Zur Rechtslage bei Preismanipulation des selber bietenden Verkäufers bei eBay

Das OLG Stuttgart (12 U 153/14) befasste sich mit einem Klassiker: Dem Verkäufer bei , der die Preise – scheinbar! – durch eigenes Mitbieten in die Höhe treibt. Der Bieter war der Auffassung, es sei sein letztes Angebot ausschlaggebend, bevor die Manipulation des Verkäufers begonnen habe – denn er habe schliesslich sein Angebot nur abgegeben in Erwartung, dass redlich mitgeboten werden würde. Diese Auffassung ist durchaus nachvollziehbar, letztlich lehnte das OLG aber zu Recht diesen Ansatz ab: Der kam trotz der Preismanipulation wirksam zu Stande. (K)eine Einladung zum Mitbieten.

Das OLG vertritt die Auffassung, dass die Gebote des Verkäufers selber unwirksam erfolgt sind. Gleichwohl führen Sie dazu, dass am Ende das zuletzt erfolgte Höchstgebot des „Bieters“ wirksam erfolgt ist. Das auf den ersten Blick abstruse Ergebnis: Es kommt trotz eines höheren Gebots des Anbieters zu einem Kaufvertrag mit dem Bieter.

Die Anwendung des § 162 Absatz 1 BGB führt nicht dazu, dass ein anderer Kaufpreis als 17.000,00 Euro zugrunde zu legen ist. Der Kaufvertrag wäre, wenn überhaupt, nur mit diesem Inhalt zustande gekommen. Dass der Beklagte diesen Preis manipuliert hat, ist mit den Mitteln des Schadensrechts auszugleichen.

Die Unwirksamkeit der Gebote des Beklagten hat, wie dargelegt, keinen Einfluss auf die Feststellung des Höchstgebotes des Klägers. Seine vorangegangenen Gebote sind nach dem oben Ausgeführten erloschen und durch sein letztes Höchstgebot gegenstandslos geworden.

Eine Korrektur der Bedingungsvereitelung kommt nur auf die Weise in Betracht, dass ein Vertragsschluss zum Preis von 17.000,00 Euro angenommen wird. § 162 Absatz 1 BGB stellt eine Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben dar. Es ist sachgerecht, im konkreten Fall den Vertrag einzig zu einem Kaufpreis von 17.000,00 Euro als wirksam anzusehen, weil dies den Bedingungen entspricht, zu dem der Kläger zum Abschluss bereit war. Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gebietet es – ungeachtet bestehender Schadensersatzansprüche – auch nicht, dass sich der Kläger von seiner Willenserklärung lösen kann, um den Abschluss des Vertrages zu einem niedrigeren Preis zu fordern.

Hierbei ist dann aber nicht auf sein letztes Angebot abzustellen, bevor der Anbieter überhaupt geboten hat, sondern auf das letzte bevor der Anbieter dann endgültig den Zuschlag kam. Es war also hier nicht das erste Gebot zu 1,50 Euro ausschlaggebend, sondern das letzte Gebot in Höhe von 17.000 Euro. Denn, verkürzt ausgedrückt, der Bieter wollte 17.000 maximal zahlen und dies ist aus Sicht des Gerichts am Ende ausschlaggebend. Würde man hier die Möglichkeit der anderen Sichtweise eröffnen, würde dies laut OLG zu noch mehr Unklarheit führen:

Bei Internetauktionen haben alle Teilnehmer ein Interesse an einer zügig feststellbaren Rechtsklarheit:

– Nur wenn alle Teilnehmer den Verlauf der aktuellen Höchstgebote verfolgen können, ist gewährleistet, dass sich der Marktpreis im Sinne einer Auktion bildet; der Artikel soll an denjenigen verkauft werden, der bereit ist, den höchsten Preis zu bezahlen. Dies liegt im Interesse des Anbieters, der bereits im Vorfeld eine verbindliche Willenserklärung über den Verkauf zum Höchstgebot abgegeben hat und berechtigterweise darauf vertrauen darf, dass sich der Kaufpreis nach diesen Grundsätzen bildet.

Der Verlauf einer eBay-Auktion wäre aber nicht mehr beherrschbar, wenn unwirksame Gebote erst nach einer gewissen Zeit, gar erst nach Ablauf des Auktionsendes als nicht abgegeben angesehen würden. Träfe diese Rechtsauffassung zu, hätte sie Auswirkungen auf alle unzähligen Onlineauktionen, selbst wenn sie nicht absichtlich manipuliert werden. Der Kaufpreis wäre nur vorläufig, weil zur Ermittlung des Höchstgebotes – und damit des Inhalts der Willenserklärungen der Bieter – stets noch festgestellt werden müsste, ob alle Zwischengebote wirksam geworden sind. Dies ist praktisch nicht durchführbar, weil jeden Tag unzählige Gebote von Bietern gesetzt werden, deren Identität auch nur bekannt wird, wenn sie das Höchstgebot abgegeben haben.

– Ferner hat der Anbieter ein unabweisbares Interesse daran, dass die aktuellen Höchstgebote transparent und zuverlässig allen potentiellen Teilnehmern der Auktion dargestellt werden. Der Anbieter möchte durch die Auktion einen möglichst hohen Preis erzielen. Dies ist nur gewährleistet, wenn der angesprochene Kundenkreis auf der Grundlage des aktuellen Höchstgebotes entscheiden kann, ob er bei der Auktion mitbieten will und welchen Preis er zu zahlen bereit ist. Würde die nachträgliche Streichung von Geboten zugelassen, wüsste niemand den aktuellen Stand des Bietverfahrens, weil vorangegangene Gebote aus vielfältigen Gründen unwirksam sein könnten (z.B. bei der Abgabe durch Minderjährige, bei Mängeln der Vertretungsmacht im Falle der Nutzung eines fremden Benutzerkontos oder bei einer irrtümlichen Abgabe). Werden unwirksame Gebote nicht sofort zurückgewiesen, ist für potentielle Teilnehmer folglich nicht feststellbar, ob ihr gesetztes Limit bereits erreicht ist. Die nachträgliche Streichung von Geboten verfälscht mithin den Gebotsverlauf, weil sich potentielle Interessenten von aktuellen Geboten abhalten lassen könnten, auf den Artikel mitzubieten. Die Ergebnisse einer Auktion, für die das Überbieten eines Konkurrenten wesenstypisch ist, würden vom Zufall abhängen, wenn die dargelegten Grundsätze des § 156 Satz 2 BGB im Rahmen der zur Auslegung von Willenserklärung heranzuziehenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht anzuwenden wären. Die Bindung des redlichen Anbieters an das auf diese Weise reduzierte Höchstgebot wäre auch unangemessen, da er die Abgabe unwirksamer Gebote nicht verhindern kann.

– Hinzu kommt, dass der Anbieter einem möglichen Missbrauch schutzlos ausgeliefert wäre. Setzt ein unredlicher Bieter in einem frühen Stadium ein Gebot, das dem Verkehrswert des angebotenen Artikels entspricht und deutlich über dem Gebot anderer Bieter liegt und anschließend über ein weiteres Benutzerkonto ein leicht erhöhtes Maximalgebot, so verhindert er damit in der Praxis weitere Gebote anderer Interessenten. Er könnte dann unter Behauptung eines Anfechtungsgrundes (§ 10 Absatz 7 eBay-AGB) kurz vor Schluss der Auktion sein letztes Gebot streichen lassen, womit sein erstes Maximalgebot nur in Höhe des erforderlichen Höchstgebots weit unter dem Verkehrswert zum Tragen kommt. Im Beispiel des streitgegenständlichen Kraftfahrzeugs hätte etwa ein Trickbetrüger bereits bei einem Startpreis von 1,00 Euro ein Gebot von 17.000,00 Euro setzen können. Mit einem weiteren Benutzerkonto hätte er 17.050,00 Euro gesetzt. Damit wäre dieses über dem Marktpreis liegende Höchstgebot erschienen und hätte andere potentielle Interessenten vom Mitbieten faktisch abgehalten. Kurz vor Schluss hätte er das Gebot von 17.050,00 Euro gestrichen, wodurch sein erstes Maximalgebot nur in Höhe des erforderlichen Höchstgebots, u.U. nur in Höhe des Startpreises von 1,00 Euro, als Angebot wirksam geworden wäre.

– Die Rechtsklarheit des § 156 Satz 2 BGB und der entsprechenden Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay liegt zudem auch im Interesse des Bieters. Auch er will im Allgemeinen zügig einschätzen können, ob er selbst noch an sein Gebot gebunden ist (Soergel/Wolf, a.a.O., § 156 BGB Rn. 6).

Das OLG sieht also tatsächlich den Vertragsschluss zu den höheren Geboten trotz der Preismanipulation. Aber: Es gibt möglicherweise einen Schadensersatzanspruch. Der orientiert sich am Verkehrswert; wenn am Ende ein Gebot im Raum steht, das nach der Preismanipulation höher als der Verkehrswert liegt, soll ein Schadensersatzanspruch in Höhe dieser Differenz bestehen. Dabei ist zu sehen, dass der klagende Bieter bei anderer Auffassung erst einmal beweisen müsste, dass er überhaupt zu einem geringeren Preis das Fahrzeug erworben hätte – also etwa bei einem Gebot in Höhe von 100 Euro (und Verkehrswert 17.000 Euro) nicht noch jemand mitgeboten und seinerseits den Preis hochgetrieben hätte.

Fazit: Preismanipulationen hindern regelmäßig nicht den wirksamen Kaufvertrag, der sich am letzten Höchstgebot des Bieters insgesamt orientiert. Dies mag unredlich erscheinen, ist aber nachvollziehbar, da der Bieter schliesslich am Ende die Kaufsache zu dem von ihm selbst gewählten Preis erhält. Sollte der Anbieter allerdings den Preis über den Verkehrswert treiben, wird er Schadensersatzpflichtig sein in Höhe des „zu viel“ erreichten Preises. Dieses Ergebnis ist Interessengerecht – der Bieter erhält die Kaufsache zum Verkehrswert, der Anbieter hat zwar keinen Dumpingpreis, aber auch keinen Gewinn erzielt durch sein unredliches Verhalten.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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