Eine weitere Entscheidung zur Rückabwicklung eines Vertrages über eine Photovoltaikanlage hat nunmehr das Landgericht Rostock (Az. 2 O 316/24) getroffen: Im Zentrum des Falls stand die Frage, ob der Käufer einer Solaranlage aufgrund einer nachträglichen Leistungsbeschränkung des Batteriespeichers durch den Hersteller vom Vertrag zurücktreten konnte.
Das Gericht stellte fest, dass der Käufer berechtigt war, einen Teilrücktritt zu erklären und eine Rückzahlung der auf den Batteriespeicher entfallenden Kaufpreisanteile zu verlangen. Die Entscheidung beleuchtet nicht nur das Verhältnis zwischen Kauf- und Werkvertragsrecht, sondern auch die Anforderungen an die Mangelhaftigkeit eines technischen Produkts und die Folgen eines externen Eingriffs durch den Hersteller.
Sachverhalt
Der Kläger beauftragte die Beklagte mit der Lieferung und Installation einer Photovoltaikanlage samt Batteriespeicher und Wallboxen. Der Batteriespeicher wurde in Betrieb genommen, erlitt jedoch kurze Zeit später eine Leistungsdrosselung auf 70 %, nachdem der Hersteller aufgrund von Brandvorfällen bei diesem Modell eine Fernwartung durchführte. Zudem stellte sich heraus, dass das Batteriemanagementsystem fehlerhaft arbeitete, da es nicht verhinderte, dass das Elektrofahrzeug des Klägers mit Strom aus dem öffentlichen Netz anstelle von Solarstrom geladen wurde.
Der Kläger setzte der Beklagten eine Frist zur Mangelbeseitigung, die erfolglos verstrich. Daraufhin erklärte er den Teilrücktritt und forderte eine anteilige Rückzahlung des Kaufpreises. Die Beklagte bestritt das Vorliegen eines Mangels und argumentierte, dass sie für nachträgliche Eingriffe des Herstellers nicht verantwortlich sei.
Rechtliche Würdigung durch das LG Rostock
1. Einordnung des Vertrags als Bauvertrag
Das LG Rostock ordnete den Vertrag als Bauvertrag ein, da die Photovoltaikanlage nicht nur geliefert, sondern fest auf dem Dach montiert und in Betrieb genommen wurde. Damit war nicht das Kaufrecht, sondern das Werkvertragsrecht nach §§ 631 ff. BGB anwendbar.
Die Einordnung als Bauvertrag hatte zur Folge, dass der Kläger nicht auf die kaufrechtliche Gewährleistung beschränkt war, sondern nach § 323 BGB zurücktreten konnte, sofern eine Pflichtverletzung der Beklagten vorlag.
2. Pflichtverletzung durch Mangelhaftigkeit des Batteriespeichers
Das Gericht stellte fest, dass der Batteriespeicher mangelhaft war. Die Mangelhaftigkeit ergab sich aus zwei Aspekten:
- Reduzierte Speicherkapazität: Der Batteriespeicher wurde mit einer Kapazität von 100 % verkauft, konnte aber nach der Drosselung durch den Hersteller nur noch 70 % nutzen. Das LG Rostock wertete dies als Abweichung von der vertraglich geschuldeten Beschaffenheit. Die Beklagte argumentierte, dass es sich um eine Sicherheitsmaßnahme des Herstellers gehandelt habe, für die sie nicht hafte. Das Gericht hielt dem entgegen, dass der Kunde erwarten dürfe, dass ein Batteriespeicher in der zugesicherten Kapazität funktioniert und dass eine nachträgliche Beschränkung ohne seine Zustimmung eine Pflichtverletzung darstelle.
- Fehlfunktion des Batteriemanagementsystems: Das Batteriemanagementsystem sollte sicherstellen, dass der Solarstrom vorrangig im Haushalt genutzt und nur überschüssige Energie ins Netz eingespeist wird. Da das System diese Funktion nicht erfüllte, wurde das Elektrofahrzeug des Klägers mehrfach mit teurerem Netzstrom statt mit selbst erzeugtem Solarstrom geladen. Auch dies stellte nach Ansicht des Gerichts einen erheblichen Mangel dar.
3. Berechtigung zum Teilrücktritt
Das LG Rostock bejahte das Recht des Klägers auf einen Teilrücktritt.
Ein Rücktritt nach § 323 BGB setzt grundsätzlich eine Pflichtverletzung und eine angemessene Fristsetzung zur Nachbesserung voraus. Der Kläger hatte der Beklagten eine solche Frist gesetzt, die fruchtlos verstrichen war.
Ein Teilrücktritt ist nach § 323 Abs. 5 BGB möglich, wenn die betroffene Leistungseinheit trennbar ist. Das Gericht sah den Batteriespeicher als eigenständige Komponente der Photovoltaikanlage an, die ohne Auswirkungen auf die restliche Anlage entfernt und ersetzt werden konnte.
4. Berechnung des Rückzahlungsanspruchs
Das LG Rostock sprach dem Kläger eine anteilige Rückzahlung des Kaufpreises zu. Dabei wurde ein Herausgabeanspruch der bereits genutzten Speicherkapazität in Höhe von 115,44 € angerechnet. Dieser Wert wurde durch eine Schätzung der gesamten Lebensdauer des Batteriespeichers ermittelt, von der die kurze Nutzungszeit des Klägers abgezogen wurde.
Das Gericht stellte zudem fest, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Batteriespeichers in Annahmeverzug befand, da der Kläger diesen zur Abholung bereitgestellt hatte.
Für Verkäufer technischer Produkte zeigt die Entscheidung, dass sie sich nicht pauschal auf externe Eingriffe des Herstellers berufen können. Wer ein Produkt mit einer bestimmten Leistungsfähigkeit verkauft, muss sicherstellen, dass diese auch erhalten bleibt – andernfalls droht eine Haftung. Hier werden klare Maßstäbe für die Gewährleistung in der Photovoltaikbranche gesetzt – und die Rechte von Verbrauchern gegenüber Herstellern und Installateuren gestärkt.
Fazit
Die Entscheidung des LG Rostock fügt sich in eine zunehmende Rechtsprechung zu Fällen, in denen technische Systeme nachträglich durch externe Eingriffe verändert werden. Das Gericht stellt klar, dass der Verkäufer auch dann für die vereinbarte Beschaffenheit eines Produkts einstehen muss, wenn eine nachträgliche Einschränkung durch den Hersteller erfolgt.
Für Käufer von Photovoltaikanlagen bedeutet dies eine gestärkte Rechtsposition: Wer eine bestimmte Leistung bestellt, kann erwarten, dass diese auch dauerhaft zur Verfügung steht. Eine nachträgliche Leistungsreduktion – selbst wenn sie aus Sicherheitsgründen erfolgt – kann einen Mangel begründen, der zum Rücktritt berechtigt.
- OLG Hamm zur Verwirkung einer Vertragsstrafe - 12. Mai 2025
- Einziehung: Zurückhaltende Prüfung der Einlassung reicht nicht - 12. Mai 2025
- OLG Köln zur Einziehung bei unerlaubtem Zahlungsdienst - 12. Mai 2025