Hohe Handyrechnung: Provider hat Fürsorgepflicht und muss reagieren

Das Amtsgericht Bonn (104 C 432/13) verstärkt die bisherige Rechtsprechung zu explodierenden Telefonrechnungen und hält fest, dass einen Provider Fürsorgepflichten treffen. Insbesondere muss die Internetverbindung bei ungewöhnlichem Kostenaufkommen notfalls getrennt werden.

Aus der Entscheidung:

Zwar ist im Rahmen der Privatautonomie grundsätzlich jede Partei selbst dafür verantwortlich, die eigenen Interessen wahrzunehmen und sich die für sie relevanten Informationen zu beschaffen. Jedoch ist es allgemein anerkannt, dass in einem Dauerschuldverhältnis, in dem regelmäßig und kurzfristig Waren, Leistungen und Geldzahlungen ausgetauscht werden, die vertragliche Nebenpflicht beider Vertragspartner besteht, für eine möglichst reibungslose und transparente Abwicklung des Vertragsverhältnisses zu sorgen (LG Bonn, K&R 2010, 679 ff). Dazu gehört, dass Störungen kurzzeitig beseitigt werden, damit auf keiner Seite durch die weiterlaufenden Austauschbeziehungen größere Schäden oder Ausfälle entstehen können. Insoweit trifft jeden Vertragspartner die Fürsorgepflicht, möglichst Schaden von der anderen Seite abzuwenden und deshalb kurzfristig auf ein schadensträchtiges Verhalten der anderen Seite zu reagieren (LG Bonn a. a. O.) Diese Pflicht besteht bei einem Mobilfunkanbieter unabhängig davon, ob dieser dem Kunden ein Mobiltelefon zur Verfügung gestellt hat oder nicht, da sie unmittelbar aus dem Dauerschuldverhältnis herrührt, welches nicht daran gekoppelt Ist, ob durch den Mobilfunkanbieter zusätzlich ein Endgerät zur Verfügung gestellt wird. Es kann daher dahinstehen kann, ob das Sony Experia des Beklagten diesem von der Klägerin zur Verfügung gestellt wurde.

Des Weiteren ergab sich im hiesigen Fall für die Klägerin die Fürsorgepflicht aus dem ungewöhnlichen Internet-Nutzungsverhalten des Beklagten, welches im krassen Widerspruch zu dem von ihm gewählten „Internet by call“-Tarif stand und zu einer Kostenexplosion auf Seiten des Beklagten derart führte, dass die Zeit vom 07.09.2010 bis 13.09.2010 by call abgerechnet wurde, ab einem Betrag von 150,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer, mithin 178,50 €, einen sogenannten „Cut-off“ zu schaffen, welcher die Verbindung kurzzeitig unterbricht. Es musste sich der Klägerin aufgrund der Diskrepanz zwischen1 dem Nutzungsverhalten und dem Internet-Tarif der Eindruck aufdrängen, dass1 auf Seiten des Beklagten eine offensichtlich ungewollte Selbstschädigung vorlag, j denn ein vernünftiger Kunde hätte bei diesem Nutzungsverhalten zweifellos eine Flatrate gewählt. Der Beklagte hat auch weder zuvor noch nach dem Zeitraum 07.09.2010 bis 13.09.2010 ein derartiges Nutzungsverhalten an den1: Tag gelegt und war, wie auch die Rechnungen aus Oktober und November 2010 zeigen nicht derartig in das Internet eingewählt. Der Betrag an dem die Sperre in Form eines „Cut-Offs“ durch die Klägerin hätte erfolgen müssen orientiert sich dabei an dem durch die EU-Roaming Verordnung I) (EG) Nr. 544/2009 seit dem 01.03.2010 vorgegebenen Betrag von 50,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer. Die vorgenannte Verordnung sieht eine automatische technische Kostenbegrenzungsfunktion in Form eines „Cut-Offs“ für den Fall eines im Ausland im Internet eingewählten Mobiltelefons vor. Für ein im Inland automatisch eingewähltes Mobiltelefon war dieser Betrag auf das Dreifache des Betrages der EU-Verordnung anzuheben, da sich -anders als im Ausland- dem Mobilfunkanbieter eine automatische Einwahl im Inland und damit eine ungewollte Selbstschädigung des Kunden nicht so schnell aufdrängen muss wie im Ausland. Eine Internetnutzung im Inland ist im Verhältnis zu einer Nutzung im Ausland der gewöhnlichere Fall. Da die Klägerin ausweislich ihrer Rechnung vom 30.09.3010 für GPRS/UMTS Verbindungen rund 1.508,58 € berechnete, aber ihr aufgrund der von ihr begangenen zuvor beschriebenen Pflichtverletzung lediglich ein Betrag von 178,50 € (inkl. Mwst.) zugestanden hätte, besteht ein Schadensersatzanspruch des Beklagten in Höhe von 1.330,08 €, Denn die Klägerin hat die Pflichtverletzung auch zu vertreten. Den nach § 280 Abs, 1 S, 2 BGB möglichen Entlastungsbeweis hat sie nicht geführt.

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Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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