OLG Düsseldorf bestätigt Ausschlussfrist in AGB: Musikfestivals bedienen sich zunehmend bargeldloser Bezahlsysteme, die den Konsum auf dem Veranstaltungsgelände vereinfachen sollen. Die Ausgabe sogenannter Token – physischer oder digitaler Wertmarken – ist in diesem Zusammenhang weit verbreitet. Doch was passiert mit nicht verbrauchten Token?
Diese Frage beschäftigt zunehmend auch die Gerichte. Mit Urteil vom 10. April 2025 (Az. 20 UKl 9/24) hat das Oberlandesgericht Düsseldorf entschieden, dass eine Veranstalterin die Rückerstattung solcher Token vertraglich auf das Veranstaltungsende beschränken darf. Die Entscheidung setzt einen bedeutsamen Maßstab für die AGB-Kontrolle im Spannungsfeld von Verbraucherschutz und Veranstaltungspraxis.
Sachverhalt
Die beklagte Veranstalterin richtet jährlich ein mehrtägiges Musikfestival mit rund 75.000 Besuchern täglich aus. Auf dem Gelände ist ausschließlich bargeldloses Bezahlen mit sogenannten „ING Token“ möglich – Plastikchips, die an bestimmten Ausgabestellen gegen Zahlung erworben werden können. Die AGB der Veranstalterin sehen vor, dass ein Rücktausch der Token nur während der Öffnungszeiten der Kassen auf dem Festivalgelände oder Campingplatz möglich ist. Zudem ist der Rücktausch auf Token im Wert von maximal 50 € beschränkt. Eine Rückgabe nach Ende des Festivals ist ausgeschlossen.
Ein Verbraucherschutzverband klagte auf Unterlassung dieser Klauseln und argumentierte, es handele sich bei den Token um kleine Inhaberpapiere i.S.d. § 807 BGB, weshalb ein Rückerstattungsanspruch nach dem Festival bestehen müsse. Die vertraglich normierte Ausschlussfrist sowie die betragsmäßige Begrenzung des Rücktauschs seien unangemessene Benachteiligungen i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB. Die Klage blieb erfolglos.
Juristische Analyse
1. Verbraucherschutzrechtlicher Maßstab: AGB-Kontrolle nach § 307 BGB
Im Zentrum des Urteils steht die AGB-rechtliche Prüfung der Rücktauschklausel. Das OLG bejaht zunächst die Abweichung von einem gesetzlichen Leitbild. Zwar enthält das BGB keine expliziten Regelungen zur Rückerstattung nicht eingelöster Wertmarken, doch greift die Argumentation analog zu Prepaid-Verträgen oder Berechtigungskarten: Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2001, 2635) sind Ausschlussfristen im Verbraucherbereich nur dann zulässig, wenn sie nicht gegen das Äquivalenzprinzip verstoßen und die Interessen der Verbraucher nicht unzumutbar beeinträchtigen.
2. Zulässigkeit der Ausschlussfrist
Der Senat erkennt in der Rücktauschregelung eine vertraglich vereinbarte Ausschlussfrist, die das Erlöschen des Anspruchs auf Rückzahlung mit Ablauf des Festivals normiert. Anders als Verjährungsfristen führen Ausschlussfristen automatisch zum Verlust eines Anspruchs – und unterliegen daher strenger Kontrolle. Gleichwohl hält das Gericht die Frist unter den gegebenen Umständen für zumutbar:
- Das Festival ist als zeitlich klar umrissene Massenveranstaltung organisiert.
- Die Token sind spezifisch für ein konkretes Veranstaltungsjahr gestaltet.
- Die Rückgabe ist während der mehrtägigen Veranstaltung möglich.
- Die Beklagte habe ein berechtigtes Interesse an zügiger Abrechnung sowie an Fälschungssicherheit.
Die Richter betonen, dass es dem Besucher ohne weiteres zuzumuten sei, eine Rückgabe während der Veranstaltung vorzunehmen. Ein Anspruch auf Rückzahlung nachträglich per Post sei mit organisatorischem und finanziellem Mehraufwand verbunden, den der Veranstalter vermeiden dürfe.
3. Keine unangemessene Benachteiligung (§ 307 Abs. 1 BGB)
Die Argumente des klagenden Verbraucherschutzverbands – insbesondere zur möglichen Überforderung oder Unerreichbarkeit der Rückgabestellen gegen Ende der Veranstaltung – wies das OLG zurück. Der Charakter als mehrtägige Veranstaltung ermögliche eine hinreichend flexible Rückgabe. Auch unvorhersehbare Ereignisse (wie Krankheit oder Unfall) seien seltene Einzelfälle, deren Folgen in die Risikosphäre des Teilnehmers fallen.
Auch dass Besucher mangels Kenntnis der Preise eventuell zu viele Token erwerben, sei kein durchgreifender Einwand. Besucher könnten jederzeit Token nachkaufen; übermäßiger Vorratskauf liege in ihrer eigenen Verantwortung.
4. Begrenzung auf Rücktausch bis 50 €
Auch die betragsmäßige Deckelung des Rücktauschs auf 50 € hält der Senat für wirksam. Ziel sei die Erschwerung von Fälschungen, da die Token lediglich einfache, farbig gestaltete Plättchen seien, die leicht nachgemacht werden könnten. Eine nachträgliche Rückgabemöglichkeit in unbegrenzter Höhe erhöhe das Risiko kriminellen Missbrauchs erheblich. Die Beklagte habe zudem plausibel dargelegt, dass Tagesverbräuche von mehr als 50 € pro Person die Ausnahme darstellten. Die Regelung sei daher auch unter dem Gesichtspunkt des Äquivalenzprinzips nicht zu beanstanden.
5. Systematische Einordnung: Keine Anwendung von § 807 BGB
Das Gericht folgt nicht der klägerischen Argumentation, bei den Token handele es sich um kleine Inhaberpapiere im Sinne von § 807 BGB, aus denen sich zwingend ein Rückzahlungsanspruch ergäbe. Vielmehr handele es sich um ein auf das konkrete Festival bezogenes Zahlungssystem, das rein schuldrechtlich organisiert sei. Ein Rückzahlungsanspruch müsse sich daher aus dem Vertragsverhältnis ergeben – und könne wirksam durch AGB begrenzt werden.
6. Abgrenzung zu verwandten Konstellationen
Besonders differenziert geht das Gericht auf einen Parallelfall des LG Berlin (52 O 98/24) ein, der sich mit RFID-basierten Festivalarmbändern befasste. Dort war eine nachträgliche Rückgabe ohne Fälschungsgefahr möglich, sodass eine Ausschlussfrist unzulässig war. Im hiesigen Fall hingegen sei das Fälschungsrisiko durch die analoge Tokenstruktur höher, was eine strengere Handhabung rechtfertige.
Für Veranstalter bietet das Urteil rechtliche Sicherheit bei der Gestaltung von Token-Systemen. Für Verbraucher bleibt die Mahnung, sich mit Rücktauschbedingungen rechtzeitig auseinanderzusetzen – denn wer seine Wertmarken nicht rechtzeitig einlöst, verliert womöglich berechtigt seinen Anspruch.
Resümee
Das OLG Düsseldorf hat mit dieser Entscheidung ein ausgewogenes Urteil zur Wirksamkeit von AGB-Klauseln über Rücktauschfristen bei Festival-Token gefällt. Es erkennt zwar eine Abweichung vom dispositiven Leitbild an, lässt diese aber aufgrund der Besonderheiten der Veranstaltung und der Struktur des Zahlungssystems als sachlich gerechtfertigt gelten. Die Entscheidung zeigt, dass Ausschlussfristen auch im verbraucherschützenden AGB-Recht zulässig sein können – vorausgesetzt, sie wahren das Gleichgewicht der beiderseitigen Interessen und dienen nachvollziehbaren legitimen Zwecken wie Abrechnungsvereinfachung und Fälschungsschutz.
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