Gestattet ein Zeuge trotz Ausübung seines Zeugnisverweigerungsrechts nach § 52 Abs. 1 StPO die Verwertung früherer Aussagen, so kann er dies nicht auf einzelne Vernehmungen beschränken. Ein teilweiser Verzicht führt vielmehr zur Unverwertbarkeit aller früheren Aussagen mit Ausnahme der richterlichen Vernehmungen nach Belehrung über das Zeugnisverweigerungsrecht, so jetzt der Bundesgerichtshof (1 StR 222/23).
Grundsätzliches
Das Zeugnisverweigerungsrecht aus § 52 Abs. 1 StPO dient dem Schutz des Zeugen, nicht durch seine der Wahrheitspflicht unterliegende Aussage zur Belastung eines Angehörigen beitragen zu müssen. Der Zeuge kann bis zur Hauptverhandlung frei entscheiden, ob seine frühere, möglicherweise voreilige oder unbedachte Aussage verwertet werden soll, und hat das Recht, in der Hauptverhandlung das Zeugnis zu verweigern und seine frühere Entscheidung zu ändern.
Beruft er sich auf sein Recht aus § 52 Abs. 1 StPO, unterliegen daher grundsätzlich alle früheren Aussagen einem Beweisverwertungsverbot. Ausgenommen hiervon sind lediglich richterliche Vernehmungen nach Belehrung über das Zeugnisverweigerungsrecht.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Zeuge, der sich auf sein Recht aus § 52 Abs. 1 StPO beruft, auch auf die Sperrwirkung seines Zeugnisverweigerungsrechts verzichten, sodass frühere Angaben durch die Vernehmungsperson oder den Sachverständigen in die Hauptverhandlung eingeführt werden können.
Denn das Beweisverwertungsverbot des § 252 StPO dient allein der Sicherung des mit der Einräumung des Zeugnisverweigerungsrechts verfolgten Zwecks und ist daher insoweit disponibel, als der Zeuge darauf verzichten und durch die Zulassung früherer Angaben zur Sachaufklärung beitragen kann. Dem Umstand, dass sich der Zeuge damit einer konfrontativen Befragung entzieht, ist durch eine entsprechend zurückhaltende Beweiswürdigung Rechnung zu tragen.
BGH: Kein Teilverzicht
Der BGH hat bisher offen gelassen, ob ein Zeuge seine Aussagegenehmigung auf einzelne Vernehmungen beschränken kann. Ein solcher Teilverzicht ist nun unzulässig:
Denn ein Zeuge kann nur in dem Rahmen über das Beweisverwertungsverbot verfügen, in dem es seinem Schutz dient. Schutzzweck des § 252 StPO in Verbindung mit § 52 Abs. 1 StPO ist es indes ausschließlich, die Entscheidungsfreiheit des Zeugen dahin zu gewährleisten, ob er in einem Strafprozess gegen einen Angehörigen aussagen und so gegebenenfalls zu dessen Belastung beitragen möchte (vgl. BGH, Urteile vom 8. Mai 1952 – 3 StR 1199/51, BGHSt 2, 351, 354 und vom 23. September 1999 – 4 StR 189/99, BGHSt 45, 203, 207). Das bedeutet:
Der Zeuge kann entscheiden, ob er sich als Beweismittel zur Verfügung stellen will oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 2003 – 2 StR 445/02, BGHSt 48, 294, 298 mwN). Darüber hinaus hat er kein schützenswertes Interesse daran, den Umfang der Verwertbarkeit der von ihm bereits vorliegenden Angaben zu bestimmen (Cirener/Sander in Löwe/Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 252 Rn. 25), weshalb insoweit im Interesse des Angeklagten und der Allgemeinheit an der Wahrheitserforschung seinem Einfluss auf das Strafverfahren Grenzen zu ziehen sind
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