Rechtsmissbräuchliche Abmahnung und Forum Shopping

Das Oberlandesgericht Hamm, 4 U 72/20, konnte sich mit der Frage beschäftigen, ob ein “Forum Shopping” zu einem Rechtsmissbrauch bei einer Abmahnung führt. Dabei setzt sich das OLG ein wenig von der gefestigten Rechtsprechung ab, indem es verdeutlicht, dass es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankommt:

Wenn nämlich ein Kläger das Hauptsacheverfahren vor einem anderen Gericht anhängig macht, als das vorangegangene einstweilige Verfügungsverfahren, stellt dies für das OLG Hamm dann kein rechtsmissbräuchliches “forum shopping” dar, wenn er den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nach dessen abschlägiger Bescheidung nicht zurücknimmt, um an einen anderen, ihm vermeintlich „günstigeren“ Gerichtsstand auszuweichen und dort einen inhaltsgleichen (Hauptsache-)Antrag zu stellen, sondern stattdessen gegen die ihm ungünstige erstinstanzliche Entscheidung Berufung einlegt und auf diese Weise letztlich eine ihm günstige Entscheidung des Berufungsgerichts erstreitet:

Entgegen der Ansicht der Beklagten führt auch der Umstand, dass die Klägerin die vorliegende Hauptsacheklage vor dem Landgericht Dortmund erhoben hat, während sie zuvor – zunächst erfolglos – den Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Landgericht Darmstadt beantragt hatte, nicht zur Bejahung des Rechtsmissbrauchstatbestandes wg. sog. „forum shoppings“ (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 06.12.2006 – 5 U 67/06, GRUR 2007, 614, Rn. 16, zit. nach juris).

(1) Sämtlichen von der Beklagten insoweit zitierten Entscheidungen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 31.01.2019 – 20 U 87/18, GRUR 2019, 438; OLG München, Beschluss vom 27.12.2010 – 6 U 4816/10, WRP 2011, 364; OLG Hamburg, Urteil vom 06.12.2006 – 5 U 67/06, GRUR 2007, 614; Frankfurt, Urteil vom 14.07.2005 – 16 U 23/05, GRUR 2005, 972) ist gemein, dass der jeweilige Antragsteller bzw. Verfügungskläger in dem prozessual nicht schutzwürdigen Bestreben, eine vom ursprünglich angerufenen Gericht vorgesehene Beteiligung des Prozessgegners an der Entscheidungsfindung zu vereiteln und auf diese Weise eine gerichtliche Eilentscheidung ohne die Gewährung rechtlichen Gehörs des Prozessgegners erlangen zu wollen (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 06.12.2006 – 5 U 67/06, GRUR 2007, 614, Rn. 23 mwN., zit nach juris), seinen Antrag zurückgenommen und an einem anderen Gericht erneut inhaltsgleich gestellt hat, nachdem das ursprünglich angerufene Gericht Termin anberaumt bzw. Zweifel an den Erfolgsaussichten des Antrags geäußert hatte. Entsprechendes gilt für den von Pauli (GRUR-Prax 2021, 273) beschriebenen Fall des „forum shoppings“ zwischen Verfügungs- und Hauptsacheverfahren.

(2) Diese Konstellation ist mit dem vorliegenden Sachverhalt aber ersichtlich nicht vergleichbar. Die Klägerin hat ihren beim Landgericht Darmstadt gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gerade nicht zurückgenommen, nachdem dieser abschlägig beschieden worden war, um an einen anderen, ihr vermeintlich „günstigeren“ Gerichtsstand auszuweichen und dort einen inhaltsgleichen Antrag zu stellen. Stattdessen hat sie gegen die ihr ungünstige Entscheidung des Landgerichts Darmstadt – letztlich erfolgreich – Berufung eingelegt und so vor dem Oberlandesgericht Frankfurt/Main eine ihr günstige Urteilsverfügung erstritten. Die Beklagte war am einstweiligen Verfügungsverfahren ebenso jederzeit beteiligt wie am vorliegenden Hauptsacheverfahren.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist Spezialist für Strafverteidigung (insbesondere bei Wirtschaftskriminalität wie Geldwäsche, Betrug bis zu Cybercrime) sowie für IT-Recht (Softwarerecht und KI, IT-Vertragsrecht und Compliance) mit zahlreichen Publikationen. Als Fachanwalt für Strafrecht und IT-Recht vertrete ich Mandanten in komplexen Zivil- und Strafverfahren, insbesondere bei streitigen Fragen im Softwarerecht, bei der Abwehr von strafrechtlichen Vorwürfen oder Ansprüchen in der Managerhaftung sowie bei der Einziehung von Vermögenswerten. Mein Fokus liegt auf der Schnittstelle zwischen technischem Verständnis und juristischer Strategie, um Sie in digitalen Fällen und wirtschaftlichen Strafsachen effektiv zu verteidigen und zu beraten.

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Unsere Anwaltskanzlei ist spezialisiert auf Strafverteidigung, Cybercrime, Wirtschaftsstrafrecht samt Steuerstrafrecht sowie IT-Recht und Managerhaftung. Von Verbrauchern werden allein Strafverteidigungen übernommen - wir sind im Raum Aachen zu finden und bundesweit tätig.
Rechtsanwalt Jens Ferner
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner

Rechtsanwalt Jens Ferner ist Spezialist für Strafverteidigung (insbesondere bei Wirtschaftskriminalität wie Geldwäsche, Betrug bis zu Cybercrime) sowie für IT-Recht (Softwarerecht und KI, IT-Vertragsrecht und Compliance) mit zahlreichen Publikationen. Als Fachanwalt für Strafrecht und IT-Recht vertrete ich Mandanten in komplexen Zivil- und Strafverfahren, insbesondere bei streitigen Fragen im Softwarerecht, bei der Abwehr von strafrechtlichen Vorwürfen oder Ansprüchen in der Managerhaftung sowie bei der Einziehung von Vermögenswerten. Mein Fokus liegt auf der Schnittstelle zwischen technischem Verständnis und juristischer Strategie, um Sie in digitalen Fällen und wirtschaftlichen Strafsachen effektiv zu verteidigen und zu beraten.

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