Der Labello-Fall muss zusammen mit dem Urteil BGHSt 38, 116 im Hinterkopf behalten werden: Es geht um die erst einmal obskure Frage, ob ein Lippenstift ein taugliches Tatmittel zum schweren Raub ist. Vom Landgericht noch bejaht, hat der BGH dies dann abgelehnt. Wenn man den Sachverhalt liest, ist klar worum es eigentlich geht:
Sachverhalt:
Bei einem Überfall in einer Drogerie hat die Angeklagte einen Lippenstift „gezückt“ und der Verkäuferin in den Rücken gedrückt. Sie hat dabei gezielt den Anschein erweckt, ihr eine (Schuss-)Waffe in den Rücken zu drücken.
Der BGH verneint hier ein taugliches Tatmittel, dazu aus den Gründen:
Auf der Grundlage dieser rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat sich die Angekl. insoweit der – einfachen – räuberischen Erpressung, nicht hingegen der – wie das LG annimmt – schweren räuberischen Erpressung schuldig gemacht.
Dem LG ist darin zu folgen, daß in dem Vorgehen der Angekl. gegen die Geschädigte die konkludente Drohung lag, sie niederzustechen, falls sie sich der Forderung nach Herausgabe von Geld widersetzen sollte. Damit hat die Angekl. die Voraussetzungen der räuberischen Erpressung erfüllt; denn unerheblich ist, ob der Täter die Ausführung seiner Drohung beabsichtigt oder ob sie für ihn überhaupt realisierbar ist, solange er nur will, daß der Bedrohte – wie hier – die Ausführung der Drohung für möglich hält.
Dagegen trifft die Auffassung des LG nicht zu, die Angekl. habe unter den tatqualifizierenden Voraussetzungen des § 250 I Nr. 2 StGB gehandelt. Der von der Angekl. verwendete Labellostift war keine „Waffe oder sonst ein Werkzeug oder Mittel“ im Sinne dieser Vorschrift.Auch wenn der Schwerpunkt der Tatbestandsbeschreibung bei § 250 I Nr. 2 StGB in der dort bezeichneten besonderen Absicht des Täters gesehen wird, so dürfen, wie der BGH in der Entscheidung BGHSt 38, 116 (117) mit näherer Begründung ausgeführt hat(*), objektive Umstände bei der Auslegung der Merkmale „Waffe oder sonst ein Werkzeug oder Mittel“ nicht völlig unberücksichtigt bleiben. Es genügt deshalb nicht, daß der Täter bei der Tat überhaupt irgendeinen beliebigen Gegenstand bei sich führt, den er im Zusammenhang mit der Drohung einsetzt oder einsetzen will. Jedenfalls dann, wenn der Gegenstand – und zwar schon nach seinem äußeren Erscheinungsbild – offensichtlich ungefährlich und deshalb nicht geeignet ist, mit ihm (etwa durch Schlagen, Stoßen, Stechen oder in ähnlicher Weise) auf den Körper eines anderen in erheblicher Weise einzuwirken, kommt die Anwendung des § 250 I Nr. 2 StGB nicht in Betracht.
Einen solchen Gegenstand kann der Täter schon „seiner Art nach“ nur unter Täuschung über dessen wahre Eigenschaft bei der Tat einsetzen. Dann aber steht, wenn sich der Täter eines solchen Gegenstandes bei der Tat zur ausdrücklichen oder konkludenten Drohung bedient, die Täuschung so sehr im Vordergrund seiner Anwendung, daß die Qualifizierung als Werkzeug oder Mittel i.S. des § 250 I Nr. 2 StGB verfehlt wäre (vgl. BGHSt 38, 116 (119)).
Daß es sich bei dem von der Angekl. verwendeten Labellostift um einen harmlosen Gegenstand in diesem Sinne handelt, der die Anwendung des § 250 I Nr. 2 StGB ausschließt, bedarf keiner näheren Begründung. War damit der Labellostift aber schon für sich genommen kein taugliches Tatmittel i.S. des § 250 I Nr. 2 StGB, so kommt es auf die konkreten Umstände seines Einsatzes nicht an.
(*) Anmerkung von mir:
Bei BGHSt 38, 116 ging es um einen ähnlichen Fall, dort hatte jemand ein Plastikrohr unter seine Jacke gesteckt um den Anschein zu erwecken, dieses Roht wäre in Wirklichkeit eine Schusswaffe. Die Täuschung gelang, der BGH verneinte letztlich ebenfalls das taugliche Tatwerkzeug. Wie gesagt: Beide Urteile merken. Beide sind in der NJW zu finden:
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