Vertragsrecht: Bundesgerichtshof zum Rücktrittsrecht bei Schlechtleistung

Der (VII ZR 148/10) hat sich mit elementaren Fragen des Rücktrittsrechts bei einer vertraglichen Schlechtleistung nach §323 BGB auseinandergesetzt. Die hier vorgenommenen Klarstellungen bieten, mit Blick auf die Literatur, keine neue Erkenntnis – sichern aber ab, was zu erwarten war.

Insbesondere für die Praxis der vertraglichen Abwicklung ist nun auch mit dem Bundesgerichtshof endgültig klar, dass eine „Fristsetzung“ auf Vorrat nicht möglich ist und auf die Fälligkeit der Leistung abzustellen ist. Letzteres kann dabei durchaus ein Problem sein, wenn unbedarft gehandelt wird. Ein kleiner Ausblick.

 

Rücktritt erst nach Fristsetzung – Fristsetzung erst ab Fälligkeit

Im Gesetz steht es nicht ausdrücklich, dort ist nur von der Notwendigkeit der Fristsetzung die Rede, der Bundesgerichtshof sieht es aber wie die Literatur: Ein Gläubiger kann nicht gemäß § 323 Abs. 1 BGB vom Vertrag zurücktreten, wenn er die Frist zur Leistung vor deren Fälligkeit gesetzt hat. Der BGH gesteht zu, dass sich dies nicht mehr zwingend aus dem Wortlaut der Regelung herleiten lässt. Allerdings ergibt die Begründung zur damaligen Schuldrechtsreform für den BGH Zweifelsfrei, dass die Fälligkeit ungeschriebenes Kriterium ist, das zwingend vorliegen muss.

Und auch wenn bereits vor Fälligkeit ernsthafte Zweifel an der Leistungsfähigkeit oder Leistungswilligkeit des Schuldners bestehen, möchte der BGH hiervon keine Ausnahme zugestehen: Denn das vorzeitige fristlose Rücktrittsrecht (jetzt nach § 323 Abs. 4 BGB, „Unzweifelhaft sind Rücktrittsgründe zu erwarten“!) kann nicht mehr ausgeübt werden, sobald die Leistung fällig geworden ist. Hier sind es systematische Erwägungen: Mit dem BGH hat der Gesetzgeber diese Möglichkeit für den Fall der Erfüllungsgefährdung geschaffen. Da sich im Moment der Fälligkeit die Pflichtverletzung letztlich faktisch erwiesen hat, ist ein Bedarf für diese Möglichkeit aber nicht mehr gegeben – eine Erfüllungsgefährdung ist nicht mehr gegeben, da sie ja tatsächlich eingetreten ist. Vielmehr bestimmt sich die Wirksamkeit eines Rücktritts ab Fälligkeit (nur noch) nach §323 I, II BGB.

An dem Zeitpunkt der Fälligkeit hängen damit erhebliche Fragen, insbesondere die, wie lange man an einen unfähigen Vertragspartner (unfreiwillig) gebunden sein kann. An dieser Stelle sollte noch einmal betont werden, dass daher vertraglich die Fälligkeit sauber definiert sein muss (dazu §271 BGB) und vor allem nicht mit dem Verzug (§286 BGB) verwechselt werden darf!

Zur endgültigen Leistungsverweigerung

Eine Fristsetzung ist jedenfalls dann unnötig, wenn der Schuldner klar stellt, dass er ohnehin nicht leisten wird – die Fristsetzung verkommt dann zur Förmelei ohne Sinn. Fraglich ist nur, wann eine Leistungsverweigerung vorliegt. Mit der üblichen „Formel“ kommt es maßgeblich darauf an, ob „aus den Umständen, insbesondere den Erklärungen oder dem Verhalten des Schuldners nach Eintritt der Fälligkeit der Schluss gezogen werden kann, dass dieser die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert“.

Der Bundesgerichtshof hat nun geklärt, dass allein die Erklärung des Schuldners, er werde zum Fälligkeitszeitpunkt nicht leisten können, keine solche ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung darstellt. Denn in diesem Fall, in dem nur feststeht, dass der Schuldner zum Fälligkeitszeitpunkt nicht leistet, aber offen ist, ob der Schuldner innerhalb einer angemessenen Nachfrist seine Leistung noch erbringen wird, ist die Nachfristsetzung ja gerade nicht entbehrlich.

Anders ist es natürlich im Umkehrschluss – und das hat der BGH, VII ZR 344/01, schon früher klar gestellt – wenn sich eine Leistungsfähigkeit auch innerhalb der Nachfrist nicht mehr ergibt. Hier dennoch eine Nachfristsetzung zu fordern wäre zwecklos.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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