Kommentar: Datenschutz bei Facebook

In der digitalen Ausgabe der ZEIT findet sich ein schöner Standpunkt zum Thema bei Facebook. Vollkommen zu Recht wird dort moniert, die Eigenverantwortung der Nutzer würde zu wenig beachtet – in das gleiche Horn habe ich bereits letztes Jahr in einem Kommentar gestoßen:

Zu oft, wenn wir in diesen Tagen von Medienkompetenz sprechen, vergessen wir nämlich die soziale Kompetenz, die man immer braucht: Nicht nur, aber eben auch im Internet. Und speziell auch bei so genannten sozialen Diensten/Netzwerken. Es ist fraglich, warum jeder Kontakt bei Facebook als “Freund” betitelt sein muss. Auch ist fraglich, warum man nicht zwingend eine Nachricht eingeben muss, wenn man dort einen Kontakt hinzufügt – ebenso sollte sich jeder fragen, ob man jeden X-beliebigen ohne Nachfrage als Kontakt bestätigen sollte, den man zwar nicht kennt, der aber eine “Freundschaftsanfrage” gesendet hat.

Das muss nicht unbedingt Kritik an Facebook sein, auf jeden Fall ist es aber eine Kritik an der sozialen Kompetenz derjenigen, die das in dieser Form so nutzen, glauben alleine mit “Privatsphäre”-Optionen alles sichern zu können, und sich dann hinterher wundern, wenn ein “Freund” querschlägt.

Denn es gibt gute Gründe, auch bei Facebook dann vorsichtig zu sein, wenn man meint, „alles gesperrt“ zu haben. Wer „krank feiert“ und Fotos von Partys online stellt, sollte darüber nachdenken, ob Kollegen oder gar der Arbeitgeber nicht mit einem „verbunden“ sind. Wobei es zunimmt, dass jedenfalls Personalabteilungen größerer Arbeitgeber unter Pseudonym unterwegs sind.

Dabei ist nicht automatisch jedes öffentliche Ausleben schlecht, auch das hatte ich schon geschrieben – es kommt auf den Sinn an:

Der Nutzer sollte sich einfach überlegen, warum er diese Dienste nutzt – will er für sich, seine Dienstleistung, sein Unternehmen werben? Oder sucht man die digitale Vernetzung des Privatlebens? Entsprechend kann man dann entscheiden, was man schreibt, und in welcher Öffentlichkeit. Insbesondere bei privater Vernetzung bietet es sich an, den eigenen Account samt Status-Meldungen nur für bestätigte Kontakte einsichtig zu machen und die Kontakte dann sorgfältig auszuwählen.

Dabei hilft Facebook durchaus weiter: Man kann seine Kontakte in Listen organisieren und bei jedem Post frei entscheiden, welche Listen den aktuellen Eintrag sehen dürfen und welche nicht. Zielgerichtet die jeweilige Öffentlichkeit zu bedienen ist möglich. Allerdings vielen auch zu mühselig – wobei man auch fragen darf, ob diese Funktion, die nur schlecht in Clients integriert ist, auf Grund ihrer Behäbigkeit eine unnötige Hürde setzt. Jedenfalls wer mit einem mobilen Endgerät Facebook nutzt, wird schnell die Nerven verlieren, bei jedem Post diese Funktion zu nutzen.

Aber wenn wir von denen sprechen, die da schreiben, dürfen wir auch nicht die vergessen, die da lesen: Ich stelle zunehmend fest, dass die Menschen nicht (mehr) in der Lage sind, zwischen digitaler und realer Identität zu unterscheiden. So habe ich kürzlich einen Auto-Responder bei meiner Mail-Adresse hinterlegt, der darauf hinweist, dass Emails erst ab einem bestimmten Datum wieder bearbeitet werden. Dies führte zu regelmäßigen Nachfragen in der „Offline-Welt“, ob alles OK sei und wann ich wieder zu Hause bin. Was hat das Bearbeiten von Emails mit der Anwesenheit zu Hause zu tun? Auch die Rückschlüsse auf die eigene Person durch das digitale agieren sind teilweise haarsträubend – wenn etwa auf persönliche Eigenschaften geschlossen wird, nur weil man (hin und wieder) Tweets eines User liest.

Ich kann mich nur wiederholen: Es geht nicht (nur) um Medienkompetenz oder Datenschutz. Es geht um soziale Kompetenz, sowohl von denen, die schreiben aber auch von denen die lesen. Wir müssen lernen, zwischen digitaler und realer Identität zu unterscheiden, auch damit für uns als Individuum Freiräume bleiben. In einer Welt, in der jeder glaubt, den anderen schon auf Grund von Tweets einschätzen zu können, in der wir meinen, unser Handy immer dabei haben zu müssen und auf Mails umgehend antworten zu müssen – in einer solchen Welt verbleibt für das frei denkende und selbstbestimmte Individuum kein Platz mehr.

Links dazu:

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht, Arbeitsrecht und IT-Recht / Technologierecht.