Eine Strafbarkeit wegen Widerstands oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 Abs. 1, § 114 Abs. 1 StGB) setzt eine rechtmäßige Dienst- oder Vollstreckungshandlung voraus. Dabei hängt die Rechtmäßigkeit hoheitlichen Handelns im strafrechtlichen Sinne davon ab, dass die vorgeschriebenen wesentlichen Förmlichkeiten eingehalten worden sind und der Hoheitsträger sein – ihm gegebenenfalls eingeräumtes – Ermessen pflichtgemäß ausgeübt hat (BGH, 6 StR 249/23).
Das bedeutet, Gerichte haben sich sehr detailliert mit der entsprechenden Maßnahme auseinander zu setzen – was gerne ignoriert wird. An Hand einer Fixierung macht der BGH deutlich, was man zu erwarten hat:
(1) Wegen der besonderen Eingriffsintensität stellt jedenfalls eine sogenannte 5-Punkt- oder 7-Punkt-Fixierung von mehr als einer halben Stunde Dauer regelmäßig eine eigenständige Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 104 Abs. 2 GG dar (vgl. zur Fixierung im Rahmen einer Unterbringung nach PsychKG: BVerfG, Urteil vom 24. Juli 2018 – 2 BvR 309/15, BVerfGE 149, 293, 319). Erforderlich ist deshalb auch im Polizei- und Ordnungsrecht eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage (vgl. Tomerius, NVwZ 2021, 289, 292), die insbesondere Anordnung und Durchführung der Fixierung in berechenbarer, messbarer und kontrollierbarer Weise regelt und die Maßnahme unter Richtervorbehalt stellt (vgl. BVerfG, aaO, 324). Denn die besonders grundrechtsintensive Aufhebung der Bewegungsfreiheit nimmt dem Betroffenen die ihm im Rahmen polizeirechtlichen Gewahrsams noch verbliebene Freiheit, sich jedenfalls innerhalb seines Haftraumes zu bewegen; sie macht ihn bewegungsunfähig.
(2) Die Urteilsfeststellungen lassen keine abschließende Prüfung zu, ob durch eine nur für kurze Dauer angeordnete Fixierung die polizeiliche Zuständigkeit noch begründet war. Sollte die Fixierung durch die Polizeibeamten hier für eine Dauer von mehr als einer halben Stunde angeordnet worden sein, fehlte es der allenfalls als Ermächtigungsgrundlage in Betracht kommenden Regelung zur Fesselung nach § 65 BbgPolG (abl. BeckOK PolR Bbg/Hofrichter/Fickenscher, 1. Ed., BbgPolG § 65 Rn. 44; Tomerius, aaO, 292; Bremische Bürgerschaft-Drucks. 20/511, 167) jedenfalls am notwendigen Richtervorbehalt; die für den polizeirechtlichen Gewahrsam bestehende richterliche Zuständigkeit nach § 18 Abs. 1 Satz 1 BgbPolG umfasste diese Zwangsmaßnahme nicht.
BGH, 6 StR 249/23
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