In einer umfangreichen Entscheidung hat sich der Bundesgerichtshof erneut mit dem Thema Subventionsbetrug befasst. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der Frage des Vorliegens einer Scheinhandlung (§ 4 Abs. 1 SubvG) – aber auch darüber hinaus hat der BGH die Begriffe der Subventionserheblichkeit und des Scheingeschäfts nochmals scharf konturiert.
Es gilt: Eine Scheinhandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 SubvG liegt nur dann vor, wenn über die Falschangabe hinaus eine dem Subventionsgeber zur Kenntnis gebrachte tatsächliche Handlung vorgenommen wird, die geeignet ist, den Anschein eines in Wirklichkeit nicht bestehenden Sachverhalts zu erwecken (so jetzt BGH, 2 StR 243/22).
Hinweis: Die Entscheidung macht nochmals deutlich, dass beim Vorwurf des Subventionsbetruges mitunter erhebliches Verteidigungspotenzial vorhanden sein kann – insbesondere sind formalhafte Verweisungen in den Unterlagen ein Anhaltspunkt für die Verteidigung!
Subventionserheblichkeit
Sinn und Zweck des Merkmals der Subventionserheblichkeit ist es, angesichts der zahlreichen normativen Begriffe des Subventionsrechts sicherzustellen, dass sowohl für den Subventionsempfänger als auch für den Subventionsgeber und die Strafverfolgungsorgane die Subventionsvoraussetzungen und etwaige Täuschungshandlungen möglichst klar erkennbar sind. Um dies zu erreichen, hat der Gesetzgeber den Begriff der Subventionserheblichkeit bewusst eng gefasst.
Entscheidend soll danach allein der (unmittelbare oder zumindest mittelbare) Zusammenhang der betreffenden Tatsache mit einer Rechtsvorschrift sein und gerade nicht die – im Einzelfall mitunter nicht eindeutig zu beantwortende – Frage, ob die Tatsache als solche materielle Voraussetzung für die Gewährung der Subvention war. § 264 Abs. 9 Nr. 1 StGB setzt daher voraus, dass die Tatsache durch ein Gesetz oder vom Subventionsgeber aufgrund eines Gesetzes ausdrücklich als subventionserheblich bezeichnet wird.
Haushaltsrecht: Corona-Soforthilfe
Da das „Corona-Virus-Soforthilfeprogramm 2020“ kein Gesetz im formellen oder materiellen Sinne ist und Haushaltsgesetze jedenfalls keine ausdrückliche Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsachen enthalten, kommt nur deren Bezeichnung durch den jeweiligen Subventionsgeber aufgrund eines Gesetzes – hier § 2 SubvG i. V. m. § 1 SubvG HE – in Betracht.
Pauschale oder lediglich formelhafte Bezeichnungen reichen nicht aus, vielmehr muss die Subventionserheblichkeit vom Subventionsgeber klar und eindeutig auf den konkreten Fall bezogen dargestellt werden. Der Zuwendungsempfänger muss vor Antragstellung vom Zuwendungsgeber über alle subventionserheblichen Tatsachen informiert werden.
Nach den Feststellungen war in dem nach Eingabe der abgefragten Daten generierten und vom Angeklagten unterzeichneten Formular weder eine ausdrückliche noch eine gleichwertige Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsachen im Sinne der Ziff. 4 der Förderrichtlinie enthalten. Auch im Rahmen des Eingabeprozesses erfolgte kein entsprechender Hinweis auf deren Subventionserheblichkeit. Zwar stand die Subventionsrichtlinie über das Internetportal des Regierungspräsidiums zum Herunterladen bereit. Jedoch ersetzt – was das Landgericht verkennt – eine abstrakte Möglichkeit der Kenntnisverschaffung außerhalb des Antragsformulars gerade nicht eine konkrete Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsachen durch den Subventionsgeber. Ihrem Zweck entsprechend, Klarheit über die Subventionsvoraussetzungen zu schaffen, muss die Bezeichnung im konkreten Subventionsverfahren durch eine dem Subventionsnehmer zugegangene Erklärung erfolgen. Ansonsten bliebe es letztlich dem Antragssteller überlassen, sich über die Subventionserheblichkeit der Tatsachen und Angaben Klarheit zu verschaffen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Mai 2021 – 6 StR 137/21, BGHSt 66, 115, 119), was dem Zweck des § 264 Abs. 9 Nr. 1 Variante 2 StGB zuwiderliefe.
Soweit das Formular den Hinweis enthält, „dass dem Antragssteller bekannt sei, dass vorsätzlich oder leichtfertig falsche oder unvollständige Angaben […] die Strafverfolgung wegen Subventionsbetrugs zur Folge haben können“, werden auch hierdurch die subventionserheblichen Tatsachen nicht hinreichend bestimmt genug bezeichnet. Zwar stellt es eine zulässige Gestaltungsmöglichkeit dar, wenn die subventionserheblichen Tatsachen im Formular nicht einzeln als solche benannt sind, der Antragsteller aber durch eine Wissenserklärung ausdrücklich bestätigt, dass es sich bei den Angaben um subventionserhebliche Tatsachen handelt, da hierdurch dessen Kenntnisnahme nachgewiesen wird (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Mai 2021 – 6 StR 137/21, BGHSt 66, 115, 117 f.). Ebenfalls soll es im Einzelfall genügen, wenn sämtliche in einem Antrag anzugebenden Tatsachen als subventionserheblich bezeichnet sind (so BGH, Beschluss vom 4. Mai 2021 – 6 StR 137/21, BGHSt 66, 115, 118).
Subventionserheblichkeit nach § 264 Abs. 9 Nr. 2 StGB
Subventionserheblich sind nach § 264 Abs. 9 Nr. 2 StGB auch Tatsachen, von denen die Bewilligung, Gewährung, Rückforderung, Weitergewährung oder das Belassen einer Subvention durch Gesetz abhängig gemacht wird.
Dies betrifft in der Regel die Fälle, in denen eine ausdrückliche Bezeichnung eines Sachverhalts als subventionserheblich (durch den Gesetzgeber oder den Subventionsgeber) fehlt oder unwirksam ist, sich aber im Übrigen aus dem Gesetz mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, unter welchen Voraussetzungen die Subvention gewährt wird:
Vorliegend kommt als das die Subventionserheblichkeit zum Ausdruck bringende Gesetz alleine das Subventionsgesetz (SubvG) in Betracht, namentlich die Vorschrift über das allgemeine Verbot der Subventionierung von Scheingeschäften und Scheinhandlungen nach § 4 SubvG i.V.m. § 1 SubvG HE (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 28. Mai 2014 – 3 StR 206/13, BGHSt 59, 244, 249 ff.; vom 30. September 2010 – 5 StR 61/10, BGHR StGB § 264 Abs. 8 Subventionserhebliche Tatsache 2; Fischer, StGB, 70. Aufl., § 264 Rn. 17a).
Die erforderliche gesetzliche Abhängigkeit (§ 264 Abs. 9 Nr. 2 StGB) ergibt sich hier daraus, dass § 4 Abs. 1 SubvG ein allgemeines Verbot der „Subventionierung über den tatsächlichen Bedarf hinaus“ enthält (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Mai 2014 – 3 StR 206/13, BGHSt 59, 244, 249; vom 22. August 2018 – 3 StR 357/17, juris Rn. 23) und hierdurch die Subventionserheblichkeit mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommt (BGH, Urteil vom 11. November 1998 – 3 StR 101/98, BGHSt 44, 233, 241; Beschluss vom 30. September 2010 – 5 StR 61/10, BGHR StGB § 264 Abs. 8 Subventionserhebliche Tatsache 2; vgl. auch BT-Drucks. 7/5291, S. 13).
Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 SubvG ist in den Fällen, in denen ein Scheingeschäft oder eine Scheinhandlung einen anderen Sachverhalt verdeckt, der verdeckte Sachverhalt für die Bewilligung, Gewährung, Rückforderung, Weitergewährung oder das Belassen der Subvention oder des Subventionsvorteils maßgebend. Mithin sind solche Tatsachen grundsätzlich subventionserheblich, die durch eine Scheinhandlung oder ein Scheingeschäft verdeckt werden und von denen die Bewilligung und Gewährung sowie das Belassen der Subvention abhängig sind (…)
Scheingeschäft
Ein Scheingeschäft nach § 4 Abs. 1 Satz 1 SubvG, § 117 Abs. 1 BGB liegt nach den Ausführungen des BGH nur dann vor, wenn die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, die mit dem Geschäft verbundenen Rechtswirkungen aber nicht eintreten lassen wollen, es also an einem Geschäftswillen der Parteien fehlt.
Scheinhandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 SubvG
Der Bundesgerichtshof hat sich bisher nur in zwei Fällen eingehend mit der Scheinhandlung befasst. Dabei wurde der Begriff der Scheinhandlung jedoch nicht näher definiert, was nunmehr „nachgeholt“ wird: Die Auslegung des Begriffs „Scheinhandlung“ durch den BGH ergibt nunmehr, dass eine Scheinhandlung nur dann vorliegt, wenn über die Falschangabe hinaus eine dem Subventionsgeber zur Kenntnis gebrachte tatsächliche Handlung vorgenommen wird, die geeignet ist, den Anschein eines in Wahrheit nicht bestehenden Sachverhalts zu erwecken.
Für die Annahme einer Scheinhandlung ist somit aus Sicht des BGH eine Handlung erforderlich, die den Anschein von Umständen erweckt, die tatsächlich nicht gegeben sind. Die bloße Behauptung in der Anmeldung – in Abgrenzung zu einer darüber hinausgehenden Willenserklärung oder Realhandlung – erfüllt diese Voraussetzung nicht.
Eine Scheinhandlung kann z.B. vorliegen, wenn der Antragsteller im Vorfeld der Antragstellung eine unternehmerische Tätigkeit vortäuscht, indem er z.B. ein Gewerbe oder auch nur einen Firmensitz zum Schein anmeldet. Des Weiteren kommt sie in Betracht, wenn z.B. im Laufe des Antragsverfahrens gefälschte Unterlagen vorgelegt werden, die z.B. die im Antrag behauptete unternehmerische Tätigkeit oder den Geschäftsausfall untermauern sollen. Als weitere Beispiele für eine Scheinhandlung werden in der Literatur die Begründung oder Beibehaltung eines Wohnsitzes, eines Betriebs oder einer Betriebsstätte (i.S.d. § 12 AO) genannt, ohne dass der Ort den räumlichen Mittelpunkt der privaten Lebensführung darstellt oder einen geschäftlichen Mittelpunkt der unternehmerischen Tätigkeit im Sinne einer „festen Geschäftseinrichtung“ bildet.
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