Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (8 Sa 361/10) hatte sich mit einer Beleidigung eines Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer zu beschäftigen. Dieser äusserte sich gegenüber seinem Arbeitgeber mit den Worten
„Sie haben hier nichts mehr zu sagen, Ihre Zeit ist abgelaufen“
Nun gilt, dass jedenfalls grobe Beleidigungen eines Vorgesetzten (oder eines anderen Arbeitskollegen!), die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen – und somit sogar eine außerordentliche fristlose Kündigung grundsätzlich rechtfertigen können (dazu auch das Bundesarbeitsgericht, 2 AZR 418/01). Da solche Beleidigungen eine ausserordentliche Kündigung rechtfertigen, sind sie erst recht geeignet, den Ausspruch einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung zu rechtfertigen.
Auch gilt, dass der Arbeitgeber im groben Maße unsachliche Angriffe, die u.a. zur Untergrabung der Position von Vorgesetzten führen können, nicht hinnehmen muss. Dabei ist die strafrechtliche Beurteilung kündigungsrechtlich nicht ausschlaggebend. Auch eine einmalige Ehrverletzung ist bereits kündigungsrelevant (LAG Rheinland-Pfalz, 8 Sa 260/09). Der Arbeitnehmer kann sich daher auch nicht auf ein vermeintliches Recht auf freie Meinungsäußerung berufen.
Die hier im Raum stehende Äußerung beinhaltet mit dem LAG eine solch „grobe Beleidigung“, da eine erhebliche Miss- bzw. Nichtachtung des Beklagten in seiner Stellung als Arbeitgeber vorliegt.
Bei derartigen besonders schweren Verstößen ist eine Abmahnung auch nicht mehr angezeigt, weil hier der Arbeitnehmer von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann und er sich bewusst sein muss, dass er seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt (Müller-Glöge, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 11. Aufl., § 626 BGB Rd.Ziff. 29 m.N.a.d.R.).
Interessant ist, dass mit dem LAG an diesem Ergebnis auch die bei jeder Kündigung durchzuführende umfassende Interessenabwägung nichts ändert. Dabei war schon, was grundsätzlich schwer wiegt, das fortgeschrittene Lebensalter des Arbeitnehmers (57 Jahre) und die seit mehreren Jahren bestehende Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen.
Das konnte aber laut LAG nicht mehr aufwiegen, dass der Arbeitnehmer sich „mit seiner gravierenden, ehrverletzenden Entgleisung auf eine Ebene begeben hat, die letztlich schlichtweg nicht mehr hinnehmbar ist“. Mit Blick auf die „völlig grundlose schwerwiegende Beleidigung“ kann der Arbeitgeber nicht mehr darauf vertrauen, „dass der Arbeitnehmer die Würde seines Arbeitgebers ausreichend respektiert“. Es ist nicht mehr auszuschliessen, dass so etwas in der Zukunft nicht mehr vorkommt – das reicht dem LAG, um auch die Interessenabwägung zu Lasten des Arbeitnehmers ausfallen zu lassen.
Im Ergebnis reichte dieser Satz also, um notfalls gar eine außerordentliche Kündigung auszusprechen – jedenfalls eine Abmahnung ist nach derartigen Entgleisungen nicht mehr nötig! Ein gelungenes Beispiel, um zu zeigen, dass eben nicht nur Fäkalsprache ausserordentliche Kündigungen rechtfertigen kann.
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