Beweisverwertungsverbot bei rechtswidriger Hausdurchsuchung

Verwertungsverbot nach rechtswidriger : Mit Beweisverwertungsverboten ist die Rechtsprechung in Deutschland im Zuge der hier vertretenen Abwägungslehre sehr Zurückhaltend. Gleich wohl kann das Fehlen einer richterlichen Durchsuchungsanordnung zu einem hinsichtlich der bei der gewonnenen Beweismittel führen. Insbesondere ist dies ein Streitfall, wenn die Staatsanwaltschaft nicht nachvollziehbar „Gefahr im Verzug“ angekommen hat.

Abwägung bei rechtswidriger Wohnungsdurchsuchung

Grundsätzlich ist dem Strafprozess ein allgemein geltender Grundsatz, dass jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, fremd. Die Annahme eines Verwertungsverbotes schränkt nämlich eines der wesentlichen Prinzipien des deutschen Strafverfahrensrechts ein – nämlich den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind. Der Rechtsstaat kann sich nach der Vorstellung der hierzulande vertretenen Rechtskultur nur verwirklichen, wenn ausreichende Vorkehrungen dafür getroffen sind, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten Bestrafung zugeführt werden. Daran gemessen bedeutet ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist.

Die Annahme eines Beweisverwertungsverbots ist deswegen von Verfassungs wegen nur bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen worden sind, geboten

Dabei reagieren BGH und äusserst allergisch, wenn noch nicht einmal der Versuch unternommen worden ist, an einem Werktag zu dienstüblichen Zeiten eine richterliche Entscheidung zu erlangen. Allerdings wird regelmäßig geprüft – hier wirkt sich die Abwägungslehre aus – ob ein hypothetisch rechtmäßiger Ermittlungsverlaufs angenommen werden kann (dazu BGH, 1 StR 455/03).

Verletzung des Richtervorbehalts kann zu Beweisverwertungsverbot führen

Wenn aber eklatant der Richtervorbehalt verletzt wird, kann dieser hypothetischen Prüfung keine Bedeutung mehr zukommen (so ausdrücklich BGH, 2 StR 394/15 oder auch 5 StR 546/06):

Die Einhaltung der durch § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO festgelegten Kompetenzregelung könnte in diesen Fällen bei Anerkennung des hypothetisch rechtmäßigen Ersatzeingriffs als Abwägungskriterium bei der Prüfung des Vorliegens eines Beweisverwertungsverbots stets unterlaufen und der Richtervorbehalt sogar letztlich sinnlos werden. Bei Duldung grober Missachtungen des Richtervorbehalts entstünde gar ein Ansporn, die Ermittlungen ohne Einschaltung des Ermittlungsrichters einfacher und möglicherweise erfolgversprechender zu gestalten. Damit würde das wesentliche Erfordernis eines rechtstaatlichen Ermittlungsverfahrens aufgegeben, dass Beweise nicht unter bewusstem Rechtsbruch oder gleichgewichtiger Rechtsmissachtung erlangt werden dürfen (BGH, Urteil vom 18. April 2007 – 5 StR 546/06, BGHSt 51, 285, 296; Beschluss vom 30. August 2011 – 3 StR 210/11, BGHR § 105 Abs. 1 Durchsuchung 8).

BGH, 2 StR 394/15

Fernwirkung des Beweisverwerungsverbotes

Ein eventuell zu erkennendes Beweisverwertungsverbort erstreckt sich nur ausnahmsweise auf sämtliche in der Wohnung vorgefundenen Beweismittel – sowie die Angaben, die nach dem Betreten der Wohnung gegenüber Polizeibeamten im Rahmen der Durchsuchung gemacht wurden.

Insoweit ist daran zu erinnern, dass eine Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten in dem Sinne, dass neben der Verwertung der unmittelbar unter Verstoß gegen ein Beweiserhebungsverbot erlangten Informationen auch die Verwertung aller weiteren Beweismittel verboten ist, die aufgrund solcher Informationen erlangt worden sind, in der Rechtsprechung grundsätzlich erst einmal verneint wird. Im US-Recht ist das etwa anders, siehe hierzu „fruit of the poisonous tree„.

Ein Verfahrensfehler, der ein Verwertungsverbot für ein Beweismittel bewirkt, darf für deutsche Gerichte nicht ohne weiteres dazu führen, dass das gesamte Strafverfahren „lahmgelegt“ wird. Die Grenzen richten sich jeweils nach der Sachlage und der Art des Verbots (siehe hierzu OLG Köln, Ss 462/00 und 1 RVs 227/16). Das bedeutet, dass etwa die nach ordnungsgemäßer Belehrung gemachten Angaben grundsätzlich verwertbar sind, auch wenn die Durchsuchung an sich rechtswidrig war.

Von der Rechtsprechung sind aber Besonderheiten anerkannt, die zu einer Fernwirkung führen können. So ist ein Beweisverwertungsverbot in der Rechtsprechung etwa angenommen worden für Bekundungen von Beschuldigten, die unter dem Eindruck des Vorhalts von unzulässig gewonnenen Erkenntnissen aus einer Telefonüberwachung gemacht worden sind (BGH, 3 StR 136/83). Dies soll auch gelten, wenn die Vernehmung im Rahmen der rechtswidrigen Durchsuchung in der eigenen Wohnung und unter dem Eindruck der dabei in unzulässiger Weise gewonnen Erkenntnisse durchgeführt wird.

Die Hausdurchsuchung ist grundsätzlich durch den Richter im Verdachtsfall anzuordnen, Rechtsgrundlage ist hier §102 StPO, siehe dazu hier bei uns,.

Es dürfen alle Räume durchsucht werden, die der im benannte bewohnt oder auch nur (mit-)nutzt. Gegen Dritte darf der Durchsuchungsbeschluss aber nur verwendet werden, wenn diese auf Basis von §103 StPO einen eigenen Beschluss haben, mehr dazu hier bei uns.

Eine Hausdurchsuchung darf nicht bei absoluten Bagatelltaten angeordnet werden - etwa zum Auffinden eines Führerscheins oder wegen kleinster Delikte im Strassenverkehr. Es ist ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass wenigstens Delikte im ernsthaften mittleren Bereich vorliegen müssen, jeder anders lautende Durchsuchungsbeschluss sollte dringend geprüft werden.

Ärgerlich ist es, wenn eine Hausdurchsuchung zu Beschädigungen führt. Mitunter haften Mieter gegenüber Vermietern für die Schäden - durch die Durchsuchung bedingte Schäden sind aber vom Berechtigten hinzunehmen. Mehr dazu bei uns.

Jedenfalls bei einer eklatant rechtswidrigen Hausdurchsuchung, insbesondere wenn der Ermittlungsrichter bewusst umgegangen wurde, steht ein Beweisverwertungsverbot im Raum. Aber Vorsicht: Man braucht einen echten Strafverteidiger an dieser Stelle, da umstritten ist, ob die Widerspruchslösung greift.

Immer wieder googeln Menschen ganz nervös danach, um welche Zeiten eine Hausdurchsuchung stattfindet. Grundsätzlich gilt: Zwischen 4 Uhr morgens und 21 Uhr Abends sollten Sie damit rechnen, je nach Jahreszeit erst ab 6 Uhr morgens. Mehr zu den Zeiten der Hausdurchsuchung hier bei uns.

  1. Höflich und ruhig bleiben, keinen Widerstand leisten
  2. Auf keinen Fall anfangen Dinge zu verstecken oder zu vernichten
  3. Kontaktieren Sie sofort Ihren Rechtsanwalt für Hausdurchsuchung – falls nicht vorhanden bisher: Suchen Sie nach der Durchsuchung umgehend einen Strafverteidiger, der reagieren kann, es ist Eile geboten.
  4. Sagen Sie auch während der Hausdurchsuchung ohne Beratung nichts – das gilt sowohl für Sie als auch für ihren Angehörigen. Sie lassen sich nicht zur Sache ein, egal was versprochen oder womit gedroht wird!
  5. Unterschreiben Sie nichts, händigen Sie nichts den Ermittlern unmittelbar selber aus.
  6. Lassen Sie sich in jedem Fall Durchsuchungsbeschluss und Sicherstellungsprotokoll aushändigen.
  7. Prüfen Sie, gegen wen sich die Durchsuchung richtet und kontrollieren genau, dass nur die im Durchsuchungsbeschluss genannten Räume betreten werden.
  8. Papiere und Dokumente sind zu versiegeln, nicht vor Ort zu lesen ausser von einem Staatsanwalt.
  9. Strukturieren Sie vorhandene Informationen, die Sie Ihrem Strafverteidiger in konzentrierter Form mitteilen können: Was ist geschehen, welcher Tatvorwurf steht im Raum? Wissen Sie wo Ihr Angehöriger sich befindet?
  10. Bei eines Angehörigen: Rufen Sie den Strafverteidiger umgehend an. Verschwenden Sie keine Zeit mit langer Informationsbeschaffung! Denken Sie daran, dass jede Minute, die Ihr Angehöriger im Gewahrsam der Ermittlungsbehörden ist, das Risiko erhöht, dass er anfängt “zu plappern” und sich um Kopf und Kragen redet!
  11. Reden Sie nicht am Telefon über die Sache!

Der sich offensichtlich als überführt ansehende Betroffene hat hier mit dem OLG Düsseldorf keinen Anlass, von seinem Recht auf Schweigen Gebrauch zu machen, zumal er in dieser Situation nicht wissen kann, dass die vorgefundenen Beweismittel unverwertbar sind: „Für ihn bestand ein Zustand, in dem Leugnen oder Schweigen sinnlos war angesichts der Tatsache, dass sich die Polizeibeamten in seiner Wohnung befanden und die unerlaubt angebauten Marihuanapflanzen bereits entdeckt hatten“ (siehe dazu Oberlandesgericht Düsseldorf, III-3 RVs 46/16).

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht, Arbeitsrecht und IT-Recht / Technologierecht.