gelenkten Missbrauch oder Wirtschaftsspionage fokussierten – tatsächlich bietet sich eine größere Bandbreite an möglichen Szenarien, bei denen man es sich regulatorisch nicht leisten kann, darauf zu warten, dass sie überhaupt mal existieren.
  • Notwendigkeit von präventiven Maßnahmen: Eine verstärkte öffentliche Bildung über Biotechnologie-Sicherheit und gezielte finanzielle Förderung für Sicherheitsmaßnahmen ist absolut notwendig.
  • Synthese von biologischen Waffen oder illegalen Substanzen: Mit der zunehmenden Verbreitung von CRISPR-Cas9 und anderen gentechnischen Methoden wächst das Risiko, dass Bio-Technologien für kriminelle Zwecke genutzt werden. Durch Cyber-Fähigkeiten bieten sich dezentrale Angriffsstrukturen terroristischer Organisationen, die an Zellen vor Ort nur noch Anleitungen und Baupläne zur Kreation gefährlicher Stoffe verteilen.

Strafrechtliche Orientierung rund um die Biotechnologie

Das Strafrecht hat sich mit der Biotechnologie bislang nur punktuell befasst. Klassische Gesetze wie das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) oder das Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG) erfassen einige Aspekte von BiotechCrime, doch die Entwicklungen der synthetischen Biologie erfordern neue Regelungen.

Im Zentrum stehen derzeit die Gentechnik und Stammzellenforschung, die sich im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlichem Fortschritt und regulatorischen Grenzen zeigen. In Deutschland regeln das Gentechnikgesetz (GenTG) und das Stammzellgesetz (StZG) die Rahmenbedingungen für den Umgang mit diesen Technologien. Beide Gesetze beinhalten strafrechtliche und bußgeldrechtliche Konsequenzen für Verstöße gegen die gesetzlichen Vorschriften, um Risiken für Mensch, Umwelt und ethische Grundwerte einzudämmen.

Das Gentechnikgesetz verfolgt das Ziel, Leben, Gesundheit und Umwelt vor den potenziellen Gefahren gentechnischer Verfahren zu schützen. Es stellt klare Anforderungen an Sicherheitsmaßnahmen, insbesondere bei gentechnischen Arbeiten in Laboren und bei der Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen. Wer ohne die erforderliche Genehmigung gentechnische Arbeiten durchführt oder gentechnisch veränderte Organismen in Verkehr bringt, kann sich strafbar machen. Besonders schwerwiegende Verstöße, etwa wenn durch Fahrlässigkeit oder Vorsatz erheblicher Schaden entsteht, können mit Freiheitsstrafe geahndet werden. Auch der Datenschutz spielt eine Rolle: Informationen über gentechnische Verfahren oder Anlagen unterliegen besonderen Geheimhaltungspflichten, deren Missachtung ebenfalls sanktioniert wird. Gleichzeitig sieht das Gesetz umfangreiche Bußgeldvorschriften vor, um Verstöße auch ohne direkte strafrechtliche Konsequenzen zu ahnden und so eine präventive Wirkung zu erzielen.

Neben der Gentechnik wirft auch die Stammzellenforschung heikle Fragen auf, die weit über den technischen Fortschritt hinausgehen. Das Stammzellgesetz untersagt grundsätzlich die Einfuhr und Verwendung embryonaler Stammzellen, macht aber unter strengen Auflagen Ausnahmen für Forschungszwecke möglich. Voraussetzung für eine Genehmigung ist unter anderem, dass die verwendeten Stammzellen nicht speziell für die Forschung erzeugt wurden, sondern aus überzähligen Embryonen stammen, die im Rahmen einer künstlichen Befruchtung nicht mehr benötigt wurden. Zudem darf ihre Gewinnung nicht gegen fundamentale Prinzipien der deutschen Rechtsordnung verstoßen haben. Verstöße gegen das Stammzellgesetz können mit empfindlichen Strafen geahndet werden. Besonders schwer wiegen Verstöße gegen das Embryonenschutzgesetz, das im Kontext der Stammzellenforschung ebenfalls relevant ist und unter anderem das gezielte Erzeugen von Embryonen zu Forschungszwecken unter Strafe stellt.

Das Geschäftsgeheimnisschutzgesetz spielt ergänzend bei der illegalen Nutzung biotechnologischer Innovationen eine Rolle – etwa, wenn gestohlene Forschungen oder Forschungsdaten für illegale Zwecke verwendet werden. Weiterhin sind Fragen der Verantwortung und Haftung in der Biotechnologie offen. Wer haftet, wenn eine genetische Manipulation unerwartete Nebenwirkungen hat? Ist der Biohacker, der in seinem Labor mit CRISPR experimentiert, verantwortlich für unbeabsichtigte Mutationen? Solche Fragen erfordern neue juristische Abwägungen.

Rechtsanwalt für Biotechnologie - BiotechCrime: Schnittstelle von Biotechnologie und Strafrecht bei Rechtsanwalt Ferner

Die Gesellschaft steht vor einer entscheidenden Frage: Wie kann man Innovationen in der Biotechnologie ermöglichen, ohne die Tür für Kriminalität und Missbrauch weit zu öffnen? Zugleich müssen Forscher, gleich ob in der Wissenschaft oder Wirtschaft, die strafrechtlichen Risiken sehen, die mit dieser Arbeit verbunden sind. Compliance allein wird nicht helfen, auch wenn gute Compliance-Strukturen zwingend sind.

Fazit: „Biotechnologie-Strafrecht“?

Die Biotechnologie entwickelt sich rasant – schneller als das Strafrecht hinterherkommt. Während klassische Straftatbestände wie Drogenhandel, Datenmissbrauch oder Terrorismus auch biotechnologische Straftaten erfassen können, fehlt es oft an spezifischen Regelungen für neue Tatbestände. Der technologische Fortschritt wirft die Frage auf, ob wir ein eigenes „Biotechnologie-Strafrecht“ benötigen, das den besonderen Risiken dieser Wissenschaft Rechnung trägt.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

Erreichbarkeit: Per Mail, Rückruf, Threema oder Whatsapp.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht inkl. IT-Sicherheitsrecht - ergänzt um Arbeitsrecht mit Fokus auf Managerhaftung. Von Verbrauchern werden allein Strafverteidigungen und im Einzelfall Fälle im Arbeitsrecht übernommen!
Rechtsanwalt Jens Ferner

Von Rechtsanwalt Jens Ferner

Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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