Durchsuchung beim Dritten (§ 103 StPO)

§ 103 StPO gestattet die bei Tatunverdächtigen, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass sich die gesuchte Person, Spur oder Sache in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Diese Durchsuchungsmaßnahme betrifft besonders Unternehmen, etwa Provider, die Daten herausgeben sollen. Dabei hebt der BGH hervor, dass alleine der „Besuch“ durch Polizisten schon negative Effekte haben kann – und deswegen im Regelfall erst einmal zur freiwilligen Mitwirkung aufzufordern ist. Gerade IT-Unternehmen wie Provider sollten diesen Umstand kennen.

Voraussetzungen der Durchsuchung beim Dritten

Eine Durchsuchungsanordnung nach § 103 StPO, die eine nicht verdächtige Person betrifft, setzt – anders als die Maßnahme beim Tatverdächtigen (§ 102 StPO), für die eine allgemeine Aussicht genügt, irgendwelche relevanten Beweismittel zu finden – voraus, dass hinreichend individualisierte (bestimmte) Beweismittel für die den Gegenstand des Verfahrens bildende Straftat gesucht werden:

Eine Ermittlungsdurchsuchung, die eine nichtverdächtige Person betrifft, setzt nach § 103 Abs. 1 Satz 1 StPO Tatsachen dahin voraus, dass sich das gesuchte Beweismittel in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Es müssen konkrete Gründe im Zeitpunkt der Anordnung, mithin aus ex ante-Sicht dafür sprechen (…), dass der gesuchte Beweisgegenstand in den Räumlichkeiten des Unverdächtigen gefunden werden kann (…).

BGH, StB 40/23

Diese Gegenstände müssen im soweit konkretisiert werden, dass weder bei dem Betroffenen noch bei dem die Durchsuchung vollziehenden Beamten Zweifel über die zu Suchenden und zu beschlagnahmenden Gegenstände entstehen können (BGH, StB 1/89, StB 20/01,) ausreichend ist dafür allerdings, dass die Beweismittel
der Gattung nach näher bestimmt sind; nicht erforderlich ist, dass sie in allen Einzelheiten bezeichnet werden (BGH, StB 9/99, StB 14/18).

Durchsuchung beim Dritten (§ 103 StPO) - Rechtsanwalt Ferner
Folie aus meinem Vortrag zur Durchsuchung beim Provider

Die Durchsuchung bei einem Nichtbeschuldigten, der durch sein Verhalten auch aus der Sicht der Ermittlungsbehörden keinen Anlass zu den Ermittlungsmaßnahmen gegeben hat, stellt über die allgemeinen Erwägungen hinaus erhöhte Anforderungen an die Prüfung der Verhältnismäßigkeit (BVerfG, 2 BvR 1036/08).


Nach § 103 Abs. 1 Satz 1 StPO setzt eine Durchsuchung zu Ermittlungszwecken bei einem Unverdächtigen tatsächliche Anhaltspunkte dafür voraus, dass sich das gesuchte Beweismittel in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Es müssen im Zeitpunkt der Anordnung, also aus einer ex ante-Sicht, konkrete Gründe dafür sprechen, dass sich das gesuchte Beweismittel in den Räumen des Beschuldigten befindet.

Die Durchsuchung beim Unverdächtigen setzt – anders als § 102 StPO für die Durchsuchung beim Tatverdächtigen, bei der die allgemeine Aussicht genügt, irgendein relevantes Beweismittel zu finden – nach § 103 StPO zusätzlich voraus, dass hinreichend individualisierte (bestimmte) Beweismittel für die aufzuklärende Straftat gesucht werden. Diese Gegenstände müssen im Durchsuchungsbeschluss so weit konkretisiert werden, dass weder bei dem Betroffenen noch bei dem die Durchsuchung durchführenden Beamten Zweifel über die zu suchenden und zu beschlagnahmenden Gegenstände entstehen können. Ausreichend ist allerdings, dass die Beweismittel der Gattung nach näher bezeichnet sind; einer näheren Bezeichnung bedarf es nicht.

Im Ergebnis ist daher den nichtverdächtigen Betroffenen mit der Rechtsprechung des BGH zumindest vor der Vollstreckung der Zwangsmaßnahme in der Regel Gelegenheit zur freiwilligen Herausgabe des sicherzustellenden Gegenstandes zu geben. Diese Abwendungsbefugnis ist regelmäßig in die Anordnungsentscheidung aufzunehmen, der BGH zur Thematik:

Abhängig von den sich aus den bisherigen Ermittlungsergebnissen ergebenden tatsächlichen Umständen, insbesondere der Kooperationsbereitschaft bzw. -pflicht des Adressaten der Maßnahme (…) kann es im Einzelfall sogar geboten sein, anstelle einer Durchsuchungsanordnung ein Herausgabeverlangen nach § 95 StPO als sanktionsfähige strafprozessuale Maßnahme vordringlich in Betracht zu ziehen (…)

Deshalb ist nichtverdächtigen Betroffenen zumindest vor der Vollstreckung der Zwangsmaßnahme in der Regel Gelegenheit zur freiwilligen Herausgabe des sicherzustellenden Gegenstandes zu geben (…) Diese Abwendungsbefugnis ist regelmäßig in die Anordnungsentscheidung aufzunehmen (…)

Ein solches kann sich insbesondere dann als gleich geeignet, indes weniger beeinträchtigend erweisen, wenn Gewissheit herrscht, dass sich ein beschlagnahmefähiger Beweisgegenstand im Gewahrsamsbereich eines herausgabepflichtigen Adressaten befindet, es zur Erlangung des Gegenstandes nicht auf einen Überraschungseffekt ankommt, die Maßnahme erfolgversprechend ist, das Gebot der Verfahrensbeschleunigung nicht entgegensteht und weder ein das bedrohender Verlust der begehrten Sache zu befürchten ist noch etwaige Verdunkelungsmaßnahmen zu besorgen sind (…) Denn in diesem Fall würde schon das Erscheinen von Ermittlungsbeamten beim Herausgabepflichtigen eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung seiner Rechte darstellen (…)

BGH, StB 6+7/21

Aber: Umgekehrt kann die Gewährung einer Abwendungsbefugnis im Ausnahmefall dann entbehrlich sein, wenn sich aus den bisherigen Ermittlungsergebnissen Tatsachen ergeben, aus denen zu schließen ist, dass der Betroffene zur freiwilligen Mitwirkung nicht bereit ist und Verdunkelungsmaßnahmen zu besorgen sind. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Beweismittel nur der Gattung nach bestimmt werden können und begründeter Anlass zu der Vermutung besteht, der Pflichtige täusche die Ermittlungsbehörden durch die bewusste Herausgabe nur eines Teils der beweiserheblichen Gegenstände.

Gründe im Beschluss

Die Entscheidung über die Bekanntgabe der Gründe einer Durchsuchungsanordnung betrifft mit dem BGH übrigens nicht eine „Durchsuchung“ selbst im Sinne des § 304 Abs. 5 StPO, sondern die Art und Weise deren Vollzugs.

Insoweit ist eine Beschwerde zum mit Blick auf den eng auszulegenden Anwendungsbereich des § 304 Abs. 5 StPO nicht statthaft (BGH, Beschluss vom 13. Oktober 1999 – StB 7 u. 8/99, BGHR StPO § 304 Abs. 5 Durchsuchung 3).

Die Hausdurchsuchung ist grundsätzlich durch den Richter im Verdachtsfall anzuordnen, Rechtsgrundlage ist hier §102 , siehe dazu hier bei uns,.

Es dürfen alle Räume durchsucht werden, die der im Durchsuchungsbeschluss benannte bewohnt oder auch nur (mit-)nutzt. Gegen Dritte darf der Durchsuchungsbeschluss aber nur verwendet werden, wenn diese auf Basis von §103 StPO einen eigenen Beschluss haben, mehr dazu hier bei uns.

Eine Hausdurchsuchung darf nicht bei absoluten Bagatelltaten angeordnet werden - etwa zum Auffinden eines Führerscheins oder wegen kleinster Delikte im Strassenverkehr. Es ist ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass wenigstens Delikte im ernsthaften mittleren Bereich vorliegen müssen, jeder anders lautende Durchsuchungsbeschluss sollte dringend geprüft werden.

Ärgerlich ist es, wenn eine Hausdurchsuchung zu Beschädigungen führt. Mitunter haften Mieter gegenüber Vermietern für die Schäden - durch die Durchsuchung bedingte Schäden sind aber vom Berechtigten hinzunehmen. Mehr dazu bei uns.

Jedenfalls bei einer eklatant rechtswidrigen Hausdurchsuchung, insbesondere wenn der Ermittlungsrichter bewusst umgegangen wurde, steht ein Beweisverwertungsverbot im Raum. Aber Vorsicht: Man braucht einen echten Strafverteidiger an dieser Stelle, da umstritten ist, ob die Widerspruchslösung greift.

Immer wieder googeln Menschen ganz nervös danach, um welche Zeiten eine Hausdurchsuchung stattfindet. Grundsätzlich gilt: Zwischen 4 Uhr morgens und 21 Uhr Abends sollten Sie damit rechnen, je nach Jahreszeit erst ab 6 Uhr morgens. Mehr zu den Zeiten der Hausdurchsuchung hier bei uns.

  1. Höflich und ruhig bleiben, keinen Widerstand leisten
  2. Auf keinen Fall anfangen Dinge zu verstecken oder zu vernichten
  3. Kontaktieren Sie sofort Ihren Rechtsanwalt für Hausdurchsuchung – falls nicht vorhanden bisher: Suchen Sie nach der Durchsuchung umgehend einen Strafverteidiger, der reagieren kann, es ist Eile geboten.
  4. Sagen Sie auch während der Hausdurchsuchung ohne Beratung nichts – das gilt sowohl für Sie als auch für ihren Angehörigen. Sie lassen sich nicht zur Sache ein, egal was versprochen oder womit gedroht wird!
  5. Unterschreiben Sie nichts, händigen Sie nichts den Ermittlern unmittelbar selber aus.
  6. Lassen Sie sich in jedem Fall Durchsuchungsbeschluss und Sicherstellungsprotokoll aushändigen.
  7. Prüfen Sie, gegen wen sich die Durchsuchung richtet und kontrollieren genau, dass nur die im Durchsuchungsbeschluss genannten Räume betreten werden.
  8. Papiere und Dokumente sind zu versiegeln, nicht vor Ort zu lesen ausser von einem Staatsanwalt.
  9. Strukturieren Sie vorhandene Informationen, die Sie Ihrem Strafverteidiger in konzentrierter Form mitteilen können: Was ist geschehen, welcher Tatvorwurf steht im Raum? Wissen Sie wo Ihr Angehöriger sich befindet?
  10. Bei eines Angehörigen: Rufen Sie den Strafverteidiger umgehend an. Verschwenden Sie keine Zeit mit langer Informationsbeschaffung! Denken Sie daran, dass jede Minute, die Ihr Angehöriger im Gewahrsam der Ermittlungsbehörden ist, das Risiko erhöht, dass er anfängt “zu plappern” und sich um Kopf und Kragen redet!
  11. Reden Sie nicht am Telefon über die Sache!
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht, Arbeitsrecht und IT-Recht / Technologierecht.