Haftung von Vorständen einer Wohnungsbaugenossenschaft

Von Gesellschaften aller Rechtsformen werden Schadensersatzansprüche gegen ihre Organe geltend gemacht. Im Genossenschaftsrecht wie auch im Recht der Kapitalgesellschaften muss die Gesellschaft dabei lediglich darlegen, dass Handlungen eines Vorstands zu einem Schaden geführt haben. Dann ist es Sache des Vorstandsmitglieds, sich zu entlasten.

Mit einer solchen Konstellation hatte sich der 8. Zivilsenat in einem Berufungsverfahren im letzten Jahr zu befassen, in dem es um die einer Wohnungsbaugenossenschaft aus Rheine gegen zwei ehemalige Vorstände ging. Diese hatten in den Jahren 2008 und 2009 den Erwerb einer landwirtschaftlichen Fläche mit aufstehendem Resthof sowie eine gegenüber dem Hof liegende Ackerfläche zu einem Gesamtkaufpreis von rund 300.000 Euro durch die Wohnungsbaugenossenschaft veranlasst. Als Nutzung waren eine Tagespflege, ein Treffpunkt für Jung und Alt, Wohnungen, eine Streuobstwiese mit Kompostierung sowie eine Naherholung für die Mitglieder der Genossenschaft angedacht.

Im Laufe des Jahres 2010 veranlasste einer der beklagten Vorstände den Beginn der Umbau- und Sanierungsarbeiten auf dem Hof. Ab dem Frühjahr 2011 wurden diese Baumaßnahmen nicht mehr fortgeführt; es standen noch Restarbeiten im Außenbereich aus. Der in den Geschäftsberichten 2009 bis 2012 für diese Arbeiten angegebene Kostenaufwand insgesamt nahezu 2 Millionen Euro.

Ende 2013 beschlossen Vorstand und Aufsichtsrat die Veräußerung des Hofes. Verkauft werden konnte er im Herbst 2015 für etwa 600.000 Euro.

Die Mitgliederversammlung sah die Vornahme der Investitionen in den Hof durch den Vorstand als pflichtwidrig an, da diesem Projekt zum einen kein tragfähiges Konzept zugrunde gelegen habe und zum anderen die weiteren Gremien der Genossenschaft nicht hinreichend eingebunden gewesen seien. Deshalb ermächtigte sie den Aufsichtsrat der Genossenschaft dazu, Schadensersatzansprüche gegenüber den beiden Vorständen geltend zu machen.

Das Landgericht Münster hat mit Urteil vom 30.08.2016 (Az. 23 O 40/15) die schließlich auf Zahlung von ca. 1,75 Mio. Euro gerichtete Klage der Genossenschaft gegenüber den beiden Vorständen dem Grunde nach für gerechtfertigt gehalten. Wegen der Schadenshöhe hat es weiteren Auf- klärungsbedarf gesehen. Die beiden früheren Vorstände hätten – so das Landgericht – ihre Pflichten verletzt. Dabei habe die Genossenschaft nachvollziehbar dargestellt, dass sie durch die Geschäftsführung der früheren Vorstände geschädigt worden sei. In den Hof seien 2010 und 2011 mehr als 1,2 Millionen Euro an Baukosten geflossen. Eine entsprechende Werterhöhung habe diesen Investitionen nicht gegenüber gestanden. Für den Resthof mitsamt wirtschaftlichen Flächen habe die Genos- senschaft einen Kaufpreis von gut 300.000 Euro gezahlt. Der Wert des Grundstücks habe nach den Investitionen und Umbaumaßnahmen mit dem Inventar entsprechend dem Verkaufspreis bei rund 600.000 Euro gelegen. Der Wertsteigerung von 300.000 Euro stünden damit Investitionen von jedenfalls 1,2 Millionen Euro gegenüber, so dass hierdurch eine Verminderung des Vermögens der Klägerin und damit ein Schaden von mindestens 900.000 Euro eingetreten seien.

Für diese wirtschaftlich unvernünftige Handlungsweise seien die beiden Vorstände verantwortlich. Der eine Vorstand habe die Maßnahmen in Auftrag gegeben. Dieses Vorgehen sei auch dem anderen beklagten Vorstand zuzurechnen, da die baulichen Maßnahmen der Kompetenz des Gesamtvorstandes oblegen hätten. Dies folge aus dem Umfang der Investitionen und auch der Ausrichtung der Maßnahmen, die nicht die Versorgung ihrer Mitglieder mit Wohnungen als Kernbereich der Genossenschaftsarbeit betroffen hätten.

Daneben habe es an einer sorgfältigen Ermittlung der Entscheidungs- grundlagen gefehlt. Angesichts von in 2010 erzielten Umsatzerlösen von etwa 8,5 Millionen Euro und einem Eigenkapital von ca. 17,5 Millionen Euro bei Investitionen von deutlich mehr als einer Millionen Euro habe es sich um einen nicht unbeträchtlichen Betrag gehandelt. Danach wäre ein ausreichendes Nutzungskonzept für die mehr als 1.200 m2 Wohn- und Nutzungsfläche erforderlich gewesen, das nicht erstellt worden sei. Auch an einer tatsächlichen Planung der mit der konkreten Nutzung verbundenen Kosten habe es gefehlt. Deshalb sei nicht zu beurteilen gewesen, ob sie in einem vernünftigen Verhältnis zum Nutzen für die Genossen- schaftsmitglieder gestanden hätten.

Fest stünde danach, dass der Klägerin durch das Verhalten der beiden beklagten Vorstände ein Schaden entstanden sei. Die Höhe dieses Schadens müsse allerdings noch geklärt werden.

Die Ersatzpflicht der beiden Vorstände sei nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Aufsichtsrat die Handlung gebilligt habe. Die Klägerin habe zudem nicht auf Schadensersatzansprüche verzichtet, indem die Mitgliederversammlung ihnen für die Geschäftsjahre 2010 bis 2012 jeweils eine Entlastung erteilt habe. Denn eine etwaige Verzichtswirkung des Entlastungsbeschlusses könne sich nicht auf die Schadensersatzansprüche erstrecken, weil die Genossenschaftsmitglieder aus den bei der Rechnungslegung unterbreiteten Unterlagen das Bestehen solcher Ansprüche nicht zu überblicken vermocht hätten. Für die Mitglieder der Genossenschaft sei nämlich nicht erkennbar gewesen, dass die beklagten Vorstände das Projekt durchgeführt hätten, ohne die erforderlichen Entscheidungsgrundlagen zu ermitteln. Auch der Bericht des Aufsichtsrats, der die Entlastung des Vorstandes empfohlen habe, habe keinen Hinweis hierauf enthalten.

Der 8. Zivilsenat hat in dieser Sache am 15.01.2018 verhandelt. Dabei hat es den Parteien zu erkennen gegeben, dass gewichtige Gründe für eine Pflichtverletzung der Vorstände sprechen würden. Diese Frage war angesichts der sehr komplexen Fallgestaltung aber keineswegs eindeutig zu beantworten. Zudem wies die Schadenshöhe, mit der sich das Landgericht noch nicht befasst hatte, Unklarheiten auf. Aus diesen Gründen hat der Senat den Abschluss eines Vergleichs vorgeschlagen, wonach die Beklagten 600.000 Euro an die Wohnungsbaugenossenschaft zahlen sollten. Diesem Vorschlag sind die Parteien gefolgt, so dass durch Beschluss vom 14.03.2018 ein entsprechender Vergleich festgestellt werden konnte.

Beschluss des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 14.03.2018 (Az. 8 U 100/16, OLG Hamm) – (Quelle: Pressemitteilung des Gerichts)

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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